„Diese Veranstaltung ist ein Experiment bei der OTWorld, weil wir das Thema Lymphologie zwischen den Fachdisziplinen vorstellen werden“, betonte Vorsitzender Prof. Dr. Gerd Lulay, Chefarzt der Chirurgischen Klinik II: Gefäß- und Endovaskularchirurgie am Klinikum Rheine, bei der Begrüßung. Ihm war es ein großes Anliegen, Adipositas und das damit verbundene Lymphödem mit ins Programm aufzunehmen, denn: „Übergewicht spielt in unserer Gesellschaft zunehmend eine Rolle und stellt eine Herausforderung für das Gesundheitssystem dar.“
Das bestätigte Dr. Gabriele Färber, Zentrum für Gefäßmedizin in Hamburg: „Seit 2005 rollt ein Tsunami auf uns zu.“ Um dem entgegenzutreten, wurde im Jahr 2008 eine eigene „Abteilung für ambulantes Gewichtsmanagement und Adipositastherapie“ auf die Beine gestellt. Färber stellte im Workshop Verfahren vor, die in der Medizin zur Diagnostik des Lymphödems eingesetzt werden. Dazu gehören neben einer ausführlichen (Familien-)Anamnese u. a. die Untersuchung der Patient:innen, die Umfangsmessung sowie die Dokumentation des Krankheitsverlaufs. Weiterführende apparative Diagnostik wie eine Sonographie könne ebenfalls hilfreich sein. Dabei machte Färber deutlich, dass das Lymphödem unbehandelt einen fortschreitenden Verlauf hat sowie eine hohe Neigung zu Folgeerkrankungen aufweist. „Die Therapie sollte so früh wie möglich erfolgen“, betonte sie. Doch in der Praxis sehe das oft anders aus.
Nachdem Färber die Unterschiede zwischen primärem und sekundärem Lymphödem erläutert hatte, ging sie auf die Verbindung zur Adipositas ein. „76 Prozent aller Lymphödempatienten sind übergewichtig“, sagte sie. Zudem verschlechtere Übergewicht die Symptome. Die Zahl klang auch für Lulay „alarmierend“, doch die Aussichten auf Besserung seien gut. „Das Adipositas-Lymphödem ist bei entsprechender Gewichtsabnahme reversibel“, betonte Färber. „Das können wir bei keinem anderen Lymphödem versprechen.“
Abschließend erläuterte die Medizinerin, wie Kompression die Beschwerden der Patient:innen lindern kann und welche Besonderheiten es dabei zu beachten gilt. Das Adipositas assoziierte Lymphödem stelle besondere Anforderungen an die Passform und Hygiene. Flachgestrickte Strümpfe bieten ihrer Erfahrung nach viele Vorteile: Sie haben u. a. eine gute Passform, sind leichter anzuziehen und schnüren weniger ein.
Den Staffelstab gab Färber damit an Petra Menkel, Bandagistenmeisterin und Geschäftsführerin der Paul Schulze Orthopädie & Bandagen GmbH in Berlin sowie Vorstandsmitglied des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT), weiter. „Das Thema ist schwierig und aufwendig und von Sanitätshausseite oft mit Berührungsängsten verbunden“, erklärte sie. „Heute möchte ich die Lanze brechen: Traut euch an die Versorgungen heran! Wir können nur aus Erfahrungen lernen. Sprecht mit den Kunden, sprecht mit den Herstellern und bildet euch fort.“ Praxisnah wie die Workshops es versprechen, setzte sie ein Gespräch mit einer Patientin gleich um. Bis zur Diagnose vergingen bei Melanie Behrens rund 3 Jahre. „Der Arzt meinte, ich hätte noch einige Schwangerschaftspfunde und sollte weniger essen.“ Vom Tragen der Kompressionsstrümpfe musste sie nicht überzeugt werden. Die Effekte sprachen für sich. „Nach wenigen Tagen ging die Flüssigkeit aus den Beinen. Sie wurden leichter“, berichtete sie.
Wie die manuelle Lymphdrainage beim Lymphödem unterstützen kann, demonstrierte Physiotherapeutin Felicitas Froitzheim live auf der Liege mit Melanie Behrens. Ebenfalls erläuterte sie, wie eine Adipositas von einem Lipödem durch Anamnese, Inspektion und Palpation abgegrenzt werden kann und stellte neben der Lymphdrainage die weiteren Pfeiler der komplexen physikalischen Entstauungstherapie (KPE) vor.
Mit seiner persönlichen, nahezu intimem Atmosphäre schuf der Saal 5 den perfekten Rahmen für einen Workshop dieser Art und auch für den Austausch der Referent:innen untereinander. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit, die Petra Menkel sich bei der Behandlung des Lymphödems wünscht, wurde hier gelebt. „Die Diskussion geht gerade eher in Richtung Lipödem“, stellte Färber gegen Ende mit einem Lachen fest. „Das finde ich gar nicht schlimm“, merkte Lulay an. „Denn genau so läuft es ja auch in der Praxis.“
Pia Engelbrecht
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