Bufa-Leh­rer schult in Uganda

Im Rahmen der Entwicklungshilfe haben 2022 zwei fünftägige Seminare zur transfemoralen Prothetik im „Orthopaedic Workshop“ des Vereins Pro Uganda stattgefunden. Ziel war die Fortbildung von zwölf ugandischen Berufsschullehrer:innen und lokalen Orthopädietechniker:innen im Bereich der sitzbeinumgreifenden Schafttechnik zur Herstellung einer Oberschenkelprothese.

Für die Semi­na­re unter der Lei­tung von Ralph Beth­mann, Ortho­pä­die­tech­nik-Meis­ter und Fach­leh­rer an der Bun­des­fach­schu­le für Ortho­pä­die-Tech­nik (Bufa) Dort­mund, stell­ten sich fünf Proband:innen zur Ver­fü­gung, zwei von ihnen waren zuvor noch nie mit einer Pro­the­se ver­sorgt worden.

Der ers­te Semi­nar­tag star­te­te mit der Theo­rie zu den Grund­la­gen der sitz­be­in­um­grei­fen­den TF-Schaft­tech­nik, Mes­sun­gen und Form­er­fas­sung durch Gips­ab­druck, zum Auf­bau einer Ober­schen­kel­pro­the­se und zur Bio­me­cha­nik der mecha­ni­schen Knie­pass­tei­le. Am Nach­mit­tag wur­den die sys­te­ma­ti­sier­te Ana­mne­se und Ver­mes­sung von Patient:innen sowie die Form­er­fas­sung des Stump­fes durch einen Gips­ab­druck demons­triert, bevor die Teilnehmer:innen die Mes­sun­gen und Gips­ab­drü­cke selbst­stän­dig durchführten.

An Tag zwei stand das sys­te­ma­ti­sche Model­lie­ren der Gips­mo­del­le im Vor­der­grund. Am Ende des Tages hat­ten alle Teams einen model­lier­ten Ober­schen­kel­gips zur wei­te­ren Fer­ti­gung vorbereitet.

Am fol­gen­den Mor­gen demons­trier­te Beth­mann die Her­stel­lung eines klar­sich­ti­gen PETG- Pro­be­schafts – mit beson­de­rem Fokus auf die Mate­ria­li­en und Tech­ni­ken zum Tief­zieh­ver­fah­ren mit Vaku­um, das Ent­for­men und anschlie­ßen­de Bear­bei­ten mit unter­schied­li­chen Schleif­mit­teln – wor­auf­hin die Teil­neh­men­den ihre eige­nen Test­schäf­te anfer­tig­ten. Am Nach­mit­tag wur­den die Unter­schie­de der Pro­the­sen-Knie­ge­len­ke und ‑Füße bespro­chen, Funk­tio­nen erklärt und der sta­ti­sche Auf­bau der Ober­schen­kel­pro­the­sen durch­ge­führt. Hier waren die ver­wen­de­ten Pass­tei­le für die Teilnehmer:innen beson­ders inter­es­sant, da die­se unter­schied­li­che Mecha­nis­men zur Siche­rung der Stand­pha­se und Steue­rung der Schwung­pha­se nut­zen, jedoch in der Regel nicht oder sehr sel­ten vor Ort ver­füg­bar sind.

Der vor­letz­te Tag stand im Zei­chen des sys­te­ma­ti­schen Ablaufs der sta­ti­schen und dyna­mi­schen Anpro­be. Nach einer Demons­tra­ti­on führ­ten die Teilnehmer:innen die sta­ti­sche Anpro­be an ihren Proband:innen selbst durch. Stell­te Beth­mann Män­gel fest, hat­ten sie die Mög­lich­keit, ihre Schäf­te zu modi­fi­zie­ren. In der dyna­mi­schen Anpro­be (Gang­ana­ly­se) wur­den die Gang­pa­ra­me­ter visu­ell beob­ach­tet, Feh­ler am Gang­bild bespro­chen und der Pro­the­sen­auf­bau selbst­stän­dig opti­miert. Am letz­ten Semi­nar­tag stan­den die Funk­tio­nen der unter­schied­li­chen Pro­the­sen-Knie­ge­len­ke und ‑Füße im Fokus.

„Die Teams haben sich inten­siv mit den Pass­tei­len, dem Auf­bau und der Jus­tie­rung der Pro­the­sen und deren ein­zel­nen Kom­po­nen­ten beschäf­tigt und neue Erfah­run­gen gesam­melt. Alle Pro­ban­den konn­ten jeweils zum Semi­na­ren­de auf eine Pro­the­se gestellt und zum Lau­fen gebracht wer­den“, betont Beth­mann. Als beson­ders beein­dru­ckend habe er die Ergeb­nis­se der bei­den erst­mals ver­sorg­ten Proband:innen emp­fun­den: „Denn auch sie haben die ers­ten Schrit­te auf der Pro­the­se in ein neu­es Leben geschafft, was wie bei jeder Erst­ver­sor­gung ein ergrei­fen­der Moment für alle Betei­lig­ten war.“ Durch eige­nes Trai­ning in Ver­bin­dung mit Phy­sio­the­ra­pie bzw. Gang­schu­le durch volon­tie­ren­de Phy­sio­the­ra­peu­tin­nen habe gera­de das Gang­bild der bei­den Anfän­ger inner­halb weni­ger Tage mas­siv ver­bes­sert wer­den kön­nen. „Mit ihrer erstaun­li­chen Moti­va­ti­on schaff­ten es die bei­den inner­halb von zwei Tagen, mit ihrer aller­ers­ten Pro­the­sen­ver­sor­gung täg­lich drei Mal die ca. 700 Meter zum Hotel­re­stau­rant und wie­der zurück zur Werk­statt in unebe­nem, stei­ni­gem und san­di­gem Gelän­de zu gehen. Ein Ter­rain, wel­ches bei uns in Deutsch­land von den meis­ten Anwen­dern auf­grund von diver­sen Unsi­cher­hei­ten und Sturz­ge­fahr gemie­den wird.“

Wäh­rend des gesam­ten Semi­nars habe es kon­struk­ti­ve Gesprä­che und einen regen Erfah­rungs­aus­tausch gege­ben, berich­tet Beth­mann. Ein beson­de­res Inter­es­se habe er sowohl im Bereich der theo­re­ti­schen Wis­sens­ver­mitt­lung, der Material‑, Pass­teil- und Werk­stoff­kun­de als auch im Bereich der Maschi­nen- und Ver­fah­rens­tech­nik beob­ach­tet. Das meis­te gehö­re aktu­ell nicht zum all­täg­li­chen Arbeits­um­feld in den Ortho­pä­die­tech­nik-Werk­stät­ten in Ugan­da.

In der Feed­back­run­de brach­ten auch die Patient:innen ihre Dank­bar­keit zum Aus­druck. „Sie kön­nen durch die Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung wie­der am gesell­schaft­li­chen Leben teil­ha­ben, einer Erwerbs­tä­tig­keit nach­ge­hen und haben ein bes­se­res Lebens­ge­fühl erlangt“, betont Bethmann.

 

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