Königs­weg bei Unter­neh­mens­nach­fol­ge: Kla­re Regelungen

Insgesamt 79 Industrie- und Handelskammern in Deutschland begleiten Unternehmen von der Gründung bis zur Nachfolge. Was es bei der Unternehmensnachfolge zu beachten gilt und welche Risiken und Nebenwirkungen bei den verschiedenen Modellen auftauchen können, erklärt im Gespräch mit der OT-Redaktion Diplom-Ökonom Achim Schaarschmidt, der seit 2004 bei der Industrie- und Handelskammer IHK Halle-Dessau Firmen auf diesem Weg mit Rat und Tat zur Seite steht.

OT: Wie lan­ge vor dem ange­dach­ten Über­ga­be­ter­min soll­ten sich Inha­ber oder Inha­be­rin­nen mit dem The­ma Nach­fol­ge auseinandersetzen?

Anzei­ge

Achim Schaar­schmidt: Je frü­her sich Inha­ber und Inha­be­rin­nen Gedan­ken über die Betriebs­nach­fol­ge machen, des­to bes­ser. Im Grun­de muss das bei jedem Ent­wick­lungs­schritt des Unter­neh­mens mit­ge­dacht wer­den, da es ein wich­ti­ger Bau­stein für die gesam­te Unter­neh­mens­stra­te­gie ist. Nach mei­ner Erfah­rung stel­len sich die meis­ten Inha­ber erst in ihren 60er-Jah­ren oder kurz vor dem geplan­ten Ruhe­stand die Fra­ge nach einer geeig­ne­ten Nach­fol­ge. Das ist auch inso­fern spät, weil ja bereits frü­her ein Unfall oder eine Krank­heit dazwi­schen­kom­men kön­nen. Aller­spä­tes­tens fünf Jah­re vor dem geplan­ten Ruhe­stand soll­ten sich Inha­ber oder Inha­be­rin­nen dar­über im Kla­ren sein, wohin ihre eige­ne Rei­se gehen soll. Denn davon hängt alles Wei­te­re ab.

Tem­po­rä­res Los­las­sen üben

OT: Haben Sie Tipps für die Vorgehensweise?

Schaar­schmidt: Lan­ge vor einer Betriebs­über­ga­be soll­te Ver­ant­wor­tung an ein­zel­ne Mit­glie­der der Beleg­schaft, ob Fami­li­en­mit­glie­der oder nicht, abge­ge­ben wer­den. Dazu gehört auch, dass Füh­rungs­kräf­te bereits eige­ne „Spiel­wie­sen“ ver­ant­wor­ten, in die sich Chef oder Che­fin nicht bestän­dig ein­mi­schen. Das Ver­trau­en in die Beleg­schaft ist wich­tig. Wenn das Unter­neh­men ohne den Chef oder die Che­fin über einen län­ge­ren Zeit­raum nicht funk­tio­niert, weil nur er oder sie über das nöti­ge Know-how und das Netz­werk ver­fügt, ist das ein schlech­tes Zei­chen für eine poten­zi­el­le Über­ga­be an wen auch immer. Gibt es einen sol­chen Not­fall­plan für Krank­heit und Urlaub, ist eigent­lich schon der wich­tigs­te Schritt zu einer spä­te­ren Über­ga­be getan. Ganz wich­tig: Wer einen Betrieb über­ge­ben möch­te, soll­te sich von der Vor­stel­lung los­ma­chen, eine Kopie sei­ner selbst zu fin­den. „Schmidt sucht Schmidt­chen“ nen­ne ich die­se Ver­fah­rens­wei­se. Sie gelingt sel­ten oder nie. Auf kei­nen Fall soll­te das Unter­neh­men her­un­ter­ge­fah­ren, auf Inves­ti­tio­nen ver­zich­tet wer­den. Das treibt die Attrak­ti­vi­tät und damit den Preis nach unten! Ist klar, wohin die eige­ne Rei­se gehen soll, macht es Sinn, sich zusätz­lich exter­nen Rat zu suchen.

OT: Wel­che exter­ne Unter­stüt­zung emp­feh­len Sie?

Schaar­schmidt: An ers­ter Stel­le ist hier der Steu­er­be­ra­ter zu nen­nen. Er soll­te das Unter­neh­men so gut ken­nen wie nie­mand sonst. Zudem sind inzwi­schen vie­le Steu­er­be­ra­ter so gut auf­ge­stellt, dass sie auch in juris­ti­schen Fra­gen Inha­bern und Inha­be­rin­nen zur Sei­te ste­hen sowie Unter­neh­mens­be­ra­tung im eige­nen Büro oder im Netz­werk bie­ten kön­nen. Zusätz­lich ste­hen die Bera­ter der Indus­trie- und Han­dels­kam­mern (IHK) für Sani­täts­häu­ser sowie der Hand­werks­kam­mern (HWK) für Hand­werks­be­trie­be zur Ver­fü­gung. Die vier IHKs in Sach­sen-Anhalt bil­den bei­spiels­wei­se das „Netz­werk Unter­neh­mens­nach­fol­ge Sach­sen-Anhalt“ (N:UN) und arbei­ten eng mit der „Bera­ter­ver­ei­ni­gung Unter­neh­mens­nach­fol­ge Sach­sen-Anhalt e. V.“ (BUSA) zusam­men. Deren Bera­ter sind zwar kos­ten­pflich­tig, aber alles aus­ge­wie­se­ne Exper­ten, die ihr Geld wert sind.

Exis­ten­zi­ell: Unter­neh­mens­be­wer­tung und Unternehmens-Exposé

OT: Mit wel­chen Unter­la­gen soll­te man in die Ver­hand­lun­gen gehen?

Schaar­schmidt: Zwei Papie­re sind ent­schei­dend: die Unter­neh­mens­be­wer­tung und das Unter­neh­mens-Expo­sé. Die Unter­neh­mens­be­wer­tung soll­te durch exter­ne Exper­ten erfol­gen. Wenn die Bewer­ten­den als nicht ver­trau­ens­wür­dig gel­ten, sprin­gen etwa­ige Inter­es­sen­ten gleich ab. Das Unter­neh­mens-Expo­sé wird vom Unter­neh­men erstellt. Hier besteht die Kunst dar­in, so wenig wie mög­lich und so viel wie nötig über den Betrieb zu ver­ra­ten. Denn in der frü­hen Pha­se will kein Unter­neh­mer, dass sich der Ver­kauf rum­spricht. Gleich­zei­tig brau­chen Inter­es­sen­ten genug Infor­ma­tio­nen, um sich für den Betrieb zu interessieren.

Vor- und Nach­tei­le bei allen Nachfolgemodellen

OT: Wel­che Vor- oder Nach­tei­le bie­ten die drei Model­le: inner­fa­mi­li­är, inner­be­trieb­lich oder exter­ne Übernahme?

Schaar­schmidt: Alle drei Kon­stel­la­tio­nen ber­gen Vor- und Nach­tei­le. Bei einer inner­fa­mi­liä­ren Nach­fol­ge besteht die grö­ße­re Gefahr, dass die Alt­ei­gen­tü­mer nicht los­las­sen wol­len. Des­halb ist es gut, wenn das Fami­li­en­mit­glied oder die Fami­li­en­mit­glie­der schon ein paar Jah­re in der Fir­ma tätig waren, selbst­stän­dig Berei­che gelei­tet und sich so den Respekt der Mit­ar­bei­ter, Lie­fe­ran­ten, Kun­den und Part­ner bereits erar­bei­tet haben. Die­se Art der Nach­fol­ge ist zeit­auf­wen­dig und muss lang­fris­tig ange­gan­gen wer­den. Den­noch kommt es nach der ofziellen Über­ga­be nicht sel­ten zum Streit zwi­schen den Gene­ra­tio­nen. In sol­chen Fäl­len haben wir sehr gute Erfah­run­gen mit Media­tio­nen gemacht. Vor­teil die­ser Nach­fol­ge­lö­sung für die Nach­fol­ger: Die Über­ga­be erfolgt zumeist ohne Gelduss und alles Know-how, die Fir­ma zu füh­ren, ist vor­han­den. Eine lan­ge Über­gangs­zeit also nicht mehr nötig. Glei­ches gilt bei einer inner­be­trieb­li­chen Über­nah­me. Auch hier soll­te bereits eine lang­jäh­ri­ge Zuge­hö­rig­keit zur Beleg­schaft inklu­si­ve Lei­tungs­tä­tig­kei­ten vor­han­den sein. Aller­dings fließt in die­sem Fall Geld, was das Risi­ko für den bis­her nicht selbst­stän­di­gen Mit­ar­bei­ter erhöht. Dafür gibt es aber zahl­rei­che Finan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten und ‑hil­fen, über die unter ande­rem die IHKs infor­mie­ren kön­nen. Ganz wich­tig: Die Fami­lie des Mit­ar­bei­ters muss hin­ter die­ser Ent­schei­dung ste­hen. Bei einer exter­nen Über­ga­be muss der Alt­ei­gen­tü­mer total los­las­sen. Der Käu­fer wie­der­um muss sich das vor­han­de­ne Know-how aneig­nen und dann behut­sam – nicht zu schnell und nicht zu lang­sam – die Beleg­schaft, Lie­fe­ran­ten und Kun­den auf sei­nem neu­en Weg, sei­ner Fir­men­phi­lo­so­phie mit­neh­men. Vor­teil für den Ver­käu­fer ist, dass das ver­ein­bar­te Geld sofort fließt.

OT: Wel­che betriebs­wirt­schaft­li­chen Über­nah­me­va­ri­an­ten gibt es dar­über hinaus?

Schaar­schmidt: Neben einem Kauf­preis, der mit der Über­nah­me fäl­lig wird, gibt es auch Ren­ten- oder Pacht­mo­del­le sowie Stif­tun­gen. Von Ren­ten- und Pacht­mo­del­len wür­de ich abra­ten. Einen Pacht­ver­trag kann der Päch­ter kün­di­gen und der Alt­ei­gen­tü­mer steht plötz­lich vor einer lee­ren Immo­bi­lie, weil der Laden her­un­ter­ge­wirt­schaf­tet wur­de oder der neue Eigen­tü­mer in eige­ne Räu­me umge­zo­gen ist. Beim Ver­ren­tungs­mo­dell ist die Ren­te abhän­gig vom Ertrag, der aber nicht lang­fris­tig abzu­schät­zen ist. Las­sen Sie den Alt­ei­gen­tü­mer 90 Jah­re alt wer­den und par­al­lel gibt es das ursprüng­li­che Geschäfts­mo­dell gar nicht mehr. Das ist für bei­de Sei­ten hoch­ris­kant. Ange­sicht der rasan­ten Digi­ta­li­sie­rung ist das zu beden­ken. Ein Ein­brin­gen des Unter­neh­mens­ver­mö­gens in eine Stif­tung macht nur bei gro­ßen Tra­di­ti­ons­un­ter­neh­men Sinn.

OT: Gibt es eine Erfolgs­for­mel zur Berech­nung des Unternehmenswertes?

Schaar­schmidt: Nein. Der Kauf­preis muss schlicht und ein­fach markt­ge­recht sein und sich inner­halb von fünf bis sie­ben Jah­ren durch das erwor­be­ne Unter­neh­men renanzieren lassen.

Königs­weg: Kla­re Regelungen

OT: Wo lie­gen die Risi­ken und Neben­wir­kun­gen bei einer Nachfolgeregelung?

Schaar­schmidt: Nüch­tern betrach­tet, gilt für alle Nach­fol­ge­re­ge­lun­gen das Glei­che: Das größ­te Risi­ko ist der Miss­erfolg. Ver­käu­fer ver­äu­ßern nicht ihre Lebens­leis­tung, wie sie oft den­ken, son­dern die Chan­ce, Geld zu ver­die­nen. Käu­fer wol­len Zukunft kaufen.

Jeder Nach­fol­ger – ob inner­fa­mi­li­är, inner­be­trieb­lich oder extern – wird sei­nen eige­nen Stil und sei­ne eige­ne Stra­te­gie frü­her oder spä­ter ein­brin­gen wol­len. Dabei besteht immer das Risi­ko, dass die bis­he­ri­gen Lie­fe­ran­ten, Kun­den, Part­ner oder Mit­ar­bei­ter sich gegen eine Zusam­men­ar­beit mit dem oder der Neu­en ent­schei­den. Gehen Tei­le des Per­so­nals, ist das eben­falls ein ech­tes Pro­blem in Zei­ten des Fach­kräf­te­man­gels. Etwa­ige Umsatz­ein­bu­ßen sind auf­grund von Abwan­de­run­gen von Kun­den oder Lie­fe­ran­ten beim Kauf mit bis zu 30 Pro­zent ein­zu­prei­sen. Für Alt­ei­gen­tü­mer ist das größ­te Risi­ko, sich nicht auf die neue Situa­ti­on ein­zu­stel­len, son­dern sich wei­ter­hin in den Betrieb ein­brin­gen zu wol­len. In sol­chen Fäl­len ist Streit pro­gram­miert. Des­halb soll­ten Bera­tungs­leis­tun­gen des Alt­ei­gen­tü­mers – falls gewünscht – in einem geson­der­ten Ver­trag gere­gelt wer­den, der unab­hän­gig vom Kauf­ver­trag gekün­digt wer­den kann. Für bei­de Sei­ten ist es zudem hoch­ris­kant, sich auf Ver­ren­tun­gen, statt auf einen Ver­kaufs­preis ein­zu­las­sen. Nie­mand weiß ange­sichts der Digi­ta­li­sie­rung, wo ein Betrieb in sie­ben oder zehn Jah­ren steht. Auf jeden Fall soll­te das The­ma Gewähr­leis­tung im Ver­trag klar gere­gelt wer­den. Über­haupt sind kla­re Rege­lun­gen der Königs­weg. Dafür müs­sen aber alle Sei­ten ehr­lich mit sich und dem Geschäfts­part­ner sein. Man­che emp­fin­den es als Bedro­hung, ande­re als Sicher­heit, dass in der Regel eine Tie­fen­prü­fung des Finanz­amts nach einer Über­nah­me erfolgt. Unterm Strich: Bei Risi­ken und Neben­wir­kun­gen fra­gen Sie Ihren Unter­neh­mens­be­ra­ter! (lacht, Anm. d. Red.).

OT: Taugt eine Nach­fol­ge als Modell für die eige­ne Altersvorsorge?

Schaar­schmidt: Auf kei­nen Fall! Der Unter­neh­mens­ver­kauf ist das Sah­ne­häub­chen oder im bes­ten Fall die Hau­be zusätz­lich zur bestehen­den Altersvorsorge.

Die Fra­gen stell­te Ruth Justen.

Achim Schaar­schmidt emp­fiehlt elf Schrit­te zur erfolg­rei­chen Übergabe:
  1. Über­blick ver­schaf­fen: Wie soll mein Leben nach einer Fir­men­über­ga­be aussehen?
  2. Ent­schei­dung über die Über­ga­be­art fäl­len: inner­halb der Fami­lie, inner­halb des Betrie­bes oder extern.
  3. Bera­tung ein­ho­len: beim Steu­er­bü­ro, bei den IHKs und/oder HWKs und/oder Bran­chen bzw. Berufsverbänden.
  4. Unter­neh­mens­be­wer­tung vor­neh­men: am bes­ten durch exter­ne Exper­ten, die auch von poten­zi­el­len Inter­es­sen­ten aner­kannt werden.
  5. Bei einer geplan­ten exter­nen Lösung: Suche – so anonym und so attrak­tiv wie mög­lich – star­ten. Zudem bie­ten sich Nach­fol­ge­bör­sen von IHKs, HWKs, aber auch von Volks- und Raiff­ei­sen­ban­ken sowie von Spar­kas­sen an.
  6. Unter­neh­mens-Expo­sé mit Varia­blen für die Inter­es­sen­ten erstel­len: Ver­rät das Expo­sé zu viel, ist die Anony­mi­tät gefähr­det, ver­rät es zu wenig, lei­det die Attraktivität.
  7. Let­ter of Intent unter­schrei­ben: Besteht ein gegen­sei­ti­ges Ver­trau­en zwi­schen den bei­den Ver­hand­lungs­part­nern, emp­fiehlt sich eine Vor­ver­ein­ba­rung. Vor­teil eines Let­ters of Intent ist die Ver­ein­ba­rung einer Ver­schwie­gen­heits­klau­sel. Erst danach soll­te der Inter­es­sent Zugang zu den inter­nen Unter­la­gen erhal­ten, um sich einen ver­tief­ten Über­blick über den Betrieb zu verschaffen.
  8. Augen­hö­he und gegen­sei­ti­ge Wert­schät­zung bei Ver­hand­lun­gen und Über­ga­be leben: Egal, wel­che Unter­schie­de in Alter, Beruf, Erfah­rung oder Stra­te­gie bestehen, ohne Wert­schät­zung für poten­zi­el­le Nach­fol­ger schei­tern die Part­ner spä­tes­tens bei der Übergabe.
  9. Kauf­preis­ver­hand­lun­gen ein­schließ­lich der juris­ti­schen Prü­fung des Kaufvertrages.
  10. Über­ga­be vor­be­rei­ten: Mit­ar­bei­ter, Lie­fe­ran­ten und Part­ner über die geplan­te Über­ga­be infor­mie­ren und neu­en Inha­ber oder neue Inha­be­rin im gesam­ten Netz­werk einführen.
  11. Kauf­ver­trag unter­schrei­ben: Bei exter­nen Käu­fern fließt danach Geld und die Über­ga­be ist vollzogen. 

 

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