Büro­kra­tie-Burn­out mit neu­em Gesetz abgewendet?

Es ist das erklärte Ziel der aktuellen Regierungskoalition bestehend aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP, die Bürokratielast für Unternehmen, Verwaltung und Privatpersonen zu reduzieren. Um dem selbstgesteckten Ziel näherzukommen, hat das Bundeskabinett Mitte März dem Entwurf des Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) zugestimmt. Es fehlen allerdings noch die Abstimmungsergebnisse aus dem Bundestag beziehungsweise aus dem Bundesrat.

Bun­des­jus­tiz­mi­nis­ter Dr. Mar­co Busch­mann erklärt, dass das neue Gesetz ein Erfolg sein kann und als Zwi­schen­schritt zu wei­te­rem Büro­kra­tie­ab­bau dient: „Heu­te gehen wir den nächs­ten Schritt bei der Bekämp­fung des Büro­kra­tie-Burn­out. Mit dem Kabi­netts­be­schluss zum Büro­kra­tie­ent­las­tungs­ge­setz IV set­zen wir einen zen­tra­len Bau­stein des Mese­ber­ger Ent­las­tungs­pa­kets um. Die­ses Paket ent­las­tet unse­re Unter­neh­men um mehr als 3 Mil­li­ar­den Euro pro Jahr, allein das BEG IV trägt hier­zu fast 1 Mil­li­ar­de Euro bei. Damit sind die Mese­ber­ger Beschlüs­se das größ­te Büro­kra­tie­ab­bau­pro­gramm, das es in Deutsch­land je gab. Der Büro­kra­tie­kos­ten­in­dex fällt dadurch auf sein All­zeit­tief. Beson­ders freue ich mich, dass wir das Ent­las­tungs­vo­lu­men des BEG IV im Ver­gleich zum Refe­ren­ten­ent­wurf noch­mals um mehr als 260 Mil­lio­nen Euro stei­gern konn­ten. Das zeigt: Die Bun­des­re­gie­rung hat ver­stan­den. Das BEG IV darf nur ein nächs­ter, nicht der letz­te Schritt sein. Denn Büro­kra­tie­ab­bau ist ein Kon­junk­tur­pro­gramm zum Null­ta­rif. Wir müs­sen wei­te­re Geset­ze abbau­en, ver­ein­fa­chen und ent­schla­cken – dar­über besteht in der Bun­des­re­gie­rung Einig­keit. Klar ist: Büro­kra­tie­ab­bau muss ein Dau­er­bren­ner die­ser Legis­la­tur­pe­ri­ode sein.“

Was steht kon­kret in dem Gesetz drin? Bei­spiels­wei­se, dass die han­dels- und steu­er­recht­li­chen Auf­be­wah­rungs­fris­ten für Buchungs­be­le­ge wie z. B. Rech­nungs­ko­pien, Kon­to­aus­zü­ge und Lohn- und Gehalts­lis­ten von bis­her zehn auf acht Jah­re ver­kürzt wer­den sol­len. Die Unter­neh­men könn­ten die Bele­ge daher frü­her als bis­her ent­sor­gen und spa­ren dadurch die – teil­wei­se nicht uner­heb­li­chen – Auf­be­wah­rungs­kos­ten. Außer­dem sol­len im Bür­ger­li­chen Gesetz­buch (BGB) Schrift­form­erfor­der­nis­se zu Text­form­erfor­der­nis­sen her­ab­ge­stuft wer­den, soweit dies ange­mes­sen und sach­ge­recht ist. Anders als die Schrift­form setzt die Text­form kei­ne eigen­hän­di­ge Unter­schrift vor­aus: Bei­spiels­wei­se rei­chen auch eine E‑Mail, eine SMS oder eine Mes­sen­ger-Nach­richt aus. Ent­spre­chen­de Her­ab­stu­fun­gen sind unter ande­rem im Ver­eins­recht und im Gesell­schafts­recht geplant. So sol­len Ver­eins­mit­glie­der ihre Zustim­mung zu einem Beschluss, der ohne Mit­glie­der­ver­samm­lung gefasst wur­de, künf­tig auch in Text­form erklä­ren kön­nen. Auch sol­len GmbH-Gesell­schaf­ter – bei Beschlüs­sen außer­halb einer Ver­samm­lung – ihre Stim­me in Text­form abge­ben kön­nen, wenn sämt­li­che Gesell­schaf­ter damit ein­ver­stan­den sind. Zudem sol­len Schrift­form­erfor­der­nis­se im Schuld­ver­schrei­bungs­ge­setz sowie im Depot­ge­setz her­ab­ge­stuft werden.

Auch Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Robert Habeck begrüßt das Büro­kra­tie­ent­las­tungs­ge­setz IV: „Es ist wich­tig, dass das Büro­kra­tie­ent­las­tungs­ge­setz nun auf den Weg gebracht wird. Auch die res­sort­über­grei­fen­de Büro­kra­tie­ent­las­tungs­ver­ord­nung, die aktu­ell fina­li­siert wird, sieht wei­te­re Ent­las­tun­gen für die Wirt­schaft vor. Gleich­zei­tig ist klar, dass wir hier nicht ste­hen blei­ben kön­nen, um zu spür­ba­ren Ent­las­tun­gen zu kom­men. Wir müs­sen das BEG IV daher mit wei­te­ren the­men­spe­zi­fi­schen Entlastungs­paketen ergän­zen. Hier set­ze ich auf eine künf­ti­ge zwei­te Säu­le der Büro­kra­tie­ent­las­tung: die stär­ke­re Eta­blie­rung und Aus­wei­tung unse­res Pra­xi­scheck-Instru­men­ta­ri­ums unter akti­ver Betei­li­gung aller Res­sorts und der Län­der. So haben wir u. a. im Solar­be­reich gezeigt, dass damit spür­ba­re Ent­las­tun­gen erzielt wer­den kön­nen. Das Instru­ment wer­den wir des­halb schritt­wei­se auf wei­te­re, vor allem für den brei­ten Mit­tel­stand rele­van­te The­men wie die Nach­hal­tig­keits­be­richt­erstat­tung, das Beauf­trag­ten­we­sen oder den Daten­schutz ausrollen.“

Die Reak­tio­nen auf den Gesetz­ent­wurf sind dabei durch­wach­sen. Hol­ger Schwanne­cke, Gene­ral­se­kre­tär des Zen­tral­ver­ban­des des Deut­schen Hand­werks (ZDH), erklär­te zum Bei­spiel: „Die Bun­des­re­gie­rung schärft beim Büro­kra­tie­ab­bau rich­ti­ger­wei­se nach und greift ins­be­son­de­re beim Nach­weis­ge­setz den Vor­schlag des Hand­werks für eine weit­ge­hen­de Abschaf­fung der Schrift­form für Arbeit­ge­ber auf. Die ein­ge­schla­ge­ne Rich­tung stimmt. Die Maß­nah­men rei­chen aber im Gan­zen bei Wei­tem nicht, um Hand­werks­be­trie­be ins­ge­samt und spür­bar zu ent­las­ten. Eine noch deut­li­che­re Bot­schaft des Büro­kra­tie­ab­baus ist not­wen­dig. Der jüngs­te Pra­xis-Work­shop des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums für Wirt­schaft und Kli­ma­schutz zu aktu­el­len Ent­las­tungs­vor­schlä­gen des Hand­werks zeigt, dass ent­spre­chen­des Poten­zi­al besteht. Nun ist der Bun­des­tag gefor­dert, Tat­kraft und Gestal­tungs­wil­len zu bewei­sen und wei­te­re Ent­las­tungs­maß­nah­men zu verabschieden.“

Das Fazit von Bit­kom-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Dr. Bern­hard Roh­le­der fällt noch deut­li­cher aus: „Das Büro­kra­tie­ent­las­tungs­ge­setz wird an der einen oder ande­ren Stel­le den büro­kra­ti­schen Auf­wand für Wirt­schaft, Bevöl­ke­rung und Ver­wal­tung redu­zie­ren. Es ver­passt aber zugleich die Chan­ce für einen ech­ten Befrei­ungs­schlag. So ver­zich­tet die Bun­des­re­gie­rung wei­ter auf die im Koali­ti­ons­ver­trag ange­kün­dig­te Gene­ral­klau­sel bei den Schrift­form­erfor­der­nis­sen. Dabei ist der Zwang zu hän­di­scher Unter­schrift und Papier eines der größ­ten Hemm­nis­se einer kon­se­quen­ten Digi­ta­li­sie­rung. Das bedeu­tet zum Bei­spiel, dass Arbeit­ge­ber bei einer Gehalts­er­hö­hung auf­grund einer neu­en Betriebs­ver­ein­ba­rung ihre Beschäf­tig­ten wei­ter schrift­lich auf Papier infor­mie­ren müs­sen. Und da, wo digi­ta­le Unter­schrif­ten grund­sätz­lich akzep­tiert wer­den, wer­den unnö­ti­ge tech­no­lo­gi­sche Hür­den auf­ge­baut. So ist etwa bei Arbeits­ver­trä­gen aus­schließ­lich die soge­nann­te qua­li­fi­zier­te elek­tro­ni­sche Signa­tur zuläs­sig, was ins­be­son­de­re klei­ne­re Unter­neh­men oder Start-ups vor hohe Hür­den stellt.“

 

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