Unter der Leitung von Ingo Pfefferkorn, der am Vortag offiziell als einer der beiden Kongresspräsidenten der OTWorld 2024 bekannt gegeben worden war, übernahmen Reidar und Leif Pahl (Bremen) den ersten Vortrag. Die Brüder widmeten sich den Unterschieden von Alltags- und Sportprothesen und richteten den Blick zunächst auf das Erstattungssystem in Deutschland, das nur in Ausnahmefällen eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen bei Sportprothesen vorsieht. Die Begründung eines Kostenträgers „Einen Anspruch auf eine optimale Versorgung gibt es nicht“, erachtet Reidar Pahl als sehr fragwürdig, bedeute Sport für die Betroffenen doch einerseits Lebensqualität als auch Teilhabe. In vielen Fällen, die die Brüder beispielhaft anhand einer Patientenversorgung verdeutlichten, seien die Reparaturkosten einer überbeanspruchten Alltagsprothese oft höher als die Erstattung einer robusten Sportprothese. Samuel Wiedmann nahm die Zuschauer im Anschluss mit in die Anforderungen einer Versorgung eines Leistungssportlers. Aufgrund einer Dysmelie wird der Para-Sportler Felix Streng von OTM Wiedmann mit einer Beinprothese versorgt, die eine besondere Schaftgestaltung erfordere. Gerade im Leistungssport müssten sich die Athlet:innen jederzeit auf ihre technischen Hilfsmittel verlassen können: „Hier geht es um die Vertrauensbasis zwischen Sportler und Techniker.“ Bei den Paralympischen Spielen von Tokio im vergangenen Jahr war Samuel Wiedmann dann sogar live vor Ort, als sich Streng „Gold“ im 100-Meter-Sprint sicherte. Ein für den Techniker einmaliger Moment.
Komplexität der Prothesen hat zugenommen
Auch Andrea Giovanni Cutti aus Italien hat Erfahrung mit der Versorgung von Para-Leistungsportlern und teilte in Leipzig seine Studienergebnisse zum Konzept von Sprintprothesen nach transfemoraler Amputation mit dem interessierten Publikum. Unter anderem führte er aus, wie bereits minimale Winkelveränderungen bei der Schaftkonstruktion zu belegbaren Verbesserunengen in der Anwendung führten. Als letzter Referent der Session trat Jochen Steil aus Tübingen ans Rednerpult, um zu demonstrieren, dass im Breitensport eine moderne Prothesenversorgung zwar möglich sei, aber besonderen Herausforderungen unterliege. Dies liege nicht zuletzt daran, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Komplexität der Prothesen immer mehr zugenommen habe, was allerdings parallel mit einem Rückgang der Belastbarkeit einhergegangen sei. Steil griff in seinem Beitrag auch noch einmal den Aspekt der Erstattung auf und erklärte: „Sportprothesen können ein wichtiger Baustein bei der Rehabilitation sein.“ Es bleibt abschließend zu hoffen, dass sich diese Position auch beim Gesetzgeber und ggf. sogar bei den Krankenkassen durchsetzt.
Michael Blatt
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