Auch wenn die Theorien des US-amerikanischen Ingenieurs Frederick Winslow Taylor schon 100 Jahre zurückliegen – noch heute leide die Gesellschaft unter den Effekten des Taylorismus. „Er hat uns Kreativität und Sinnempfinden weggenommen“, sagte Rehwaldt mit Blick auf seine Vorstellung von Arbeitsteilung. Ihm hätten wir Sätze wie „Thank god, it’s Friday“ zu verdanken. Arbeit werde mit Begriffen wie „schwierig“ und „unfreiwillig“ verbunden. Es sei etwas Leidiges, dessen Ende man entgegenfiebere. Wie sich Arbeit im Tagesverlauf auf das Glückslevel auswirkt, zeigte sie anhand einer Untersuchung von Nobelpreisträger Daniel Kahneman auf. Den ersten Peek erreicht das Glück zwischen 12 und 13 Uhr – also in der Mittagspause. Dann geht das Glück in den Keller. Doch mit dem Feierabend gibt es ein neues Hoch. „Als ich das sah, war ich hinreichend entsetzt. Erst wenn wir etwas anderes tun als zu arbeiten, steigt das Glück. Das ist bedauerlich“, sagte Rehwaldt. „Das muss doch besser gehen!“, ist sie überzeugt. Nur wie?
Ist Glück messbar?
Um Antworten zu finden, wies sie auf eine wichtige Unterscheidung hin. Während Zufriedenheit von Faktoren wie Höhe des Gehalts oder der Anzahl der Urlaubstage abhängig sei, zahlten auf Glück andere Aspekte ein. Glück ist mehr. Glück ist emotionaler. Glück erreichen wir, wenn wir etwas selbst geschaffen haben. „Nur“ drei Faktoren – sie hatte mit einer größeren Bandbreite gerechtet – erwiesen sich während ihrer Forschung als relevant für Glück auf der Arbeit. Sinnempfinden, Gemeinschaft und Selbstverwirklichung. „Das ist ja trivial, dachte ich. Woran liegt es dann, dass sich nicht jede Organisation damit beschäftigt? Warum sind wir nicht glücklich, wenn die Geschäftsführungen wissen, was es braucht?“, fragte Rehwaldt und gab gleich darauf Antworten. Glück ist – oder vielmehr war – wenig messbar. Ein von ihrem Unternehmen entwickeltes Instrument soll Aufschluss geben. Online kann jede:r einen Fragebogen zu seinem bzw. ihrem Glückslevel ausfüllen. Mit jedem ausgefüllten Fragebogen steigt täglich die Datenmenge. „Vielleicht ist es wirtschaftlich nicht sinnvoll sich mit dem Thema Glück auf der Arbeit zu beschäftigen“, vermutete Rehwaldt einen weiteren Grund hinter der Zurückhaltung. Die Studienlage allerdings zeichne ein anderes Bild: Arbeitsglück bringt sogar ökonomische Vorteile. Erstens: Kreativität. Positiv gestimmte Menschen sind kreativer und innovativer. Ein Witz hier, ein Späßchen da, ein erst verrückt klingender Gedanke, der mit den Kolleg:innen dann gemeinsam weitergesponnen wird. „Neue Ideen entstehen, wenn Menschen in kicheriger Stimmung sind“, ist Rehwaldt überzeugt. Zweiter Effekt: Bindung. Wer glücklich ist, ist bereit, sein Herz an seine Organisation zu hängen. Solche Mitarbeiter:innen wollen bleiben. Die Fluktuation und der Krankenstand sind geringer. „Nebenbei: Menschen werden älter, wenn sie glücklich sind – um die neun Jahre. Es lohnt sich also“, sagte Rehwaldt und setzte selbst zum Kichern an. Als dritten Effekt nannte sie Stimmung: In positiver Stimmung sprechen Menschen Probleme eher an, versuchen Konflikte zu lösen. Auch im Umgang mit Kund:innen zahle sich die Positivität aus. „Als Kleinkind wusste man, wann der beste Moment ist, um die Eltern nach Schokolade zu fragen.“ Schlecht oder gut gelaunt? Das höre man an der Stimme. Und Miesmuscheln – die meidet man. Der vierte und letzte Faktor ist Motivation: Glückliche Menschen sind intrinsisch motiviert, ihr Herz hängt an dem, was sie tun. Unglückliche Menschen müssen dagegen extrinsisch, also z. B. mit hohem Gehalt, motiviert werden. Ist ein Beruf sinnleer, wird „Schmerzensgeld“ benötigt. Unternehmen müssen also draufzahlen. Ein Vorteil des Handwerks: Das Sinnempfinden und der Stolz sind im Vergleich zu anderen Branchen stark ausgeprägt. Alle vier Faktoren zeigen laut Rehwaldt, dass sich Glück (wirtschaftlich) lohnt – und zwar für beide Seiten, für Mitarbeiter:innen und Führungskräfte.
Lebensqualität geht vor Gehalt
Wie Geld und Glück zusammenhängen, thematisiert der Work Happiness Report. 2023 zeigte die Auswertung, dass 71 Prozent der Befragten für mehr Arbeitsglück auf einen Teil ihres Gehalts verzichten würden – sogar auf 20 Prozent. Und das gaben nicht nur die Topverdiener an. Beim Report 2024 erlebte Rehwaldt dann erneut eine Überraschung. Aufgrund der Krisen hatte sie damit gerechnet, dass die Bereitschaft Gehalt abzugeben sinken würden, doch das Gegenteil war der Fall. Der Wert stieg auf 73 Prozent. „Das sind bewegende Zahlen“, resümierte sie. Die Lebensqualität scheint vorzugehen.
„Ich hoffe, dass ich die Frau sein kann, die Arbeit revolutioniert und dass ich dabei helfen kann, das, was Taylor sagte, aufzuweichen“, sagte Rehwaldt zum Abschluss ihrer Keynote. Ein Appell an alle Anwesenden, ihrem eigenen Glück auf die Sprünge zu helfen – und vor allem dem ihrer Mitarbeiter:innen. Vielleicht heißt es dann ja bald: „Thank god, it’s monday“?
Pia Engelbrecht
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