Naht­lo­se und dau­er­haf­te Inte­gra­ti­on wei­cher und dehn­ba­rer Druck­sen­so­ren in indi­vi­du­ell ange­pass­te und digi­tal gefer­tig­te ortho­pä­di­sche Hilfsmittel

R. Koeppe ¹, L. Wakolbinger ¹ ², D. Handstanger-Deimling ¹ ³, L. Kainz ¹, Y. Vereshchaga ¹, H. Egger ²
Es wird ein neuartiges Konzept zur Integration verschiedener Sensoren in die individuell geformte Oberfläche maßgefertigter orthopädischer Hilfsmittel vorgestellt. Dabei wird ein Netz aus dehnbaren Leiterbahnen mit Sensoren an den Netzknoten in vorgefertigte Vertiefungen der Oberfläche des Hilfsmittels eingeklebt. Somit können die Sensornetze standardisiert in der Ebene gefertigt werden und passen sich erst beim Einbau an die räumlich gekrümmte Oberfläche des Hilfsmittels bzw. des entsprechenden Körperteils an. An zwei Beispielen maßgefertigter Hilfsmittel – eine Einlegesohle und ein Prothesenschaft – werden die Vorteile einer solchen Integration von Drucksensoren aufgezeigt. Ein Demonstrator der 3D-gedruckten Einlegesohle durchläuft aktuell (Stand: Dezember 2022) Einsatztests und wird Anfang 2023 in ersten Studien an Diabetespatienten zum Einsatz kommen.

Ein­lei­tung und Motivation

Die Ortho­pä­die-Tech­nik befin­det sich durch die Digi­ta­li­sie­rung aktu­ell in einem gro­ßen Umschwung, vor allem im Bereich der Her­stel­lung maß­ge­fer­tig­ter Hilfs­mit­tel. Durch opti­sche Scan­ver­fah­ren, Kon­struk­ti­on mit­tels CAD-Soft­ware und Fer­ti­gung durch CNC-Frä­sen oder addi­ti­ve Fer­ti­gungs­ver­fah­ren (3D-Druck) kön­nen deut­li­che Pro­duk­ti­vi­täts­fort­schrit­te bei hoher Ver­sor­gungs­qua­li­tät erzielt wer­den 1 2. Ein wei­te­rer Bereich der Digi­ta­li­sie­rung betrifft Sen­so­ren zur Ver­mes­sung der Inter­ak­ti­on zwi­schen dem maß­ge­fer­tig­ten Hilfs­mit­tel und dem Kör­per des Pati­en­ten wäh­rend der Ver­sor­gung. Mes­sun­gen hier­zu wären in vie­len Berei­chen der Ortho­pä­die­tech­nik sehr hilf­reich, ins­be­son­de­re hin­sicht­lich der bei­den fol­gen­den Aspekte:

  • Einer­seits erlaubt ein sol­ches Ver­fah­ren, die Nut­zungs­dau­er eines Hilfs­mit­tels zu über­wa­chen, Belas­tungs­pro­fi­le zu erstel­len und Abwei­chun­gen vom Norm­zu­stand zu erken­nen, sodass recht­zei­tig Anpas­sun­gen am Hilfs­mit­tel vor­ge­nom­men oder dem Pati­en­ten ent­spre­chen­de Hil­fe­stel­lun­gen, z. B. über eine mobi­le Appli­ka­ti­on, geleis­tet wer­den kön­nen. Dies kann die Sicher­heit und Effi­zi­enz im Ein­zel­fall deut­lich verbessern.
  • Ande­rer­seits ermög­li­chen die auf die­se Wei­se erho­be­nen Daten über eine Viel­zahl indi­vi­du­el­ler Ver­sor­gun­gen einen bes­se­ren Ein­blick in die Wir­kungs­wei­se und die Effi­zi­enz ein­zel­ner Ver­sor­gungs­ty­pen. Dies hat das Poten­zi­al, über groß­an­ge­leg­te Daten­ana­ly­sen gene­rel­le Aus­sa­gen über bestimm­te Hilfs­mit­tel­ty­pen zu treffen.

Es gibt bereits eini­ge wis­sen­schaft­li­che Unter­su­chun­gen zur Inte­gra­ti­on von Sen­so­ren, die die mecha­ni­sche Inter­ak­ti­on zwi­schen Kör­per und Hilfs­mit­tel mes­sen 3. Tat­säch­lich zum Ein­satz kom­men sol­che Sen­so­ren bis­her aber vor allem im Bereich der ortho­pä­di­schen Schuh­ein­la­gen, beson­ders bei Ein­la­gen zur Ver­sor­gung von Dia­be­ti­kern 4. Hier sind die kom­mer­zi­el­len Sys­te­me jedoch ledig­lich zur ein­ma­li­gen Mes­sung der Druck­ver­tei­lung nach Fer­tig­stel­lung der Ein­la­gen gedacht – eine dau­er­haf­te Über­wa­chung ist allein durch den hohen Preis der Sen­sor­lö­sun­gen nicht prak­ti­ka­bel. Somit ist dem Wis­sen der Autoren nach, der Ein­satz von Tem­pe­ra­tur­sen­so­ren zur Über­wa­chung der Tra­ge­dau­er von Hilfs­mit­teln 5 aktu­ell die ein­zi­ge Sen­sor­lö­sung zur dau­er­haf­ten Über­wa­chung maß­ge­fer­tig­ter Hilfs­mit­tel, die bis­her im ortho­pä­die­tech­ni­schen All­tag tat­säch­lich ange­wen­det wird.

Durch die Kom­bi­na­ti­on wei­cher, ver­form­ba­rer und durch­läs­si­ger elek­tro­ni­scher Bau­tei­le 6 mit der Fle­xi­bi­li­tät und der Stan­dar­di­sie­rung der digi­ta­len Fer­ti­gung ortho­pä­di­scher Hilfs­mit­tel erge­ben sich neue Wege zur dau­er­haf­ten Inte­gra­ti­on von Sen­so­ren in maß­ge­fer­tig­te ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel. Die Mög­lich­keit des Aus­tauschs und der auto­ma­ti­schen Inter­pre­ta­ti­on von digi­ta­len Model­len im Rah­men des com­pu­ter­ge­stütz­ten Design­pro­zes­ses (CAD) ist hier­bei der zen­tra­le Fak­tor. Ein sol­cher Ansatz wird im Fol­gen­den näher beschrie­ben; zudem wer­den die sich dar­aus erge­ben­den Per­spek­ti­ven anhand zwei­er Anwen­dungs­bei­spie­le aufgezeigt.

Tech­no­lo­gie

Die größ­te Her­aus­for­de­rung bei der Inte­gra­ti­on von Sen­so­ren in maß­ge­fer­tig­te Hilfs­mit­tel ist die ein­zig­ar­ti­ge, meist kom­plex in drei Dimen­sio­nen gewölb­te Geo­me­trie der Kon­takt­flä­che zum Kör­per. Mit her­kömm­li­chen Ver­fah­ren ent­wor­fe­ne Sen­so­ren und Anschluss­lei­tun­gen sind dort übli­cher­wei­se nur mit einem gro­ßen Maß an Pla­nung auf Ein­zel­stü­ckebe­ne und in auf­wen­di­ger Hand­ar­beit ein­zu­bau­en; ent­spre­chend unzu­ver­läs­sig und kos­ten­in­ten­siv ist ein sol­ches Vorgehen.

Spe­zi­ell die übli­che Fer­ti­gung elek­tro­ni­scher Schal­tun­gen und Sen­so­ren auf Lei­ter­plat­ten limi­tiert die Mög­lich­kei­ten des Ein­baus auf sol­chen Flä­chen. Selbst sehr dün­ne Foli­en­pla­ti­nen wer­fen Fal­ten, wenn sie über kom­plex gekrümm­te Ober­flä­chen gezo­gen wer­den sollen.

Die in die­sem Bei­trag vor­ge­stell­te Lösung besteht aus einem Netz aus dehn­ba­ren Lei­ter­bah­nen, an des­sen Kno­ten­punk­ten sich klein­flä­chi­ge elek­tri­sche Sen­so­ren zur Mes­sung von Druck­kräf­ten oder Tem­pe­ra­tur befin­den. Das Trä­ger­ma­te­ri­al des Net­zes ist ein haut­ver­träg­li­ches Sili­kon, das die gewell­ten und damit dehn­ba­ren Lei­ter­bah­nen sowie die klein­flä­chi­gen Sen­so­ren an den Kno­ten­punk­ten kom­plett umschließt (Abb. 1). Das Netz inklu­si­ve der Kno­ten­punk­te hat durch­ge­hend eine Dicke von etwa 1 mm und weist auf einer Sei­te eine selbst­kle­ben­de Schicht auf. Zur naht­lo­sen Inte­gra­ti­on wer­den in der Ober­flä­che des Hilfs­mit­tels Ver­tie­fun­gen vor­ge­se­hen, in die das Netz dann sehr ein­fach hän­disch ein­ge­klebt wird (Abb. 2). Die dehn­ba­ren Lei­ter­bah­nen ermög­li­chen eine per­fek­te Anpas­sung des in der Ebe­ne gefer­tig­ten Sen­sor­net­zes an die kom­ple­xe Ober­flä­che des Hilfs­mit­tels. Als Schnitt­stel­le zu ent­spre­chen­den End­ge­rä­ten des Ortho­pä­die­tech­ni­kers oder des Pati­en­ten ist das Sen­sor­netz mit einer sehr kom­pak­ten, bat­te­rie­ver­sorg­ten Aus­le­se­elek­tro­nik ver­bun­den (Abb. 3).

Die­se ver­bin­det sich via Blue­tooth mit belie­bi­gen mobi­len End­ge­rä­ten oder PCs und kann ent­we­der live oder über einen län­ge­ren Zeit­raum auf­ge­zeich­ne­te Daten über­tra­gen. Auf dem End­ge­rät ist eine ent­spre­chen­de Soft­ware zur Visua­li­sie­rung und Ana­ly­se der Mess­da­ten instal­liert. Die ent­spre­chen­den Ver­tie­fun­gen kön­nen in einem digi­ta­len Design­pro­zess auto­ma­tisch mit­be­rück­sich­tigt wer­den. So kön­nen beim Design des Hilfs­mit­tels Sen­so­ren mit­be­rück­sich­tigt und par­al­lel zur Pro­duk­ti­on des Hilfs­mit­tels das ent­spre­chend pas­sen­de Sen­sor­netz gefer­tigt wer­den. Dabei kom­men ent­spre­chend der Anfor­de­run­gen an das Hilfs­mit­tel ver­schie­de­ne Fer­ti­gungs­ver­fah­ren wie CNC-Frä­sen, 3D-Druck oder Auf­schäu­men zum Ein­satz. Im Fol­gen­den wer­den zwei Anwen­dungs­bei­spie­le vor­ge­stellt: einer­seits der Ein­satz in maß­ge­fer­tig­ten Ein­le­ge­soh­len, ande­rer­seits in Prothesenschäften.

Anwen­dungs­bei­spiel Einlegesohle

Als Tech­no­lo­gie­de­mons­tra­tor wur­den meh­re­re addi­tiv gefer­tig­te Pro­to­ty­pen von maß­ge­fer­tig­ten Ein­la­gen mit dem Sen­sor­netz aus­ge­stat­tet (Abb. 4a u. b). Dazu wur­den 21 resis­ti­ve Druck­sen­so­ren mit jeweils 5 mm Durch­mes­ser gleich­mä­ßig über die Flä­che der Ein­la­ge ver­teilt. Die Sen­so­ren sind in der Lage, Druck­kräf­te von bis zu 800 kPa mit einer Genau­ig­keit von 10 % zu detek­tie­ren. Die Aus­le­se­elek­tro­nik ist kom­pakt genug, um in das Fuß­ge­wöl­be von Ein­la­gen ab Schuh­grö­ße 37 inte­griert zu wer­den. Somit ist die Soh­le eine Ein­heit, die sehr bequem auch im All­tags­ein­satz getra­gen wer­den kann. Bei einer Live-Über­tra­gung der Daten mit 8 Mes­sun­gen pro Sekun­de beträgt die Akku­lauf­zeit etwa 12 Stun­den; bei einer Auf­zeich­nung der Daten und anschlie­ßen­der Über­tra­gung liegt die Lauf­zeit im Bereich von 30 Stun­den Tra­ge­dau­er, abhän­gig von der Mess­fre­quenz. Die Daten wer­den in einer Anzei­ge- und Ana­ly­se­soft­ware ver­ar­bei­tet, die die Druck­ver­tei­lung am Fuß räum­lich und zeit­lich auf­ge­löst dar­stellt (Abb. 5).

Ver­schie­de­ne Ana­ly­se­mo­du­le erlau­ben die Dar­stel­lung von Druck­ma­xi­ma, bestimm­ten Zonen des Fußes oder des Gang­bil­des. Mit der inte­grier­ten Sen­so­rik kann das Belas­tungs­pro­fil einer sol­chen Soh­le über län­ge­re Zeit­räu­me über­prüft und somit Adhä­renz und Wirk­sam­keit veri­fi­ziert wer­den. Spe­zi­ell bei der Ver­mei­dung bzw. Behand­lung von Ulcera beim dia­be­ti­schen Fuß spielt die zuver­läs­si­ge und dau­er­haf­te Ent­las­tung der betrof­fe­nen Stel­len sowie eine mög­lichst gleich­mä­ßi­ge Ver­tei­lung der Druck­be­las­tung über den rest­li­chen Fuß eine gro­ße Rolle.

Durch die Mög­lich­keit der indi­vi­du­el­len Plat­zie­rung der Sen­so­ren im digi­ta­len Modell der Soh­le kann die Druck­mes­sung direkt an den kri­ti­schen Stel­len erfol­gen, die für die jewei­li­ge Anwen­dung am inter­es­san­tes­ten sind. Am Bei­spiel der Ein­le­ge­soh­le für Dia­be­tes­pa­ti­en­ten könn­ten dies zum Bei­spiel die drei gro­ßen Zehen­bal­len, die fünf meta­tar­sa­len Kno­chen sowie die Fer­se und das Maxi­mum des Fuß­ge­wöl­bes sein. Wenn die Pro­blem­zo­nen des Pati­en­ten schon bekannt sind, rei­chen unter Umstän­den auch weni­ger Sen­so­ren aus. Als kri­ti­sche Gren­ze für die Druck­be­las­tung für die Ulzer­a­ti­on beim dia­be­ti­schen Fuß gel­ten gemein­hin häu­fig auf­tre­ten­de Spit­zen­be­las­tun­gen von mehr als 300 kPa 7. Für ein­fa­che Gang­ana­ly­sen sind übli­cher­wei­se fünf Sen­so­ren aus­rei­chend, um Abroll­be­we­gung und late­ra­le Ver­kip­pung zu vermessen.

Grund­sätz­lich kann über Mes­sun­gen mit Druck­plat­ten und spe­zi­el­len Mess­soh­len, die über die fer­ti­ge Ent­las­tungs­ein­la­ge gelegt wer­den, eine recht genaue Aus­sa­ge über die Druck­ent­las­tung der Ein­la­ge getrof­fen wer­den. Bei einer erheb­li­chen Zahl von Pati­en­ten blei­ben die Beschwer­den jedoch trotz­dem bestehen oder wer­den sogar stär­ker. Wird in sol­chen Fäl­len ein Belas­tungs­pro­fil der Fuß­soh­le beim all­täg­li­chen Ein­satz erstellt, kann es zu recht­zei­ti­gen Anpas­sun­gen kom­men, um mög­lichst vie­len Pati­en­ten chro­ni­sche Wun­den und Ampu­ta­tio­nen zu erspa­ren. Die­se sind trotz sehr guter Ver­sor­gung lei­der noch all­zu häu­fig nötig.

Anwen­dungs­bei­spiel Prothetik

Bei einer Pro­the­sen­ver­sor­gung bringt die Schaft­ge­stal­tung eine Rei­he von Her­aus­for­de­run­gen mit sich, die maß­geb­lich von der Ampu­ta­ti­ons­hö­he, der Weich­teil­de­ckung und von der Lage­rung der abge­trenn­ten Ner­ven im Ampu­ta­ti­ons­stumpf abhän­gen. Auf­grund der zu erwar­ten­den Neurom­bil­dung, einer Art Ner­ven­nar­be, soll­ten Druck­kräf­te auf Ner­ven­enden von außen durch den Schaft und von innen durch Kno­chen grund­sätz­lich ver­mie­den wer­den. Dar­über hin­aus kann eine zu hohe Druck­be­las­tung nicht nur Haut­ir­ri­ta­tio­nen her­vor­ru­fen, son­dern die Haut in Ver­bin­dung mit zusätz­li­chen Rela­tiv­be­we­gun­gen zwi­schen Pro­the­sen­schaft und Ampu­ta­ti­ons­stumpf auch wund­rei­ben. Beson­ders gefähr­det sind Berei­che mit Haut­nar­ben und sol­che, die per­ma­nent einer hohen Feuch­tig­keit aus­ge­setzt sind, etwa bei Ver­wen­dung eines Sili­kon­liners (Abb. 6a–c).

Schmer­zen im Bereich der Haut­ir­ri­ta­tio­nen kön­nen dazu füh­ren, dass Betrof­fe­ne ähn­lich wie mit einem schlecht­sit­zen­den Schuh beim Gehen Schon­hal­tun­gen ein­neh­men, Geh­stre­cken redu­zie­ren oder das Gehen sogar kom­plett ver­mei­den. Da der Schaft in ers­ter Linie der mecha­ni­schen Ver­bin­dung der Pro­the­se mit dem Pro­the­sen­trä­ger dient, soll­te er gut sit­zen. Bei Bein­pro­the­sen ist der Schaft im wei­tes­ten Sin­ne ver­gleich­bar mit einem Schuh am gesun­den Fuß eines Men­schen. Bei der Viel­zahl von Schu­hen, die es gibt, um mög­lichst vie­le Kun­den mit ihren unter­schied­lichs­ten Bedürf­nis­sen zufrie­den­zu­stel­len, wird bereits erkenn­bar, wel­che Details bei einem Schaft ent­schei­dend sind, um mög­lichst vie­le Pro­the­sen­trä­ger zufrie­den­stel­len zu können.

Immer­hin gibt es beim Ampu­ta­ti­ons­stumpf im Ver­gleich zum gesun­den Fuß eine deut­lich höhe­re Varia­bi­li­tät. Bein­pro­the­sen exis­tie­ren für unter­schied­li­che Ampu­ta­ti­ons­ni­veaus, das heißt für Fuß‑, Unterschenkel‑, Knie‑, Ober­schen­kel- und Hüft- bzw. Becken­am­pu­ta­tio­nen. Bei jeder die­ser Bein­pro­the­sen fin­det die Last­über­tra­gung in Form von Druck­be­an­spru­chun­gen an der Kon­takt­flä­che Schaft/Stumpfhaut statt. Moder­ne instru­men­tel­le Hilfs­mit­tel wie das vor­ge­stell­te Sen­sor­netz erfas­sen die Druck­be­an­spru­chun­gen an der Stumpf­ober­flä­che und visua­li­sie­ren sie. Auf die­se Wei­se kann sowohl die Ver­tei­lung der sta­ti­schen als auch der dyna­mi­sche Kraft­ein­lei­tung mit ihrem Nor­mal­kraft- und Scher­kraft-anteil dar­ge­stellt wer­den. Dies unter­stützt die Beur­tei­lung der Stumpf-Schaft-Ver­bin­dung hin­sicht­lich der ein­wir­ken­den Zug- und Druck­kräf­te sowie der medio­la­te­ra­len Sta­bi­li­sie­rung und der Schaft­ver­dre­hung. Dabei ist eine gleich­mä­ßi­ge Druck­ver­tei­lung kei­nes­wegs erstre­bens­wert, zumal der Zustand der Haut mit ihrer Ver­nar­bung sowie die unter der Haut lie­gen­den Weich­tei­le mit Kno­chen­struk­tu­ren und Neu­ro­men sehr vari­ie­ren. Auf jeden Fall gibt es belast­ba­re und weni­ger belast­ba­re Berei­che, was allein am Unter­schen­kel bereits nach­voll­zieh­bar ist, wo einer­seits im Bereich der Schien­bein­kan­te wenig Weich­ge­we­be vor­han­den ist und eine hohe Druck­emp­find­lich­keit besteht, wäh­rend der Waden­mus­kel und die Flä­chen beid­seits der Schien­bein­kan­te sehr gut belast­bar sind (Abb. 7).

Typi­scher­wei­se wer­den am Schaft bestimm­te Aus­spa­run­gen vor­ge­nom­men, um emp­find­li­che Stel­len des Stump­fes vom Druck zu ent­las­ten. Umge­kehrt ermög­li­chen Mate­ri­al­auf­trä­ge, Ver­stei­fun­gen oder spe­zi­fi­sche Kon­tu­rie­run­gen des Schaf­tes die geziel­te Ein­lei­tung höhe­rer Las­ten in dafür geeig­ne­te Stumpf­be­rei­che 8. Pro­the­sen­trä­gern mit hohem Mobi­li­täts­grad kommt es in der Regel auf eine Pro­the­se mit hoher Dyna­mik und einer gro­ßen Viel­falt an Funk­tio­nen an; sie legen Wert auf lan­ge Weg­stre­cken, die Aus­übung sport­li­cher Tätig­kei­ten und mög­lichst viel Mobi­li­tät selbst in Extrem­si­tua­tio­nen. Men­schen mit nied­ri­gem Mobi­li­täts­grad hin­ge­gen – oft älte­re oder betag­te Men­schen – legen mehr Wert auf ihr Sicher­heits­ge­fühl. Sie müs­sen sich auf die Pro­the­se ver­las­sen kön­nen, der sie bei jedem Schritt ihr Kör­per­ge­wicht anver­trau­en. Die Mini­mie­rung der Sturz­ge­fahr, aber auch die leich­te Hand­ha­bung beim An- und Able­gen ste­hen bei ihnen meist im Vor­der­grund 9.

Vor die­sem Hin­ter­grund bie­tet die sen­sor­ba­sier­te Erfas­sung der Stumpf-Schaft-Ver­bin­dung nicht nur eine gro­ße Hil­fe bei der Pro­the­sen-Erst­ver­sor­gung, son­dern hilft auch bei Nach­kon­trol­len, viel­fach beklag­te, oft sich lang­sam ein­schlei­chen­de Schaft­pro­ble­me recht­zei­tig zu erken­nen und ihre Fol­gen zu vermeiden.

Aus­blick

Die hier vor­ge­stell­te neu­ar­ti­ge Tech­no­lo­gie wird aktu­ell (Stand: Dezem­ber 2022) in ers­ten nicht­me­di­zi­ni­schen Pilo­t­an­wen­dun­gen und For­schungs­vor­ha­ben getes­tet und in den nächs­ten Mona­ten in Koope­ra­ti­on mit Her­stel­lern ortho­pä­di­scher Hilfs­mit­tel kli­nisch veri­fi­ziert wer­den. Anwen­dungs­be­rei­che über die hier vor­ge­stell­ten Ein­le­ge­soh­len und Pro­the­sen­schäf­te hin­aus sind zum Bei­spiel kor­rek­ti­ve Orthe­sen, Sko­lio­se-Kor­set­te sowie maß­ge­fer­tig­te Sitz­scha­len für Rollstühle.

Die nächs­ten Ent­wick­lun­gen wer­den die zuneh­men­de Auto­ma­ti­sie­rung des digi­ta­len Ent­wurfs und der Her­stel­lung der Sen­sor­net­ze betref­fen. Zusätz­lich wer­den auf Basis der gewon­ne­nen Daten Ser­vices und Ana­ly­sen zur Unter­stüt­zung einer hohen Qua­li­tät der Ver­sor­gung mit ortho­pä­di­schen Hilfs­mit­teln bereitgestellt.

Dank­sa­gung

Die Arbei­ten zu die­sem Arti­kel wur­den von der Aus­tria Wirt­schafts­ser­vice (AWS) über das Pre­Seed Pro­gramm und der Öster­rei­chi­schen For­schungs­för­de­rungs­ge­sell­schaft (FFG) im Rah­men des Basis­pro­gramms gefördert.

Für die Autoren:
Dr. Robert Koeppe
Geschäfts­füh­rer
Sen­dance GmbH
Pul­ver­mühl­stra­ße 3
A‑4040 Linz
Öster­reich
robert.koeppe@sendance.at

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

1 Sen­dance GmbH

2 Fach­hoch­schu­le OÖ Medizintechnik

3 JKU Linz, LIT Soft Mate­ri­als Lab

Zita­ti­on
Koep­pe R, Wakol­bin­ger L, Hand­stan­ger-Deim­ling D, Kainz L, Veresh­cha­ga Y, Egger H. Naht­lo­se und dau­er­haf­te Inte­gra­ti­on wei­cher und dehn­ba­rer Druck­sen­so­ren in indi­vi­du­ell ange­pass­te und digi­tal gefer­tig­te ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel. Ortho­pä­die Tech­nik, 2022; 73 (12): 46–50
  1. Kös­ter A. Mög­lich­kei­ten der digi­ta­len Pro­zess­ket­te in der Ortho­pä­die-Tech­nik. Ortho­pä­die Tech­nik., 2018; 69 (5): 58–66
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  3. Armi­ta­ge L, Tur­ner S, Sree­ni­va­sa M. Human-device inter­face pres­su­re mea­su­re­ment in pro­sthe­tic, ortho­tic and exo­ske­le­ton appli­ca­ti­ons: A sys­te­ma­tic review. Medi­cal Engi­nee­ring & Phy­sics, 2018; 97, 56–69
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