Primäres Ziel war es, den Austausch von Wissen und Innovationen auf dem Gebiet der Prothetik und Orthetik zu fördern. Entsprechend konzentrierte sich das Programm auf die wissenschaftlichen Inhalte. Die Industrieausstellung sprach insbesondere die Praktiker an, führte aber ebenfalls den Wissenschaftlern vor Augen, dass ihre Forschung irgendwann auch an den Menschen muss. 13 deutsche Start-ups, Entwickler, Verbände und Hersteller waren erneut mit dem von dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und der AUMA geförderten „Deutschen Pavillon“ im Rahmen der Industrieausstellung am Start und konnten Produktideen und Innovationen präsentieren. Die Veranstaltung bot eine sehr gute Plattform für die Vernetzung, das Lernen und die Zusammenarbeit von Experten der Branche. Auch der Bundesinnungsverband für Orthopädietechnik (BIV-OT) war unter den Teilnehmenden durch den Präsidenten Alf Reuter und die Sprecherin des Präsidiums Kirsten Abel vertreten.
Insgesamt waren rund 1500 Teilnehmende aus 73 Ländern vor Ort, unter ihnen Vertreter aus „high-“, „mid-“ sowie „low-income countries“. Rund 300 Referenten aus aller Welt präsentierten ein umfangreiches wissenschaftliches Programm zum Thema „The Art and the Science“ mit Keynote Lectures, Symposien, „Basic- und Advanced instructional courses“, Sessions mit freien Einreichungen, wissenschaftlichen Postern, „Lunchtime Sessions“ und Aussteller-Workshops. Das Programm richtete das achtköpfige World Congress Scientific Committee unter der Leitung von Deirdre Desmond aus. Lokal wurden das Programm und der Kongress von Marlo Ortiz, Erfinder des Marlo Anatomical Socket, gestaltet. Ortiz war viele Jahre Teil des Executive Boards der ISPO und hat als „Lokalmatador“ dem Programm die nötige Prise „Mexiko“ beigesteuert.
Besonders hervorzuheben war die Keynote von Sophie de Oliveira Barata und Chris Parsons zu den Arbeiten des Alternative Limb Projects. Ihr Ziel ist es, neben funktionellen Prothesen auch tragbare Kunstwerke zu schaffen. Und sie denken für ihre Patienten richtigerweise, dass die Funktion im Einzelfall diesem künstlerischen Anspruch ihrer Kreationen weichen muss. Durch die Verschmelzung von modernster Technologie und traditionellem Kunsthandwerk erforschen Sophie de Oliveira Baratas Kreationen Themen wie Körperbild, Veränderung, Evolution und Transhumanismus. Sie arbeitet mit Spezialisten in Bereichen wie 3D-Modellierung, Elektronik und weiteren Spitzentechnologien, um jedes Stück zu erschaffen. Gemeinsam zeigten de Oliveira Barata und Parsons in ihrer Keynote neue Wege auf, wie Prothesen gestaltet werden können, und dass der ästhetische Anspruch an ein Hilfsmittel ein wichtiger Aspekt ist und kein nettes Feature. Dies kann auch als Aufruf an die Industrie gewertet werden, nämlich dass bessere Lösungen im Bereich der kosmetischen Verkleidung von Prothesen durchaus wichtig sind. Weitere Keynotes wurden gehalten von Stefania Fatone, Seattle, Washington (USA), über die gemeinsam mit der Northwestern University entwickelte und international durchaus umstrittene „Subischiale“-Schaftform für Oberschenkelprothesen sowie von Prof. Nachiappan Chockalingam von der Staffordshire University, UK, der über die Aufgaben von Schnittstellen zwischen der Forschung und der klinischen Anwendung referierte. Das deutsche Orthopädietechnik-Handwerk war in wissenschaftlichen Chairs und Vorträgen u. a. mit Tim Baumeister, Malte Bellmann, Christian Hartz, Daniel Heitzmann, Michael Schäfer und Jochen Weigel vertreten.
Das Programm war vielfältig und von hoher wissenschaftlicher Qualität. Entsprechend möchten wir dazu aufrufen, sich bei zukünftigen Weltkongressen der ISPO aktiv einzubringen, im Sinne von „tue Gutes und rede darüber“. Denn ein Wissenstransfer auf praktischer und wissenschaftlicher Ebene kann nur über einen Austausch stattfinden. Der ISPO World Congress bietet ein optimales Forum hierfür. Die nächste Ausgabe findet vom 16. bis 19. Juni 2025 in Stockholm in Schweden statt, was schon fast ein Katzensprung ist. Wir als Vertreter des ISPO Deutschland e. V. hoffen, Sie dort zu treffen.
Aufzeichnungen aller Keynote Lectures, weiterer Inhalte des ISPO World Congress sowie eine Auswahl an kostenlosen Vorträgen und Postern sind für Kongressteilnehmer und ISPO-Mitglieder unter www.ispolearn.org verfügbar.
Daniel Heitzmann (Schatzmeister ISPO Deutschland e. V.;
Universitätsklinikum Heidelberg) und Michael Schäfer
(Vorsitzender ISPO Deutschland e. V.; Pohlig GmbH)
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