Damit die Athleten glänzen können, werden sie auf ihren sportlichen Wegen von Orthopädietechnikern begleitet. Sie sorgen in der Vorbereitung der Spiele, in den Werkstätten der Paralympics vor Ort und am Spielfeldrand für die bestmögliche Hilfsmittelversorgung in Alltag und Sport.
„Es ist unsere Aufgabe als Spitzenverbandes des Handwerks die Leistungen und Leidenschaft des Berufsbildes einer breiten Öffentlichkeit sichtbarer zu machen“, erklärt Alf Reuter, Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT). „Ohne die Orthopädietechniker im Zusammenspiel mit Ärzten und Physiotherapeuten können Menschen mit Einschränkungen die Hürden des Alltags und Sports nicht bewältigen.“
Dialog für Inklusion: BIV-OT im Austausch bei den Paralympics in Paris
Der Präsident des BIV-OT reiste gemeinsam mit Kirsten Abel, Sprecherin des Präsidiums, zu den Paralympischen Spielen nach Paris, um die Interessen der Mitglieder auf der größten Sportbühne der Welt zu vertreten. Neben der Teilnahme an der feierlichen Eröffnung nutzten sie die Gelegenheit für intensive Gespräche mit Institutionen, die – genau wie der BIV-OT – leidenschaftlich für die bestmögliche Sportversorgung sowohl im Spitzen- als auch im Breitensport kämpfen.
Besonders eindrücklich waren die Treffen mit Vertretern des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), die Tag für Tag dafür sorgen, dass Sportler mit Behinderung die Chance bekommen, ihren Sport auszuüben – egal ob im Leistungssport oder in der Freizeit. Reuter und Abel trafen zudem Vertreter des Sozialverbandes VdK, die immer wieder darauf hinweisen, dass in Deutschland zu viele notwendige Hilfsmittel unberechtigt abgelehnt werden, was viele Menschen von der Teilhabe am Sport ausschließt. In einem weiteren wichtigen Gespräch mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) wurde betont, wie eng Sport, Teilhabe und berufliche Rehabilitation miteinander verbunden sind – ein Bewusstsein, das bei den gesetzlichen Krankenversicherungen leider noch fehlt.
„Sport ist für Körper und Seele von unschätzbarem Wert, egal ob mit oder ohne Behinderung“, betonte Alf Reuter. „Er steigert die Lebensqualität, stärkt die Teilhabe und reduziert langfristig die Gesundheitskosten. Es ist an der Zeit, dass die Kostenübernahme von Hilfsmitteln für den Breitensport auch im Erwachsenenalter in Deutschland selbstverständlich wird.“
Der Maschinenraum der Athleten: Notfallversorgung mit Herz und Hand
Wie genau sieht die Hilfsmittelversorgung während der Paralympics aus? Sie muss vor allem schnell erfolgen. Kann der Sportler nicht pünktlich beim Wettbewerb mit einem geeigneten Hilfsmittel antreten, ist die Arbeit von Jahren zunichtegemacht. Darüber informierte sich Alf Reuter unter anderem in zwei Werkstätten in Paris – die eine für Orthesen, die andere für Prothesen – des französischen Versorgers Proteor. Während seines Besuchs am Tag der Eröffnung arbeitete die französischen Kollegen an der Fertigstellung eines Covers für die prothethische Kurzeitversorgung für einen Teilnehmer der Paralympischen Spiele. “Ohne meinen Orthopädietechniker wird mein Leben schnell zur Hölle…” — Mit dieser von Alf Reuter sehr geschätzten Kampagne macht das französische Unternehmen auf die Bedeutung des Handwerks für die Versorgung von Menschen mit Einschränkung in Alltag und Sport aufmerksam.
Wenige Tage später überzeugten sich Alf Reuter, Kirsten Abel und Antje Voigtmann gemeinsam mit Friedhelm Julius Beucher von den Leistungen der 130 Orthopädietechniker aus 42 Ländern. Mit Herzblut versorgten sie die Athletinnen und Athleten in der zentralen Werkstatt im paralympischen Dorf. Unter der Leitung des Hilfsmittelhellers Ottobock nahmen sie rund 2.700 Reparaturen an Hilfsmitteln vor und stellten den technischen Service im Vorfeld, im Verlauf und im Nachgang der Spiele sicher. Auch hier ging es um schnelle Hilfe für Athleten. Einer thailändischen Sportlerin konnte mit dem Auswechseln eines neuen Kniegelenks schnell geholfen werden. Für einen deutschen Rollstuhl-Rugby-Spieler fanden die Orthopädietechniker in der Werkstatt eine kreative Lösung. Sie versahen die Prothese mit einem schnell zu öffnenden Verschluss und wechselbarem Gripmaterial aus breiten Fahrradreifen. Damit konnte der Spieler seinen Rollstuhl antreiben und problemlos am paralympischen Wettbewerb teilnehmen. Besonders knifflig war etwa die Reparatur einer doppelseitigen Orthese für einen Athleten aus dem Kongo. Sie konnte allerdings erst nach zwei Tagen intensiver Arbeit wieder nutzbar gemacht werden.
„In Paris traf ich Kollegen wie Ingo Pfefferkorn oder Franko Klahr, die zum wiederholten Mal ehrenamtlich in der Werkstatt Hand anlegten. Ihr Engagement und ihre Leidenschaft sollten nicht ungesehen bleiben“, erklärt Alf Reuter. „Ganz nebenbei tragen sie mit ihrer Teilnahme an der internationalen Werkstatt auch dazu bei, die Expertise des deutschen Handwerks in die Welt zu tragen und zugleich von den Kollegen aus den anderen Ländern Inspirationen für unsere Versorgungen in Deutschland zu erhalten.“
Dialog über nationale Grenzen hinweg
Zum Schluss der Reise trafen Kirsten Abel und Antje Voigtmann Edouard Archambeaud, Chief Executive Officer (CEO) des 1914 in Dijon gegründeten Familienunternehmens Proteor. Die Firma betreibt in Frankreich 63 orthopädietechnische Versorgungszentren und ist einer der Hilfsmittelhersteller, die alle zwei Jahre ihre Neuheiten zur OTWorld in Leipzig vorstellen. Bei einem Rundgang durch die Forschungs- und Entwicklungsabteilung sowie das Logistikzentrum in Seurre bei Dijon sprachen der CEO von Proteor und die Vertreterinnen des BIV-OT und der Leipziger Messe vor allem über die unterschiedlichen Systeme der Hilfsmittelversorgung in Deutschland und Frankreich, trotz gemeinsamer EU-Regularien.
Eine Atmosphäre voller Leidenschaft und Teamgeist
Die Stimmung bei den Paralympischen Spielen in Paris 2024 war von einer besonderen Magie erfüllt. Überall war die Kraft des Zusammenhalts und die unerschütterliche Entschlossenheit der Athletinnen und Athleten, ihre Träume wahr werden zu lassen, zu spüren. Inmitten des tosenden Jubels und der bunten Vielfalt an Nationalitäten und Kulturen war die Atmosphäre von einem tiefen Respekt für die herausragenden Leistungen der Sportler und ihrer Unterstützer geprägt. „Besonders eindrucksvoll war die enge Zusammenarbeit zwischen den Athleten und den Orthopädietechnikern, die mit Leidenschaft und Präzision dafür sorgten, dass jede Prothese und jede Orthese perfekt saß“, so Reuter. „Es waren Momente der stillen Helden, die mit Hingabe und Fachwissen im Hintergrund agierten und so einen wichtigen Beitrag zu den Erfolgen auf dem Spielfeld leisteten.“ Einen Beitrag, den der BIV-OT über Artikel im Deutschen Handwerksblatt und der Deutschen Handwerks Zeitung im Nachgang der Paralympics transparent machen wird.
Paris zeigte eindrucksvoll, was möglich ist, wenn Menschen mit einer gemeinsamen Vision und unerschütterlichem Willen zusammenkommen: sportliche Höchstleistungen und menschliche Erlebnisse, die weit über die Grenzen des Sports hinausgehen.