„Ohne Hand­werk läuft nichts“

Jost Heise ist der Beste – er hat beim Leistungswettbewerb des Deutschen Handwerks den ersten Platz unter den Orthopädietechniker:innen gemacht. Warum die Branche echte Begeisterung weckt und was sie besser machen kann, um junge Menschen anzuziehen, erklärt der 24-Jährige im Interview.

OT: Herr Hei­se, wo errei­chen wir Sie denn?

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Jost Hei­se: In Hal­le an der Saa­le, wo ich gebo­ren und auf­ge­wach­sen bin. Ich kom­me gera­de von der Arbeit. „Busch Sani­täts­haus und Ortho­pä­die-Tech­nik“ heißt die Fir­ma, hier habe ich mein Prak­ti­kum gemacht, die Aus­bil­dung absol­viert – und hier möch­te ich auch ger­ne noch bleiben.

OT: Ihr Chef möch­te Sie sicher auch ger­ne behal­ten. Immer­hin sind Sie nun offi­zi­ell der bes­te jun­ge Ortho­pä­die­tech­ni­ker aller Bun­des­län­der. Wie sind Sie eigent­lich in die Bran­che gekommen?

Hei­se: Tat­säch­lich habe ich nach dem Abitur gedacht, dass ein Stu­di­um das Rich­ti­ge für mich wäre. Aber ich habe schnell gemerkt, dass mich das nicht packt. Ich habe das Fach gewech­selt, aber auch das hat mich nicht zufrie­den­ge­stellt. Mir fehl­te das Prak­ti­sche, ich woll­te etwas mit den Hän­den machen. Auf die Ortho­pä­die-Tech­nik bin ich über Bekann­te auf­merk­sam gewor­den. Der Beruf ist ja doch recht unbe­kannt. Und beim Prak­ti­kum konn­te ich mit Men­schen und mei­nen Hän­den arbei­ten – das hat mir von Minu­te eins an gut gefallen.

OT: Wel­cher Bereich der Ortho­pä­die-Tech­nik ist Ihr liebster?

Hei­se: Das ist die Pro­the­tik, in dem Fach habe ich auch im ver­gan­ge­nen Jahr mein Gesel­len­stück gefer­tigt. Da bin ich ein biss­chen geschul­ter als zum Bei­spiel in der Orthe­tik, des­halb kann ich hier mehr machen, frei­er gestal­ten und siche­rer arbeiten.

OT: Was für ein Gesel­len­stück hat Sie zum Lan­des­sie­ger für Sach­sen-Anhalt gemacht?

Hei­se: Das war eine Unter­schen­kel­pro­the­se mit fle­xi­blem Innen­schaft in Car­bon­tech­nik, dazu ein Pro-Flex-Pivot von Össur. Das ist ein ganz coo­ler Fuß. War­um ich den genom­men habe, bin ich auch in der Prü­fung gefragt wor­den. Ich fin­de gut, dass er viel Bewe­gung frei­gibt und auch die kon­tra­la­te­ra­le Sei­te beim Lau­fen ent­las­tet. Mei­nem Pati­en­ten hat er auch gefal­len, obwohl man­che den Fuß ableh­nen, weil er ihnen zu schwer ist. Und die Kos­me­tik zur Pro­the­se habe ich selbst geschäumt und zurecht geschliffen.

OT: Wel­che Ein­drü­cke haben Sie vom Bun­des­fi­na­le des Leis­tungs­wett­be­werbs des Deut­schen Hand­werks in Dort­mund mitgenommen?

Hei­se: Als die Innung mich ange­ru­fen und mir gesagt hat, dass ich mich anmel­den darf, war ich ganz über­rascht. Bis dahin wuss­te ich gar nicht, dass ich Lan­des­sie­ger gewor­den bin. Ich habe die Ein­la­dung zum Wett­be­werb aber sehr ger­ne ange­nom­men. Gewin­nen war gar nicht so sehr das Ziel, eher der Aus­tausch mit Kol­le­gen in der glei­chen Alters­stu­fe und der war wirk­lich sehr gut. Wir haben, je nach Fach­rich­tung, eine Unter­schen­kel­pro­the­se oder eine Unter­schen­kel­or­the­se anfer­ti­gen müs­sen, aber trotz­dem hat ja doch jeder sei­ne indi­vi­du­el­len Fer­ti­gungs­tech­ni­ken und Arbeits­ab­läu­fe. Ich fand’s cool, das mal zu sehen, auch die Bun­des­fach­schu­le für Ortho­pä­die-Tech­nik, die Bufa.

OT: Kürz­lich hat das For­schungs­in­sti­tut für Bil­dungs- und Sozi­al­öko­no­mie Zah­len vor­ge­legt, wonach sich eine wach­sen­de Zahl an Abiturient:innen für eine klas­si­sche Berufs­aus­bil­dung ent­schei­det. Der Anteil stieg von 35 Pro­zent im Jahr 2011 auf 47,4 Pro­zent im Jahr 2021. Was glau­ben Sie, wel­chen Stel­len­wert das Hand­werk bei jun­gen Men­schen hat?

Hei­se: Ich den­ke, dass den Jün­ge­ren eher die aka­de­mi­sche Lauf­bahn emp­foh­len wird. Ich höre aus ande­ren Betrie­ben immer wie­der, dass fast kei­ne Bewer­bun­gen kom­men. Bei uns in der Fir­ma haben wir zum Glück zwei Azu­bis, aber ich den­ke, dass es wenig Inter­es­se am Hand­werk gibt. Und spe­zi­ell in unse­rer Bran­che kommt noch dazu, dass vie­le den Beruf ein­fach nicht ken­nen. Viel­leicht müss­te man ihn für Jugend­li­che lukra­ti­ver gestal­ten und mehr in ein Prak­ti­kum bekom­men – ich habe auf die­sem Weg sofort gese­hen, dass der Beruf das Rich­ti­ge ist. Für mich per­sön­lich hat das Hand­werk natür­lich einen sehr hohen Stel­len­wert: Das ist die Grund­la­ge der Gesell­schaft, ohne Hand­werk läuft nichts!

OT: Gibt es neben dem Nach­wuchs­man­gel noch wei­te­re Her­aus­for­de­run­gen für die Zukunft der Orthopädie-Technik?

Hei­se: Umwelt­schutz ist sicher ein The­ma. Wir soll­ten schon dar­auf ach­ten, wie wir mit Roh­stof­fen umge­hen, Ver­schnitt ver­mei­den und unse­ren Ver­brauch kri­tisch im Blick haben.

OT: Und Ihre per­sön­li­che Zukunft in der Orthopädie-Technik?

Hei­se: Ich blei­be der Bran­che treu. Natür­lich kann ich heu­te nicht sagen, was in 30 Jah­ren ist. Aber ich habe gro­ßes Inter­es­se dar­an, mich in mei­nem Fach fort­zu­bil­den, spä­ter den Meis­ter zu machen, viel­leicht auch irgend­wann wie­der zu stu­die­ren – aber dann berufs­be­glei­tend und sicher nicht in naher Zukunft.

OT: Alf Reu­ter, Prä­si­dent des Bun­des­in­nungs­ver­ban­des für Ortho­pä­die-Tech­nik, hat kürz­lich mehr jun­ge Leu­te im Ehren­amt gefor­dert. Sehen Sie dort ein Betä­ti­gungs­feld für sich, um die Zukunft des Fachs mitzugestalten?

Hei­se: Nach­dem ich gera­de erst mit der Aus­bil­dung fer­tig gewor­den bin, hat­te ich noch gar kei­ne Gele­gen­heit, mich mit dem The­ma Ehren­amt aus­ein­an­der­zu­set­zen. Die Lern­in­hal­te und die Arbeit im Betrieb haben mich gut aus­ge­las­tet. Wobei mich das Hand­werk nicht ver­lässt, wenn ich aus dem Betrieb gehe: Ich ver­brin­ge viel Zeit mit mei­ner Fami­lie und da gibt es immer etwas zum Heimwerken.

Die Fra­gen stell­te Tama­ra Pohl.

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