Der Druck von den offenen Wunden ist genommen, die Stellen sind verheilt und Natascha ist nach fünf Jahren wieder mobil. Ermöglicht haben das die passenden orthopädischen Schuhe. Die Brüder Cornelius und Julius Höffer berichten von den Herausforderungen und warum ihnen besonders die Versorgung von Patient:innen mit diabetischem Fußsyndrom (DFS) am Herzen liegt.
„An beiden Stümpfen waren überall offene Stellen“, erinnert sich Orthopädieschuhmacher-Meister Cornelius Höffer an den ersten Besuch der Ukrainerin. Ziel war es zunächst, primär die Wundheilung zu fördern und anschließend damit verbunden die Gehfähigkeit wiederherzustellen. Da die 64-Jährige Probleme hatte, das Gleichgewicht zu halten, war sie seit fünf Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen. Für Höffer lag sofort auf der Hand, was zu tun ist: „Wir versorgen stadiengerecht nach den Leitlinien der AG Fuß.“ In Hackenfußstellung wurden die Stümpfe gegipst und anschließend passende Stiefel für beide Seiten gefertigt, inklusive Arthrodesenkappe aus Carbon. Dank der Stiefel sollte die Patientin auf der Ferse stehen und so der Druck von den Wunden vorn genommen werden. Mit Erfolg. Nach rund vier Monaten waren die Füße komplett abgeheilt – „weich, wie ein Babypopo“, sagt Höffer, während er die Vorher-Nachher-Bilder präsentiert. Als die Patientin die Schuhe bekam, standen ihr vor Freude Tränen in den Augen. Wanken war von da an Vergangenheit. „Wir haben gehofft, dass sie damit gut laufen kann. Dass sie aber so gut laufen kann, hätten wir anfangs nicht gedacht.“
Eine große Herausforderung bei solchen Versorgungen ist die muskuläre Dysbalance. „Stümpfe neigen dazu, in Spitzfußstellung zu geraten“, berichtet Höffer. Bei der Versorgung galt es daher, den Stumpf aus der Spitz- in die Hackenfußstellung zu drücken und der Supination entgegenzuwirken. Zunächst erhielt die Patientin eine Interimsversorgung, nach Abheilung der Wunden trägt sie nun die erste Definitivversorgung, in einem Creme-Ton und ohne viel Schnick-Schnack. Begeistert von der Funktion, hatte sie an die Optik keine hohen Ansprüche. Weiterhin stehen der Betrieb und die Patientin in Kontakt, bei den Kontrollterminen bestätigt sich der Versorgungserfolg regelmäßig.
„Kostenvoranschläge für Interimsschuhe werden häufig pauschal von den Krankenkassen abgelehnt, mit der Begründung, dass die Patienten konfektionierte Verbandschuhe tragen sollen“, berichtet Julius Höffer, Politik- und Medienwissenschaftler sowie Kaufmann im Gesundheitswesen. „Da ist es an uns nachzuhaken, in den Austausch mit dem behandelnden Arzt zu gehen und dem Sachbearbeiter bei der Krankenkasse die Problematik und die Notwendigkeit der Versorgung genau zu erklären.“ Da Interimsversorgungen oft akut sind, heißt das für den Betrieb auch teils in Vorleistung zu gehen und ohne Genehmigung zu starten.
Bereits die Eltern der Brüder legten den Schwerpunkt auf die Versorgung von Patient:innen mit diabetischem Fußsyndrom. Mit der sukzessiven Übernahme des Betriebs wollen die beiden diese Spezialisierung weiterführen und ‑leben. „Die Versorgung ist viel komplexer, als es am Anfang scheint“, betont Cornelius Höffer. Jede Diabetesversorgung bringe eine individuelle Problematik durch verschiedene Fußfehlstellungen und Begleiterkrankungen mit sich. „Und jeder Fehler wird bitter vom Patienten bezahlt“, ist er sich der großen Verantwortung, die damit einhergeht, bewusst. Genau das macht die Versorgung schwierig, bereitet dem OSM aber auch viel Freude. Für Julius Höffer hängt das auch mit der Zusammenarbeit im interdisziplinären Team zusammen. Besonders am Standort in Flensburg wird der Austausch mit den Ärzt:innen des Diabeteszentrums großgeschrieben. Als unerlässlich beschreibt Cornelius Höffer diese Gespräche. „Wie man diese Patienten richtig versorgt, muss man mit Ärzten und Meistern zusammen entwickeln. Das kriegt man nicht in der Meisterschule beigebracht.“ Oft geht das DFS mit Krankheitsbildern wie einem Charcot-Fuß einher. Dabei sind viel Fingerspitzengefühl, Sorgfalt und Aufmerksamkeit gefragt – sowohl isoliert betrachtet für den Fuß als auch ganzheitlich für den Patienten. „Den größten Leidensdruck erzeugt nicht der Fuß“, ist Cornelius Höffer überzeugt, sondern die Tatsache, dass die Patient:innen oft auf Unverständnis in ihrem Umfeld stoßen. Das Krankheitsbild ist nicht bekannt. Was soll so gefährlich am Charcot-Fuß sein, wenn es doch nicht schmerzt? „Es ist für viele sehr frustrierend, dass die Menschen die Krankheit weder verstehen noch ernst nehmen und das Risiko darin nicht sehen.“ Umso wichtiger ist es den Brüdern, den Betroffenen im Betrieb mit Empathie zu begegnen. Für die beiden ist dies der Schlüssel dazu, dass sich ihre Kund:innen abgeholt und gut aufgehoben fühlen.
Pia Engelbrecht
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