OT: Herr Heise, wo erreichen wir Sie denn?
Jost Heise: In Halle an der Saale, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Ich komme gerade von der Arbeit. „Busch Sanitätshaus und Orthopädie-Technik“ heißt die Firma, hier habe ich mein Praktikum gemacht, die Ausbildung absolviert – und hier möchte ich auch gerne noch bleiben.
OT: Ihr Chef möchte Sie sicher auch gerne behalten. Immerhin sind Sie nun offiziell der beste junge Orthopädietechniker aller Bundesländer. Wie sind Sie eigentlich in die Branche gekommen?
Heise: Tatsächlich habe ich nach dem Abitur gedacht, dass ein Studium das Richtige für mich wäre. Aber ich habe schnell gemerkt, dass mich das nicht packt. Ich habe das Fach gewechselt, aber auch das hat mich nicht zufriedengestellt. Mir fehlte das Praktische, ich wollte etwas mit den Händen machen. Auf die Orthopädie-Technik bin ich über Bekannte aufmerksam geworden. Der Beruf ist ja doch recht unbekannt. Und beim Praktikum konnte ich mit Menschen und meinen Händen arbeiten – das hat mir von Minute eins an gut gefallen.
OT: Welcher Bereich der Orthopädie-Technik ist Ihr liebster?
Heise: Das ist die Prothetik, in dem Fach habe ich auch im vergangenen Jahr mein Gesellenstück gefertigt. Da bin ich ein bisschen geschulter als zum Beispiel in der Orthetik, deshalb kann ich hier mehr machen, freier gestalten und sicherer arbeiten.
OT: Was für ein Gesellenstück hat Sie zum Landessieger für Sachsen-Anhalt gemacht?
Heise: Das war eine Unterschenkelprothese mit flexiblem Innenschaft in Carbontechnik, dazu ein Pro-Flex-Pivot von Össur. Das ist ein ganz cooler Fuß. Warum ich den genommen habe, bin ich auch in der Prüfung gefragt worden. Ich finde gut, dass er viel Bewegung freigibt und auch die kontralaterale Seite beim Laufen entlastet. Meinem Patienten hat er auch gefallen, obwohl manche den Fuß ablehnen, weil er ihnen zu schwer ist. Und die Kosmetik zur Prothese habe ich selbst geschäumt und zurecht geschliffen.
OT: Welche Eindrücke haben Sie vom Bundesfinale des Leistungswettbewerbs des Deutschen Handwerks in Dortmund mitgenommen?
Heise: Als die Innung mich angerufen und mir gesagt hat, dass ich mich anmelden darf, war ich ganz überrascht. Bis dahin wusste ich gar nicht, dass ich Landessieger geworden bin. Ich habe die Einladung zum Wettbewerb aber sehr gerne angenommen. Gewinnen war gar nicht so sehr das Ziel, eher der Austausch mit Kollegen in der gleichen Altersstufe und der war wirklich sehr gut. Wir haben, je nach Fachrichtung, eine Unterschenkelprothese oder eine Unterschenkelorthese anfertigen müssen, aber trotzdem hat ja doch jeder seine individuellen Fertigungstechniken und Arbeitsabläufe. Ich fand’s cool, das mal zu sehen, auch die Bundesfachschule für Orthopädie-Technik, die Bufa.
OT: Kürzlich hat das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie Zahlen vorgelegt, wonach sich eine wachsende Zahl an Abiturient:innen für eine klassische Berufsausbildung entscheidet. Der Anteil stieg von 35 Prozent im Jahr 2011 auf 47,4 Prozent im Jahr 2021. Was glauben Sie, welchen Stellenwert das Handwerk bei jungen Menschen hat?
Heise: Ich denke, dass den Jüngeren eher die akademische Laufbahn empfohlen wird. Ich höre aus anderen Betrieben immer wieder, dass fast keine Bewerbungen kommen. Bei uns in der Firma haben wir zum Glück zwei Azubis, aber ich denke, dass es wenig Interesse am Handwerk gibt. Und speziell in unserer Branche kommt noch dazu, dass viele den Beruf einfach nicht kennen. Vielleicht müsste man ihn für Jugendliche lukrativer gestalten und mehr in ein Praktikum bekommen – ich habe auf diesem Weg sofort gesehen, dass der Beruf das Richtige ist. Für mich persönlich hat das Handwerk natürlich einen sehr hohen Stellenwert: Das ist die Grundlage der Gesellschaft, ohne Handwerk läuft nichts!
OT: Gibt es neben dem Nachwuchsmangel noch weitere Herausforderungen für die Zukunft der Orthopädie-Technik?
Heise: Umweltschutz ist sicher ein Thema. Wir sollten schon darauf achten, wie wir mit Rohstoffen umgehen, Verschnitt vermeiden und unseren Verbrauch kritisch im Blick haben.
OT: Und Ihre persönliche Zukunft in der Orthopädie-Technik?
Heise: Ich bleibe der Branche treu. Natürlich kann ich heute nicht sagen, was in 30 Jahren ist. Aber ich habe großes Interesse daran, mich in meinem Fach fortzubilden, später den Meister zu machen, vielleicht auch irgendwann wieder zu studieren – aber dann berufsbegleitend und sicher nicht in naher Zukunft.
OT: Alf Reuter, Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik, hat kürzlich mehr junge Leute im Ehrenamt gefordert. Sehen Sie dort ein Betätigungsfeld für sich, um die Zukunft des Fachs mitzugestalten?
Heise: Nachdem ich gerade erst mit der Ausbildung fertig geworden bin, hatte ich noch gar keine Gelegenheit, mich mit dem Thema Ehrenamt auseinanderzusetzen. Die Lerninhalte und die Arbeit im Betrieb haben mich gut ausgelastet. Wobei mich das Handwerk nicht verlässt, wenn ich aus dem Betrieb gehe: Ich verbringe viel Zeit mit meiner Familie und da gibt es immer etwas zum Heimwerken.
Die Fragen stellte Tamara Pohl.
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