Hilfsmittelabgabe hört sich nach einem recht unkomplizierten Prozess an: Eine medizinische Ware, die die Therapie ermöglicht oder unterstützt, wird vom Fachhandel zum Patienten transportiert. Die Versorgung auf schlafmedizinischem Terrain ist allerdings besonders anspruchsvoll.
Wenn im Schlaflabor bei einem Betroffenen eine Schlafapnoe diagnostiziert wurde – sei es eine „einfache“ obstruktive oder eine komplexere zentrale Atemstörung –, wird dem Patienten ein Gerät für die nicht-invasive Beatmung verordnet, das seine Spontanatmung mit einem dauerhaften Überdruck unterstützt. Dieses Beatmungsgerät hält mit seinem Luftstrom die Atemwege offen, sodass es nicht mehr zu den charakteristischen Atemaussetzern kommen kann.
Es gibt verschiedene Gerätetypen. Das Spektrum reicht vom simplen CPAP-Gerät (wobei die Abkürzung „CPAP“ für Continuous Positive Airway Pressure steht) über das Bi-Level-Gerät, das bei der Ein- und Ausatmung unterschiedliche Drücke erzeugt, bis hin zum High-end-Gerät, der adaptiven Servoventilation für Patienten mit Cheyne-Stokes-Atmung.
Das Gerät allein reicht für die Therapie aber nicht aus. Dazu kommen noch Schlauch und Maske. Masken sind jedoch ein äußerst problematisches Produkt. Jeder Mensch hat eine andere Gesichtsform. Und wenn sich eine Maske diesem Gesicht nicht perfekt anpasst, entstehen Leckagen. Das ist unangenehm und wirkt sich negativ auf die Therapietreue des Patienten aus. Aus einer Vielzahl von Masken auf dem Markt diejenige auszuwählen, die ordentlich sitzt, das ist schon eine kleine Kunst.
Der Versorgungsweg
Das Schlaflabor verordnet dem Patienten einen bestimmten Gerätetypus und das Gerät eines bestimmten Herstellers. Die gängigsten CPAP-Geräte bieten heute alle einen hohen technischen Standard; dennoch weisen die Geräte verschiedener Hersteller feine, manchmal auch deutlichere Unterschiede in ihrer Software auf. Der verordnende Arzt kennt sich in der Gerätelandschaft aus und wählt für seinen Patienten das Gerät, von dem er annimmt, dass dieser es mit einiger Wahrscheinlichkeit tolerieren wird, damit eine zufriedenstellende Therapietreue gewährleistet ist.
Die Verordnung für den gesetzlich versicherten Patienten geht nun in der Regel ihren vorgeschriebenen Weg zum Kostenträger, der sie genehmigt und zur Ausführung an den Homecare-Provider weiterreicht, mit dem er einen Versorgungsvertrag geschlossen hat.
Die meisten Kassen sind vertraglich an bestimmte Versorgerfirmen gebunden; deshalb kann das Schlaflabor nicht entscheiden, wer den Auftrag letztendlich ausführt. Früher war das anders. Die Schlaflabore unterhielten ein eigenes Gerätelager und händigten nach der Diagnose dem Patienten sofort sein Gerät aus. Das verführte manche Schlaflabore dazu, Geräte bestimmter Hersteller bevorzugt an ihre Patienten abzugeben und dafür eine Provision einzustreichen. Den kostenbewussten Kassen missfiel das. So schob der Gesetzgeber dieser Vorgehensweise einen Riegel vor, der sich Depotverbot nennt.
Für die Patienten war das wenig komfortabel, denn sie mussten von da an zur Niederlassung eines bestimmten Versorgers fahren, oder dieser schickte sein Servicepersonal beim Patienten zu Hause vorbei. Ersteres war für die Patienten umständlich, letzteres kostete die Versorgerfirmen eine Menge Geld. So vermieteten Schlaflabore ihre Räumlichkeiten, strikt getrennt vom Schlaflabor, an Versorgerfirmen, die diese Aufgabe nun sozusagen in allernächster Nachbarschaft erledigen können.
In der Regel schließen die Kostenträger für ihre Patienten mit den Versorgungsfirmen Pauschalverträge über eine Laufzeit von drei bis vier Jahren. Die Pauschale beinhaltet das Gerät inklusive Luftbefeuchter und die Interface-Artikel wie Maske und Schlauch. Das Gerät muss gewartet, eventuell auch repariert oder ausgetauscht werden. Masken und Schläuche müssen wie alle Gebrauchsartikel nach einiger Zeit ersetzt werden. Grundsätzlich aber sind die Geräte Eigentum der Versorgerfirmen. Diese können die Geräte, wenn sie vom Patienten zurückgehen, hygienisch aufbereitet als Gebrauchtgeräte anderen Patienten wieder zur Verfügung stellen. Seltener erwerben die Kassen die Geräte und leihen sie dem Versicherten sozusagen aus.
Ein Nebeneinander kleiner und großer Versorger
Die meisten Versorger sind bislang mittelständische Unternehmen, sprich: Sanitätshäuser, die in ihrem regionalen Einzugsgebiet im Lauf der Jahre eine exzellente Versorgungsstruktur etablierten. Das braucht Zeit. Vertrauen entsteht nicht von heute auf morgen. Vertrauen erwächst aus guter Erfahrung. Die Zusammenarbeit mit den Schlaflaboren war sehr eng und vertrauensvoll – und das kam vor allem den Patienten zugute. Sie wurden prompt bedient. Bei Problemen stand sofort ein Mitarbeiter vor der Haustür und half das Problem zu lösen. Diese Versorger unterstützen auch die örtlichen Selbsthilfegruppen sehr engagiert mit Vorträgen und Maskensprechstunden und warten die Geräte.
Neben den „kleinen“ regionalen Versorgern existieren noch einige „Große“, die bundesweit tätig sind. Die beiden bekanntesten sind ResMed und Heinen + Löwenstein. ResMed ist gleichzeitig auch ein weltweit renommierter Hersteller von CPAP-Geräten.
Heinen + Löwenstein produzierte bis vor kurzem selbst keine Geräte, vertrieb aber fast alle Marken, die angeboten werden. Heinen + Löwenstein hat am 2. Juli 2013 den Beatmungsbereich der Firma Weinmann in Hamburg übernommen und ist damit auch Hersteller von CPAP-Geräten. Heinen + Löwenstein hat mit dieser Rochade die Position in diesem überschaubaren Markt weiter gefestigt.
Die schlafmedizinische Versorgung mit Geräten und Masken lässt sich nur mit ganz wenigen anderen Bereichen der Hilfsmittelversorgung vergleichen. Die Therapienotwendigkeit reicht von der Erstdiagnose bis ans Lebensende, weil man diese Erkrankung nicht „heilen“ kann. Man rechnet hier von Versorgungszeiträumen von 10, 20, 30, 40 Jahren. Das bedeutet, dass die Beratung und Betreuung der Patienten kontinuierlich notwendig und für die Therapietreue unabdingbar ist.
Drohender Paradigmenwechsel
Da bei keinem mehr das Geld so locker sitzt, werden die Kostenpauschalen permanent nach unten korrigiert. Das muss keine Katastrophe sein, denn durch ein kluges Management lassen sich hier und da Kosten einsparen – ohne dass die Versorgungsqualität darunter leiden muss.
Bislang haben die Krankenkassen auf schlafmedizinischem Gebiet Verträge mit den Versorgerfirmen ausgehandelt. Die Kasse ruft eine Vertragsabsicht aus, die interessierten Leistungserbringer signalisieren Interesse und werden dann zu Vorgesprächen und schließlich zu Vertragsverhandlungen eingeladen. Eine neue Spielart im Gesundheitswesen – von der Politik bewusst gewollt – ist die Ausschreibung.
Müssen, so fragt man sich, medizinische Hilfsmittel grundsätzlich ausgeschrieben werden? In der letzten Gesetzesänderung wurde die Muss-Bestimmung zum Thema Ausschreibung zu einer Kann-Bestimmung verändert. Ausschreibungen können dann angewendet werden, wenn es zweckdienlich ist. In aller Regel versteht man darunter dienstleistungsferne Versorgungsbereiche, die stark distributionsorientiert sind. Das heißt, dass dabei keine Dienstleistung im Sinne einer echten Beratung des Patienten stattfindet. Inkontinenzartikel kann man z. B. einfach im Pflegeheim auf einer Palette anliefern. Bei schwer inkontinenten Patienten, die zu Hause leben, ist natürlich auch eine intensive Betreuung nötig.
Eine überregionale Kasse hat nun als erste die schlafmedizinische Versorgung bundesweit ausgeschrieben. Das hat in der Branche für Verwirrung gesorgt. Was bedeutet diese Ausschreibung für die Firmen, die bisher diese Betreuung durchgeführt haben?
Neu zu versorgende Versicherte werden sofort vom Gewinner der Ausschreibung versorgt. Ansonsten endet die Betreuung der Versicherten dieser Krankenkasse mit dem Ende der noch laufenden Fallpauschale. Die Geräte, die derzeit bei den Versicherten sind, sind Eigentum des bisherigen Versorgers. Der holt diese natürlich zurück. Der Betroffene wird dann vom neuen Versorger mit einem neuen Gerät versorgt. Dies muss nicht dasselbe Fabrikat sein, das der Patient bisher hatte. Der neue Versorger kann dieses Gerät natürlich auch vom alten Versorger kaufen. Ob dies allerdings in Anbetracht der niedrigen Vergütungshöhe ein gangbarer Weg ist, ist zu bezweifeln – zumal man davon ausgehen muss, dass ein Großteil der Versicherten derzeit mit qualitativ hochwertigen Geräten ausgestattet ist.
Ein Preiswettbewerb, bei dem weder nach unten noch nach oben Grenzen gesetzt sind, kann sich als sehr problematisch erweisen. Die Ausschreibung hat zu einem Löwenanteil ein bundesweit tätiger Versorger gewonnen. Die Höhe der Versorgungspauschale, die dem Bieter den Losgewinn beschert hat, bleibt streng gehütetes Geheimnis der Partner. Wenn Patienten in dieser Hinsicht Transparenz fordern, ist das dem sensiblen Thema höchst angemessen. Geheimniskrämerei aus angeblichen Wettbewerbsgründen gesteht man gerne der Konsumgüterindustrie zu, auf dem Gesundheitssektor kann so etwas jedoch schnell zur Unsitte werden. Nahe liegt der Verdacht, dass da mit niedrigen Preisen agiert wird, die langfristig früher oder später die Versorgungsqualität der Patienten zumindest tangieren müssen.
Über die Vergütungshöhe für Versicherte der Krankenkasse lässt sich nur spekulieren. Sie bewegt sich jedoch wohl in dramatischen Niederungen. So wird vermutet, dass sie im normalen CPAP-Bereich zwischen 100 und 130 Euro liegen könnte (zum Vergleich: Bislang wird für ein CPAP-Gerät von den Kassen eine Jahrespauschale von rund 500 Euro veranschlagt). Angesichts dieser Konditionen stellt sich einem schon die Frage, mit welchen Geräten hier eine medizinisch funktionelle Versorgung der Versicherten sichergestellt werden kann. Sicherlich nicht mit einem Gerät, das zwischen 300 und 400 Euro kostet. Dazu müssen noch weitere Kosten einkalkuliert werden, z. B. für die gesamte Serviceleistung, für Nachlieferung von Verbrauchsmaterialien, Masken, Reparaturen, Betreuung etc. Rein kaufmännisch betrachtet müsste hier ein Gerät her, das so gut wie nichts kostet. In den USA bekommt man CPAP-Geräte schon für unter 100 Dollar.
Payment for performance oder Preiswettbewerb?
Qualität ist oberstes Gebot, und man geht natürlich immer davon aus, dass der Leistungserbringer die Qualitätsparameter einhält, die im Vertrag stehen. Die Überprüfung der Qualität ist freilich sehr schwierig und wird in aller Regel nicht durchgeführt. Nur bei eklatanten Beschwerden wird geprüft. Wenn sich aber nicht viele Versicherte beschweren, so geht die Kasse davon aus, dass die Qualität top ist. Das Problem ist nur, dass viele Patienten sich bei unzureichender Qualität der Versorgung nicht beschweren, sondern die Therapie einfach abbrechen. Das erfährt die Kasse zunächst einmal nicht. Bei der erwähnten Ausschreibung ist das Zuschlagskriterium zu 70 % der Preis. Qualität spielt nur zu 30 % eine Rolle.
Für die Krankenkasse ist diese Ausschreibung ein immenser wirtschaftlicher Vorteil. Das ganze Procedere ist für die Kasse sehr viel einfacher, weil sie bundesweit nur noch wenige Vertragspartner hat. Das spart eine Menge Geld.
Eine Ausschreibung wird von wirtschaftlichen Maßstäben bestimmt. Dies öffnet die Tür für eine sehr gefährliche Entwicklung, da der ökonomische Faktor, sprich: die Rendite, für die Krankenkasse der wesentliche Faktor bleibt. Das hat eigentlich nichts mit der ureigenen Aufgabenstellung einer gesetzlichen Krankenkasse zu tun. Sie ist kein Wirtschaftsunternehmen. Die GKV muss keinem Kapitalgeber gefallen. Sie hat die Leistungsansprüche ihrer Versicherten zu befriedigen und dabei eine ausgewogene Finanzierung sicherzustellen.
Man fragt sich, ob das Ausschreibungswesen nicht über kurz oder lang zu einer Monopolisierung führen wird. Freilich: Wettbewerb muss sein. Keine Frage. Das will auch die Politik. Wenn jedoch durch Ausschreibungen Märkte für mehrere Jahre einfach vordeterminiert sind, hat das zwei Folgen: Wer den Markt gewonnen hat, muss jetzt schauen, wie er unter diesen Rahmenbedingungen seinen Vertrag erfüllt. Er bewegt sich aber qualitativ nicht mehr in einem spezifischen Wettbewerb. Und wer jetzt im Markt nicht mehr teilnehmen kann, muss sich überlegen, wie er überlebt. Geht es um größere Marktanteile, wird es auf der Ebene der Leistungserbringer zu ganz massiven Verschiebungen kommen. Die Zahl der Wettbewerber nimmt ab. Damit wächst auch die Gefahr von Preisabsprachen hinter den Kulissen. Nehmen wir das klassische Beispiel des Reha-Marktes in Holland: Dort gibt es nur noch zwei oder drei wesentliche Anbieter. Alle anderen sind weg vom Markt.
Bleibt die Betreuung der Patienten auf der Strecke?
Service wie beispielsweise eine Maskensprechstunde im Rahmen einer Selbsthilfeveranstaltung kostet das Unternehmen Geld. Dies ist eine zusätzliche Leistung. Kann man diese bei weiter sinkenden Preisen noch anbieten? Bislang beinhalten die Vergütungsstrukturen auch diese Leistung. Bei einer Pauschale von, sagen wir, 120 Euro im Jahr ist das nicht mehr machbar. Das Teuerste an der Versorgung ist der letzte Meter zum Kunden. Das ist der Aufwand, und davon hängt es ab, ob die Therapie funktioniert. Jetzt wird den Schlafapnoe-Patienten zwangsläufig ein neuer Wind entgegenwehen: Wo die Versorger bislang ein Interesse daran hatten, aktiv auf die Betroffenen zuzugehen, zu schauen, ob die Compliance stimmt oder ob es Therapieprobleme gibt, muss der Versorger jetzt nach dem Prinzip agieren: Hoffentlich rufen nicht mehr zu viele an, denn das bringt meine Kalkulation ans Limit. Aktiv kann ich mich nicht mehr um die Kunden kümmern. Ich kann keine Maskensprechstunden mehr anbieten.
Einweisung muss sein. Die vertraglichen Anforderungen an die Leistungserbringung beinhalten eine persönliche Einweisung des Versicherten. Und wir wissen, dass wir uns in den ersten drei bis sechs Monaten in einer kritischen Phase der Schlafapnoe-Versorgung befinden. Wenn man in dieser Zeit an Information und Betreuung spart, wird sich die Compliance-Rate und damit der Therapieerfolg drastisch verschlechtern. Wenn der Patient das Gerät nicht nutzt, ist auch die geringste Pauschale zum Fenster hinausgeworfenes Geld. Die Krankenkasse bekommt das vorerst nicht mit. Sie kommt erst dahinter, wenn nach einem oder zwei Jahren die Betriebsstunden die Wahrheit enthüllen.
Ob sich Patienten, insbesondere Neupatienten, darüber beschweren werden, dass sie ihre Betreuung als insuffizient empfinden, daran ist zu zweifeln. Denn sie haben keine Vergleichserfahrungen, die ihnen zeigen, wie eine effiziente Betreuung aussehen müsste. Wenn sie also mit ihrem Gerät nicht klarkommen, stellen sie es in die Ecke. Mit dem Risiko all jener Schlafapnoe-Folgeerkrankungen, die diese Therapie ja eigentlich vermeiden sollte.
Zudem: Nach zwei Jahren wird niemand mehr daran denken, dass der jetzige Preis für die Schlafapnoe-Versorgung aufgrund einer Ausschreibung zustande gekommen ist. Von dieser Pauschale wird man dann bei weiteren Ausschreibungen oder Verhandlungen ausgehen. Der Preiswettbewerb hat den Preisverfall damit festgeschrieben. Leider geht damit auch die Versorgungsqualität baden.
Der Autor:
Werner Waldmann MA
Vorsitzender des Bundesverbands
Schlafapnoe und Schlafstörungen
Deutschland e. V. (BSD)
Panoramastraße 6
73760 Ostfildern
w.waldmann@bsd-selbsthilfe.de
Begutachteter Beitrag/Reviewed paper
Waldmann W. Schlafapnoe-Versorgung: Wie Schlaflabor, Homecare-Provider und Patient zusammenwirken. Orthopädie Technik, 2013; 64 (8): 30–34
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