Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn: Qua­li­tät der Pro­duk­te ist obers­tes Gebot

In Öffentlichkeit und Medien ist im Zuge der Verabschiedung des Terminservice- und Versorgungsgesetztes (TSVG) Mitte März im Deutschen Bundestag in erster Linie unter anderem über Sprechstundenzeiten beim Hausarzt diskutiert worden. Allerdings ist mit 20 Millionen Versorgungen pro Jahr, die etwa 25 Prozent aller GKV-Versicherten betreffen, auch die qualitätsgesicherte­ Hilfsmittelversorgung ein relevanter Bereich der deutschen Gesundheitspolitik.

Im Inter­view mit der OT spricht Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (CDU) über die Hin­ter­grün­de des Aus­schrei­bungs­ver­bots von Hilfs­mit­tel­ver­trä­gen und die künf­ti­ge Rol­le von Leis­tungs­er­brin­ger­ver­bän­den bei der Fort­schrei­bung des Hilfsmittelverzeichnisses.

Anzei­ge

OT: Herr Spahn, zum 1. Mai 2019 ist das TSVG in Kraft getre­ten. Mit dem Gesetz haben Sie die Aus­schrei­bun­gen ver­bo­ten und damit dem Pri­mat des bil­ligs­ten Prei­ses bei indi­vi­du­el­len Pati­en­ten­ver­sor­gun­gen mit Hilfs­mit­teln ein Ende gesetzt. Preis und Leis­tung der qua­li­täts­ge­si­cher­ten Ver­sor­gung wer­den künftig­ aus­schließ­lich Gegen­stand der Ver­hand­lung gem. § 127 Abs. 2 SGB V zwi­schen Kran­ken­kas­sen und Leis­tungs­er­brin­gern sein. Damit liegt der Ball nun bei den Kran­ken­kas­sen ­und Leis­tungs­er­brin­gern und deren Ver­bän­den. Was erwar­ten Sie von den Verhandlungspartnern?

Jens Spahn: Mir ist wich­tig, dass Pati­en­ten und Pfle­ge­be­dürf­ti­ge, die auf Hilfs­mit­tel ange­wie­sen sind, gut ver­sorgt wer­den. Sie sol­len sich dar­auf ver­las­sen kön­nen, dass Geh­hil­fen, Inkon­ti­nenz­ar­ti­kel und gene­rell alle not­wen­di­gen Hilfs­mit­tel eine gute Qua­li­tät haben. Der bis­he­ri­ge Preis­kampf um das bil­ligs­te Ange­bot ist in der Ver­gan­gen­heit oft zu Las­ten der Pati­en­ten gegan­gen. Des­halb wird es künf­tig kei­ne Aus­schrei­bun­gen für Hilfs­mit­tel mehr geben. Und ich erwar­te von den Kran­ken­kas­sen und den Leis­tungs­er­brin­gern, dass sie bei den künf­ti­gen Ver­trags­ver­hand­lun­gen nicht nur den Preis, son­dern auch und vor allem die Qua­li­tät der Pro­duk­te in den Blick nehmen.

OT: Mit dem Ver­bot der Aus­schrei­bun­gen ist das unglei­che Kräf­te­ver­hält­nis zwi­schen Kran­ken­kas­sen und Leis­tungs­er­brin­gern nicht besei­tigt. Wie sichert das Gesetz ab, dass ­Ver­hand­lun­gen stets auf Augen­hö­he stattfinden?

Spahn: Wir ver­pflich­ten die Kran­ken­kas­sen mit dem TSVG, alle Ver­trä­ge über Hilfs­mit­tel­ver­sor­gun­gen mit den Ver­bän­den oder Leis­tungs­er­brin­gern zu ver­han­deln. Und die  Kran­ken­kas­sen müs­sen auch jedem Leis­tungs­er­brin­ger Ver­hand­lungs­mög­lich­kei­ten eröff­nen. Den ver­han­del­ten Ver­trä­gen kann dann jeder Leis­tungs­er­brin­ger zu den glei­chen Bedin­gun­gen bei­tre­ten. Es  geht also um ein Bei­tritts­recht und nicht um eine Bei­tritts­pflicht. Damit haben wir einen guten Rah­men dafür gesetzt, dass die Kran­ken­kas­sen und die Anbie­ter ver­nünf­tig ver­han­deln können.

OT: In wel­chem Aus­maß erwar­ten Sie sich durch das TSVG auch posi­ti­ve Effek­te auf die Pfle­ge? Gera­de in die­sem Bereich führt eine unzu­rei­chen­de Ver­sor­gung zu Mehr­auf­wand und Mehrkosten.

Spahn: Pfle­ge­be­dürf­ti­ge haben ja schon heu­te einen Anspruch auf Pfle­ge­hilfs­mit­tel. Das ist wich­tig, weil es die Pfle­ge erleich­tert, aku­te Beschwer­den lin­dert und auch eine selb­stän­di­ge Lebens­füh­rung der Pfle­ge­be­dürf­ti­gen ermög­licht. Das wird aus Mit­teln der Pfle­ge­ver­si­che­rung finan­ziert und das bleibt auch so.

OT: Das Heil- und Hilfs­mit­tel­ver­sor­gungs­ge­setz (HHVG) ver­lang­te die über­fäl­li­ge Über­ar­bei­tung des Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis­ses bis zum Ende des Jah­res 2018. Stand heu­te ist die qua­li­täts­ge­si­cher­te Ver­sor­gung aber noch immer nicht klar und deut­lich im Ver­zeich­nis hin­ter­legt. Weder eine durch­gän­gi­ge Logik noch ent­spre­chend belast­ba­re Leis­tungs­be­schrei­bun­gen sind ein­ge­flos­sen. Exper­ten­ver­bän­de aus der Pra­xis wur­den zwar förm­lich ange­hört, aber deren Kri­tik wur­de nicht gehört. Inzwi­schen ver­stärk­ten sich die Stim­men, die ver­lan­gen, dass der GKV-Spit­zen­ver­band mit der Über­ar­bei­tung eigent­lich die ­völ­lig ­fal­sche Insti­tu­ti­on ist, da eine über­par­tei­li­che und neu­tra­le Stel­le den Qua­li­täts­be­griff defi­nie­ren soll­te. Fol­gen Sie der Mei­nung des Vor­sit­zen­den des Gemein­sa­men Bun­de­aus­schus­ses (G‑BA), Prof. Josef Hecken, dass die Über­ar­bei­tung eigent­lich in das Feld des G‑BA gehört?

Spahn: Mit dem HHVG haben wir den GKV-Spit­zen­ver­band beauf­tragt, das Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis regel­mä­ßig zu über­prü­fen. Die­ser hat inner­halb der vor­ge­ge­be­nen Frist alle Pro­dukt­grup­pen des Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis­ses auf ihren Fort­schrei­bungs­be­darf geprüft und dazu auch das gesetz­lich vor­ge­se­he­ne Stel­lung­nah­me­ver­fah­ren durch­ge­führt. Wenn Her­stel­ler- und Leis­tungs­er­brin­ger­ver­bän­de oder Pati­en­ten­or­ga­ni­sa­tio­nen der Mei­nung sind, dass hier wei­te­re Anpas­sun­gen not­wen­dig sind, kön­nen die­se in künf­ti­gen Fort­schrei­bun­gen auch berück­sich­tigt wer­den. Mir ist wich­tig, dass alle Betei­lig­ten in die­sem neu­en Ver­fah­ren an einem Strang zie­hen und gemein­sam kon­struk­tiv dar­an ­arbei­ten, dass das Hilfs­mit­tel­ver­zeich­nis kon­ti­nu­ier­lich und am Puls der Zeit wei­ter­ent­wi­ckelt wird.

Die Fra­gen stell­te Micha­el Blatt.

Michael Blatt
Die neusten Beiträge von Micha­el Blatt (Alle ansehen)
Tei­len Sie die­sen Inhalt