Nach­ruf: René Ruepp (1927–2018)

Im Alter von 90 Jahren verstarb der Schweizer Orthopädie-Technik-Pionier René Ruepp am 11. September in seiner Heimatstadt Basel. Der folgende Nachruf zeichnet seinen Lebensweg und seine Leidenschaft für Neuentwicklungen im eigenen Handwerk nach.

René Ruepp, gebo­ren am 4. Dezem­ber 1927 in Basel, trat bereits als Gesel­le zum Ortho­pä­die­tech­nik-Mecha­ni­ker in die Fuß­stap­fen sei­nes Vaters Ernst. Da in der Hei­mat­re­gi­on in den 1940er Jah­ren nicht viel Arbeit vor­han­den war, führ­ten ihn sei­ne Wan­der­jah­re nach Lau­sanne, Genf, Zürich und 1949 über Lübeck nach Oslo in Nor­we­gen und 1950 nach Århus in Däne­mark, wo er sich meh­re­re Jah­re auf­hielt (1952 wech­sel­te er nach Aal­borg, 1955 nach Oden­se). Nach der Hei­rat mit Inger Maj­gaard nah­men die Wan­der­jah­re nach der Geburt von Sohn Tho­mas und Toch­ter Bri­git­te ein Ende. Eine Wei­ter­bil­dung war für René Ruepp in Däne­mark nicht mehr mög­lich, daher besuch­te er in den Jah­ren 1956 und 1957 den 6. Meis­ter-Lehr­gang der Bun­des­fach­schu­le für ​Ortho­pä­die-Tech­nik (BUFA) in Frank­furt am Main, den er mit der Meis­ter­prü­fung abschloss. Sei­ne Meis­ter­ar­beit belegt die für René Ruepp typi­sche inno­va­ti­ve Her­an­ge­hens­wei­se: Es han­del­te sich um eine Ober­schen­kel­pro­the­se mit Jüpa-Knie­ge­lenk und Lang­fuß, gefer­tigt nach Plä­nen von Otto Bock, aber erst­mals aus „Aeter­n­amid“ (Poly­amid) her­ge­stellt, in die­ser Wei­se erst ab 1960 von Bock produziert.

Anzei­ge

Da René Ruepps Meis­ter­prü­fung in Däne­mark nicht aner­kannt wur­de, zog die Fami­lie 1959 nach Basel, wo René Ruepp den im April 1926 gegrün­de­ten Ein­mann­be­trieb des Vaters in zwei­ter Gene­ra­ti­on über­nahm. Zwei Jah­re spä­ter kam Sohn Peter auf die Welt. Zusam­men mit sei­nem Freund Richard Tho­ni­us, den er an der BUFA ken­nen­ge­lernt hat­te, bau­te Ruepp 1962 den hei­mi­schen Betrieb aus. Sei­ne inno­va­ti­ve Her­an­ge­hens­wei­se fand 1964 ihre Fort­set­zung mit Leicht­bau-Pro­the­sen aus Aral­dit, Leicht­bau-Orthe­sen mit Alu­mi­ni­um-Schie­nen mit Schweiz­errie­gel und Anschlä­gen im Bau­satz aus dem Mate­ri­al „Del­rin“. Ein Jahr spä­ter folg­ten Sofort­ver­sor­gun­gen bei Ober­schen­kel­am­pu­tier­ten und im Jahr 1970 Fuß­ein­la­gen im 3‑Säu­len-Sys­tem mit star­ken Medi­a­l­ab­stüt­zun­gen und late­ra­len Gegen­stüt­zen, zusam­men mit ortho­pä­di­schen Schuh­zu­rich­tun­gen. 1972 ent­wi­ckel­te Ruepp spe­zi­el­le ger­ia­tri­sche Pro­the­sen­ver­sor­gun­gen. Poly­pro­py­len-Orthe­sen für zere­bra­le Bewe­gungs­stö­run­gen kon­stru­ier­te René Ruepp gemein­sam mit Prof. Dr. Jürg Bau­mann und des­sen ers­ter neu­ro­or­tho­pä­di­scher Abtei­lung im Kin­der­spi­tal Basel im Jahr 1975. Hin­zu kamen 1982 Sitz­scha­len im Matrix-Sys­tem und zwei Jah­re spä­ter asym­me­tri­sche Sitzschalen.

René Ruepps Vor­trä­ge über sei­ne Pro­jek­te, ganz beson­ders die Ent­wick­lung der Fuß­sys­te­me bei zere­bra­len Bewe­gungs­stö­run­gen in Poly­pro­py­len-Unter­schen­kel­or­the­sen, stie­ßen vie­ler­orts auf Inter­es­se. Seit 1960 war Ruepp Mit­glied in der Fort­bil­dungs­ver­ei­ni­gung für Ortho­pä­die-Tech­nik und ab 1972 in der Schwei­ze­ri­schen Arbeits­ge­mein­schaft für Pro­the­sen und Orthe­sen (APO). Bereits Anfang der 1970er Jahre­ stell­te er die die Ver­wal­tung sei­nes Betriebs auf Com­pu­ter­tech­nik um, ange­regt durch Wirt­schaft­lich­keits- und Rationalisierungserwägungen.

Sein ortho­pä­die­tech­ni­sches Archiv über­gab René Ruepp im Jahr 2005 als Schen­kung an das Medi­zin­his­to­ri­sche ­Muse­um in Zürich. Es han­delt sich um eine groß­ar­ti­ge Samm­lung aus Pro­the­sen, Orthe­sen, Sitz­scha­len, Maß­schu­hen und Roll­stüh­len. Dar­über hin­aus ver­öf­fent­lich­te er 2002 den Band „Ortho­pä­die-Tech­nik in der Schweiz“.

René Ruepp war ein pas­sio­nier­ter Seg­ler, der häu­fig auf dem Boden­see unter­wegs war, teils auch auf der Ost­see. Eine gro­ße Zahl von Freun­den ver­band ihn mit der Tech­ni­schen Ortho­pä­die in der Schweiz wie in Deutsch­land. Im Jahr 1993 leg­te er die eige­ne Fir­ma in die Hän­de sei­ner Söh­ne Peter und ­Tho­mas. Bis ins hohe Alter betrieb er das Segeln und begab sich auf Auto- oder Schiffs­rei­sen; die damit ver­bun­de­nen ­Erleb­nis­se hat er bis zu sei­nem Lebens­en­de doku­men­tiert. Jetzt ist er fried­lich ein­ge­schla­fen und hat sich von allen im ­Guten verabschiedet.

Michael Blatt
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