Aufgabe der in Bandagen, Schuhen oder Textilien integrierten, patentgeschützten Bauteile: beim Sport oder am Arbeitsplatz vor gefährlichen Verletzungen schützen, die infolge eines Umknickens oder Sturzes entstehen können. Die Bewegungsfreiheit soll dabei aber trotzdem erhalten bleiben. In der ersten Jahreshälfte 2019 werden darüber die ersten unabhängigen Studien veröffentlicht. Noch in diesem Jahr will der Hilfsmittelhersteller in Kooperation mit der Julius Zorn GmbH (Juzo) seine Bandagen mit eingebautem Betterguards-System auf den Markt bringen. Über den Aufbau des eigenen Unternehmens berichtet Mitgründer Max Müseler im Interview.
OT: Wie kam es zu der Idee, ein Schutzsystem für Gelenke zu entwickeln?
Max Müseler: Vinzenz Bichler und ich haben an der TU Berlin Biomedizinische Technik studiert, Timo Stumper Bionik. Vinzenz ging es auf die Nerven, dass seine Lieblingsfußballer im Spiel umknickten und dann verletzungsbedingt lange ausfielen. Außerdem ist er selbst sehr sportlich, von Fußball bis Snowboard, und hatte mit Gelenkverletzungen zu kämpfen. Ausgangspunkt für uns war also, eine Verletzungsprävention zu erfinden, die wirklich hilft. Bereits da dachten wir auch an den Einsatz im Bereich Arbeitssicherheit. In einer Projekt- und einer Masterarbeit haben wir während des Studiums an der Idee geforscht. 2014 gründeten wir aus der Uni heraus unser Unternehmen und konnten mit einem EXIST-Gründerstipendium (EXIST = Zuschuss für Existenzgründer aus der Wissenschaft, um sich aus der Uni heraus selbstständig zu machen, Anm. d. Red.) loslegen. Wir haben seither zwölf Patente angemeldet, Prototypen entwickelt und erste Sonderanfertigungen produziert.
OT: Was war die größte Herausforderung für Ihr Start-up?
Müseler: Die Finanzierung. Drei Business Angels haben uns geholfen, der Einstieg zweier Venture-Capital-Investoren sowie öffentliche Mittel sicherten die Finanzierung. So haben wir in einem von Bundesforschungsministerium geförderten Verbundprojekt unter anderem mit der TU Berlin drei Jahre die Technologie erforscht und Probandentests durchgeführt. Die Ergebnisse werden im Laufe des ersten Halbjahr s 2019 veröffentlicht. Auf unseren Prüfständen konnten wir die Wirksamkeit unseres Produkts nachweisen – ein wesentlicher Schritt für den Eintritt in den Medizintechnikmarkt. Nicht zuletzt testen die Profi-Handballer der Füchse Berlin unsere Produkte seit dem Sommer letzten Jahres.
OT: Wo stehen Sie jetzt?
Müseler: Wir befinden uns in der Professionalisierungsphase. Wir sind zu dritt gestartet, mit unseren Laptops zusammengepfercht in einem kleinen Büro. Inzwischen haben wir elf feste Mitarbeiter. Unsere Forschungs- und Entwicklungsabteilung sitzt im Charlottenburger Innovations-Centrum (CHIC) in Berlin auf knapp 200 Quadratmetern mit Nähe zur TU Berlin. Außerdem haben wir unsere Produktion auf 450 Quadratmetern in Brandenburg gerade in Betrieb genommen.
OT: Sie produzieren in Deutschland. Soll dies so bleiben?
Müseler: Made in Germany ist uns wichtig. Wir möchten Know-how und Produktion selbst in der Hand haben. Wir wollen die Kontrolle über den gesamten Prozess behalten. Wenn man die Produktion auslagert, kann man nicht mehr schnell genug reagieren. Uns helfen auch Berater aus der Automobilindustrie. Wir nutzen zum Beispiel einen Produktionsroboter, da haben wir viel von unseren Beratern gelernt. Unsere Produktionslinien sind modular erweiterbar, wir können die Kapazitäten jederzeit erhöhen und größere Stückzahlen im Jahr erreichen.
OT: Sie haben mit Juzo einen im Hilfsmittelmarkt etablierten Partner gewonnen. Was ist das Ergebnis dieser Zusammenarbeit?
Müseler: Juzo bringt ein großes Händlernetzwerk mit. Das Unternehmen hat eine weltweite Lizenz für den Einsatz unserer Technologie für das Sprunggelenk. Die ersten Sprunggelenkbandagen mit dem Betterguards-System bringt unser Partner in diesem Jahr auf den Markt. Die Serie heißt „FastProtect“. Juzo bemüht sich derzeit um die Erteilung einer Hilfsmittelnummer beim GKV-Spitzenverband.
OT: Welches sind die nächsten Schritte für Ihr Unternehmen?
Müseler: Wir wollen die Gelenkprävention revolutionieren, damit Gelenkverletzungen irgendwann Geschichte sind. Deshalb ist für uns wichtig, dass unsere Entwicklung in vielen Bereichen zum Tragen kommt. Die Technologie kann ebenfalls andere Gelenke wie Hand- oder Kniegelenk vor Verletzungen und Überlastungsschäden schützen. Wir verhandeln gerade mit Herstellern aus dem Sport- und Freizeitmarkt sowie von Arbeitsschutzausrüstungen und bereiten entsprechende Machbarkeitsstudien vor.
Die Fragen stellte Cathrin Günzel.
Der von Betterguards entwickelte Gelenkschutz lässt sich unter anderem in Bandagen für Sprung‑, Hand und Kniegelenke implementieren. Nach Herstellerangaben schützt das System effizienter als flexible Bandagen.Im Unterschied zu robusten, starren Produkten wiederum aktiviere es sich ausschließlich im Ernstfall. Es werde erst bei einer definierten Geschwindigkeit ausgelöst, ab der Gelenkverletzungen auftreten können. So versteife sich das System sofort bei plötzlicher Krafteinwirkung aufgrund eines Sturzes oder beim Umknicken eines Gelenks. Dabei reagiere es schneller als der Muskel. Für den Einsatz der Technologie werden zwei Fixpunkte benötigt, die auf verschiedenen Seiten des zu sichernden Gelenks liegen müssen. Dazwischen sitzt das Schutzsystem. Beim Sprunggelenk beispielsweise befindet sich Fixpunkt 1 am Übergang vom Unterschenkel zum Knöchel und der zweite unter dem Fuß, verankert durch das Körpergewicht und die Einbettung im Schuh.
Beim Umknicken des Fußes verlängert sich der Abstand der beiden Fixpunkte. Das Schutzsystem wird aktiviert. Das heißt, bei sehr schnellen Bewegungen im definierten kritischen Bereich mit Gefahr einer Bandruptur blockiert das System und begrenzt die Bewegung. Für Messungen an künstlichen Gelenken, Probandentests sowie Dauerlastversuche hat die Firma spezielle Prüfstände konstruiert. Nach Ergebnissen eigener Untersuchungen schütze die Neuentwicklung das Sprunggelenk in gleichem Maße wie eine starre Orthese. Dies hätten zudem noch unveröffentlichte Vergleichsmessungen innerhalb eines Verbundprojekts bestätigt, das im Rahmen der Förderinitiative „KMU-innovativ“ des Bundesforschungsministeriums stattfand.
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