Sepp Heim wurde am 24. April 1934 in die bestehende, erste Generation der deutschen Orthopädietechniker Familie Heim geboren. Hierdurch entstand eine frühe persönliche und intensive Verbindung zur Orthopädie-Technik. Schon in Sepps jüngeren Jahren verging kein Tag, an dem Informationen, Erfahrungen, Ereignisse und wichtige Kontakte zu den Akteuren der Orthopädie-Technik entstanden. Später traf dies auch auf der Ebene der Konsultation der deutschen und anderer globaler Regierungen und internationaler Hilfsorganisationen zu – insbesondere bei der Entwicklung von Programmen für die allgemeine und fachliche Bildung, Fortbildung und praktische Ausbildung in der Orthopädie-Technik. Kein anderer hatte das Vertrauen und erhielt die Verantwortung und die Mittel, um weltweit so viele OT-Schulen in Ländern mit dringendem Bedarf an orthopädie-technischer Versorgung ins Leben zu rufen.
eben der OT-Kontinuität innerhalb der Familie (auch die nächste Generation ist wieder in das Handwerk involviert), kannte Sepp viele Einzelpersonen in seinem Leben, die ihn jeweils ein Stück auf einem Weg begleiteten. Personen, die die gleichen Ziele mit ähnlichen Mitteln verfolgten.
Alle Meinungen waren ihm willkommen. Sowohl übereinstimmende Meinungen für das sofortige, gemeinsame „Aufrollen der Hemdsärmel“, als auch anders fokussierte Positionen für die ausführliche Diskussion auf der Suche nach der Wahrheit. Immer in Toleranz gegenüber der Vielfalt von Meinungen und Erfahrungen der Kommunikationspartner. Sepp Heim verstand sich selbst und sein Gegenüber stets als Gewinner einer Fachdiskussion, ganz gleich ob er Zustimmung fand oder Unterschiede bestehen blieben.
Sepp Heims enormer Arbeitseifer und die Ergebnisse der Entwicklung und Etablierung von Ausbildung und OT-Versorgung in wirtschaftlichen Entwicklungsländern werden immer in Erinnerung bleiben. Unter anderem war Sepp Heim für eine Phase seines Lebens – im Auftrag der Bundesregierung – der Gründungsleiter des Tanzania Training Centers für Orthopädie-Technik (TATCOT). Sein Engagement löste nicht nur das Bewusstsein der Bundesregierung für die Notwendigkeit der Installation von OT-Werkstätten und Versorgungszentren aus, sondern auch die Integration solcher Dienste durch politische Entscheidungsprozesse in vielen internationalen Gesundheitssystemen, die vorher mit dem Begriff Orthopädie-Technik fast nichts anzufangen wussten.
Wir drei hatten die Ehre sehr eng mit Sepp Heim, zum Teil über Jahrzehnte, an der internationalen Entwicklung der P&O‑Ausbildung und Berufspolitik auf zahlreichen Kontinenten und Ländern zusammengearbeitet zu haben.
Unsere Erinnerung an Sepp Heim
Sepp war ein „Anführer“, der selbst (leise) geführt werden wollte, ein Lehrer, der auch lernen konnte und wollte, ein Vorbild mit eigenen Vorbildern, ein Stimulator, der sich leicht selbst begeistern konnte und andere mit auf den Weg nahm – ein Kritiker und Wertschöpfer. Er war ein Quell neuer Ideen, eine kreative Person, die in einem Monat mehr funktionale Ideen entwickeln konnte als andere in einem Jahr. Kurz gesagt: Sepp war ein starker Führer, aber keineswegs eine einfache oder völlig fehlerlose Persönlichkeit. Das hätte er auch nie für sich beansprucht. Sein Motto lautete im Gegenteil: „Nur wer nichts tut, macht keine Fehler.” Und nichts zu tun war ihm unvorstellbar.
Sein Lebenswerk, die Ausbildung von Orthopädie-Technikern, war in Sepps eigener Vorstellungskraft eine unendliche (positive) Herausforderung und die Früchte seiner globalen Arbeit deuten darauf hin, dass er vieles auf den Weg gebracht hat. Seine Arbeit hat orthopädietechnischen Entwicklungs-Stillstand in zahlreichen Ländern in fortschrittliche Bewegung versetzt. Diese wird nun von jeder neuen Generation junger Orthopädie-Techniker auf zahlreichen Kontinenten kontinuierlich fortgesetzt.
Sepp war eine Persönlichkeit und ein Mann, der die Stärke seiner fachlichen Kontrahenten richtig einschätzen konnte und keine Angst vor einer inhaltlichen Auseinandersetzung kannte. Ebenso war er jemand, der die spezifischen Stärken seiner Mitarbeiter erkannte und als Führungskraft zum Nutzen eines jeden Projekts maximal einzusetzen wusste. Unter vielen seiner Studenten ist noch heute als „Papa Heim“ bekannt.
Wieland Kaphingst: Dipl.-Ing; BMT; OMM; CPO; internationaler Fachlehrer für Orthopädie-Technik (u. a. Tansania); Ehemaliger Leiter der BUFA; seit 1994 in den USA tätig in führenden Positionen.
Wilfried Raab: OMM; internationaler Fachlehrer für Orthopädie-Technik; verantwortlicher, leitender Projektmanager in zahlreichen globalen Orthopädie-Technik Projekten der GTZ; Lehrer und Koordinator am TATCOT und der TUMAINI-Universität in Moshi, Tansania.
Harold G. Shangali: M.Sc.; OMM; ehemaliger Leiter des TATCOT, von 2004 bis 2007 Vorsitzender der ISPO, von 2012 bis 2019 Dekan der Fakultät für Rehabilitationsmedizin am KCMU College Tansania.
Vita (Auszug)
Sepp Heim begann in frühen Jahren seines Wirkens mit der „Garantie- und Abwicklungsgesellschaft“ (GAWI), der Vorläuferorganisation des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie der heutigen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) seine Tätigkeit als OT-Experte in Tunesien. Die damals hauptsächlich in armen Ländern herrschende Polioepidemie verursachte viele Folgeerscheinungen nach der Akutphase, die orthopädietechnisch versorgt werden mussten. Als Experte am Centre d’Appareillage Ksar Said leistete Heim in engster Zusammenarbeit mit dem führenden tunesischen Orthopäden, Prof. Mohamed Taieb Kassab, Erstversorgungen für betroffene Kinder. In diesem Zusammenhang wurde ihm der Mangel an einheimischen Orthopädiefachkräften deutlich. Sepp Heim gestaltete daraufhin in der Hauptstadt Tunis die erste strukturierte Ausbildung nach deutschem Vorbild. In enger Zusammenarbeit mit der BUFA wurden die von ihm in Tunesien ausgebildeten Orthopädietechniker in Deutschland zum Orthopädietechniker-Meister weitergebildet.
Durch den großen Erfolg seiner Aktivitäten in Tunesien verschaffte sich Heim in der Fachabteilung Gesundheit der damaligen GIZ nachhaltig Gehör und Interesse, die internationale Berufsbildung mit Bundesmitteln der Entwicklungshilfe zu fördern. Sepp Heim war planerisch, häufig sogar aktiv, beteiligt an GIZ-Projekten in Guyana, Tunesien, Ägypten, Jordanien, Togo, Algerien, Tansania, Zaire (DR Kongo), Türkei, Pakistan, Armenien, Kasachstan, Marokko, China, Vietnam und El Salvador. Von 1974 bis 1978 leitete er z. B. den Aufbau des Nationalen Ausbildungszentrums für Orthopädietechnik CNAO in Lome, Togo. Nach einer Zwischenphase in der GTZ-Zentrale, die er nutzte, um Fortbildungsseminare in vielen Entwicklungsländern zu organisieren und durchzuführen, führte ihn sein Weg von 1981 bis 1986 nach Moshi, Tansania. Dort baute er zusammen mit Wieland Kaphingst, Wilfried Raab und Harold G. Shangali für die GTZ das TATCOT auf. Unter Heims Leitung wurde die Deutsche Handwerksausbildung universitär verknüpft und die Universität vergab an die Absolventen ein Diplom für Orthopädie-Technik.
Nach Beendigung seiner Projekttätigkeit in Tansania und der Übergabe der Leitung des Zentrums an Shangali kehrte er nach Deutschland zurück und übernahm von 1987 bis 1989 die Leitung der BUFA. Während dieser Zeit gründete er 1988 die Abteilung „BUFA-Consulting“, 1994 in die E&Z‑Abteilung (Entwicklung und Zusammenarbeit) umbenannt.
Sepp Heims Verbindung zur Entwicklungszusammenarbeit führte ihn zu seinem größten Projekt im Ausland, die Errichtung des China Training Centre for Orthopädic Technologists in Wuhan, China, das er von 1993 – 1996 von Beginn an plante und gestaltete. Für seine erfolgreiche Arbeit bekam er vom zuständigen chinesischen Ministerium die seltene Auszeichnung des „Goldenen Büffels” verliehen. Heim war 1996 der erste Ausländer, der diese Ehrung erhielt.
Weitere Auszeichnungen waren das Bundesverdienstkreuz am Bande und eine Ehrung vom Arbeitsministerium in Hanoi, Vietnam, für seine Gründungsarbeit für das Vietnamese Training Centre for Orthopaedic Technologists (VIETCOT).
1996 ging Sepp Heim zwar offiziell in den Ruhestand, betätigte sich aber weiterhin in der Berufsbildung. Unter anderem in führendender Position bei der ISPO International, der er von 2001 bis 2004 als Präsident vorstand. Darüber hinaus gründete er seine private Beratungsfirma OTC in seiner Heimatstadt Öhningen am Bodensee in Deutschland.
In den letzten Jahren seines Lebens beschäftigte sich Heim sehr intensiv mit der Entwicklung neuer Lehrmethoden für die Qualifizierung zum Orthopädietechniker. Er wurde in den ISPO-Aufsichtsrat von „Human Study” gewählt, um ein „Blended Learning Program” für die von der ISPO in Kategorien eingestufte Ausbildungsqualifikation zu gestalten.
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