Generell lässt sich feststellen, dass die beschriebenen Anforderungen in der gesamten PG 31 deutlich umfangreicher geworden sind. Insbesondere ist in der Beschreibung der medizinischen Anforderungen in den einzelnen Produktuntergruppen der Unterpunkt VII „Anforderungen an die zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringenden Leistungen“ neu hinzugekommen. Dort werden in Unterpunkten wie Beratung, Auswahl, Abgabe, Service und Nachkontrollen zahlreiche Anforderungen bezüglich formaler Rahmenbedingungen formuliert, die nicht in direktem Zusammenhang mit der speziellen Funktion des einzelnen Produkts stehen. So ist dort beispielsweise festgeschrieben, dass dem Leistungsempfänger mindestens eine Nachkontrolle zur Prüfung der Pass- und Funktionsfähigkeit angeboten werden muss. Der Zeitrahmen, in dem diese erfolgen soll, liegt für Therapieschuhe und diabetesadaptierte Fußbettungen (DAF) bei vier Wochen, für Spezialschuhe bei Diabetischem Fußsyndrom bei sechs Monaten.
Erweitert wurden generell die Anforderungen an die Gebrauchsanweisung. Neu ist, dass die Gebrauchsanweisung für alle beschriebenen Produktgruppen Angaben zu den verwendeten Materialien enthalten muss. Wie detailliert diese Angaben sein müssen, ist jedoch nicht definiert: Ob etwa bei der DAF die Angabe „Polsterschäume verschiedener Shorehärten“ ausreicht oder ob die einzelnen Schichten explizit genannt werden müssen, geht aus der Anforderung nicht hervor. Die Gebrauchsanweisung muss aber in jedem Fall in einem für blinde und sehbehinderte Versicherte geeigneten Format (z. B. in elektronischer Form) verfügbar sein.
Im Folgenden werden die einzelnen Produktuntergruppen näher betrachtet.
31.03.03
Therapieschuhe, konfektioniert
Bei Therapieschuhen kommen für den Diabetiker die Produktarten „Verbandschuhe“, „Fußteil-Entlastungsschuhe“ und „Höhenausgleichsschuhe“ in Betracht. Bei den Verbandschuhen ist die bisherige Unterteilung in Langzeit und Kurzzeit weggefallen; beide wurden unter dem Siebensteller 31.03.03.4 zusammengefasst. Die Kombination eines Verbandschuhs mit einer DAF ist explizit ausgeschlossen. Eine Weichpolstereinlage der PG 08 „Einlagen“ kann aber im Einzelfall zur besseren Druckumverteilung erforderlich sein, wenn die konfektionierte weiche Sohle des Schuhs in Verbindung mit dem Verbandmaterial dafür nicht ausreichend ist.
Es bleibt allerdings unklar, wie der Nachweis einer nicht ausreichenden Druckumverteilung am Ulkus, also konsequenterweise zwischen Wunde und Verband, erbracht werden soll. Der Fußteil-Entlastungsschuh wird für die Ulkusversorgung nur dann als indiziert betrachtet, wenn andere entlastende Versorgungen (Vollkontaktgips, Orthese) nicht möglich sind. Wenn aber ein Entlastungsschuh verordnet wird, wird je nach Ausprägung der Schädigung die gleichzeitige Verwendung einer Gehhilfe empfohlen.
An den Ausführungsbestimmungen zu Verbandschuhen und Fußteil-Entlastungsschuhen hat sich kaum etwas geändert. Explizit neu aufgenommen wurde jedoch die Berücksichtigung des Höhenausgleichs auf der Gegenseite zur Vermeidung eines Beckenschiefstandes. Empfohlen werden Zurichtungen am Konfektionsschuh der Gegenseite; möglich ist aber auch die Verwendung eines Höhenausgleichsschuhs. Diese sind unter Nummer 31.03.03.8 gelistet und sollen bei 3 bis 5 cm starken Laufsohlen der Verband- oder Entlastungsschuhe zum Einsatz kommen. Dabei ist zu beachten, dass der Höhenausgleichsschuh aus derselben Serie desselben Herstellers wie der kontralaterale Therapieschuh stammen muss. Dies dürfte in der Praxis allerdings schwierig werden, da bislang nur ein Schuh gelistet ist.
31.03.07
Diabetesadaptierte Fußbettung
Die wichtigste Veränderung im Bereich der DAF bezieht sich auf den Schuh, in dem diese getragen werden darf. War bislang auch die Kombination mit einlagengerechtem, konfektioniertem Schuhwerk möglich, so ist diese jetzt nur noch mit Spezialschuhen bei Diabetischem Fußsyndrom oder mit orthopädischen Maßschuhen erlaubt. Eine DAF, die in „handelsübliche Konfektionsschuhe, Sandalen, Clogs und weitere ungeeignete Schuhe“ eingepasst wird, gehört nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
Als Indikation ist analog zur Versorgungsempfehlung der AG Fuß in der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) der Zustand nach abgeheiltem plantarem Fußulkus benannt. Allerdings ist im Hilfsmittelverzeichnis (HMV) die Indikation – anders als in der Versorgungsempfehlung der DDG – an die Kombination mit einer Polyneuropathie und/oder Angiopathie gekoppelt. Auch die Begleitkomplikationen, die laut AG Fuß auch schon vor dem Auftreten eines Ulkus die Versorgung mit einer DAF rechtfertigen können, wurden leider nicht ins HMV übernommen: Eine DAF ist laut HMV nicht zur Behandlung einer akuten Ulzeration geeignet.
Ein verstärktes Augenmerk wird bei der Fortschreibung der Produktgruppe auch auf den Wirksamkeitsnachweis gerichtet. Wurde bislang nur allgemein eine „Prüfung der Druckumverteilung“ gefordert, so ist jetzt der gemessene Nachweis einer 30-prozentigen Reduktion der Druckspitzen bei gleichzeitiger gleichmäßiger Druckverteilung zwingend erforderlich.
Die sonstigen indikations- bzw. einsatzbezogenen Qualitätsanforderungen wurden unverändert übernommen. Das bedeutet, dass nach wie vor das Tiefziehen als Fertigungsmethode vorgegeben ist. Schäumtechniken, Frästechniken oder gar 3D-Druck sind damit lediglich für die Modellerstellung, aber nicht für die Fertigung der DAF erlaubt. Ergänzt wurde lediglich eine detailliertere Beschreibung der drei zu verwendenden Schichten. Diese sollen nun unterschiedliche Shorehärten – in Richtung der Brandsohle zunehmend – besitzen und somit zum Fuß hin dämpfen bzw. polstern und nach unten hin stabilisieren. Die Materialauswahl soll sich des Weiteren an der Indikation und dem Patientengewicht orientieren und ggf. eine zusätzliche Punktentlastung ermöglichen. Die Mindeststärke an der dünnsten Stelle ist nach wie vor mit 8 mm angegeben.
Für den Orthopädie-Techniker werden im Wesentlichen die Abrechnungspositionen 31.03.07.0003 „Diabetesadaptierte Fußbettung für den Spezialschuh bei Diabetischem Fußsyndrom“ und 31.03.07.0005 „Diabetesadaptierte Fußbettung als Ersatzbettung für den Spezialschuh bei diabetischem Fußsyndrom“ relevant sein. Die Nutzungsdauer der Bettungen sollte mindestens 12 Monate betragen. Ein früherer Ersatz bei erhöhtem Verschleiß oder Fußveränderung ist im Einzelfall möglich.
31.03.08
Spezialschuhe bei Diabetischem Fußsyndrom
Angesichts der Tatsache, dass die Produktart 31.03.08.0 bislang nur als geplante Produktart „Konfektionierte Schutzschuhe für Diabetiker“ verfügbar war, ist sie mit 24 Einzelprodukten schon gut gefüllt. Bewegte sich die Versorgung mit solchen Schuhen also bislang in einer Grauzone, sind die Rahmenbedingungen nun klar formuliert. Bei manchen Herstellern und Verordnern dürfte dies allerdings für Unruhe sorgen, denn die indikations- und einsatzbezogenen Qualitätsanforderungen sehen ausdrücklich nur geschlossene Schuhschaftsysteme vor – Sandalenformen sind somit ausgeschlossen.
Die sonstigen Anforderungen orientieren sich im Wesentlichen an den Forderungen der DDG oder gehen teilweise sogar darüber hinaus. So ist beispielsweise die Höhe des Zehenraums mit mindestens 22 mm bei Frauen und mindestens 24 mm bei Männern (jeweils zuzüglich des Platzes für eine DAF, die an der dünnsten Stelle mindestens 8 mm beträgt) exakt vorgegeben. Ebenso sind die maximale Absatzhöhe (30 mm), der minimale Fersenhub (10°) und der minimale Spitzenhub (14°) eindeutig definiert. Des Weiteren müssen die Schuhe in mindestens drei Weiten angeboten werden. Der medizinische Nutzen muss vom Hersteller durch Fallserien und Anwendungsbeobachtungen nachgewiesen werden.
Im Gegensatz zu den Verbandschuhen erfolgt die Versorgung mit Spezialschuhen bei Diabetischem Fußsyndrom immer paarweise. Als Standardindikation ist der Zustand nach abgeheiltem Ulkus anzusehen, dann zwangsläufig in Kombination mit einer DAF. Der Spezialschuh kann aber auch zur Vermeidung drohender dorsaler Ulcera bei nicht ausreichender Zehenhöhe im Konfektionsschuh eingesetzt werden. In diesem Fall kann die Versorgung auch mit Weichbettungseinlagen aus der PG 08 kombiniert werden. Für die Behandlung eines akuten Fußulkus ist der Spezialschuh laut HMV nicht geeignet.
Zusammenfassung
Bei der Versorgung mit Verbandschuhen und Fußteil-Entlastungsschuhen ist ein kontralateraler Längenausgleich mit einem Höhenausgleichschuh möglich, allerdings muss er aus derselben Serie desselben Herstellers stammen wie der Therapieschuh. Die Kombination eines Verband- oder Entlastungsschuhs mit einer Diabetesadaptierten Fußbettung ist nicht möglich.
Die Spezialschuhe bei Diabetischem Fußsyndrom wurden mit detaillierter Beschreibung neu ins Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen, allerdings dürfen nur noch geschlossene Schuhe zum Einsatz kommen.
Die Versorgung mit Diabetesadaptierten Fußbettungen ist für Orthopädie-Techniker nur noch in Spezialschuhen bei Diabetischem Fußsyndrom möglich. Indikation ist ausschließlich der Zustand nach abgeheiltem Ulkus. Nach wie vor müssen DAFs aus drei Schichten tiefgezogen werden und mindestens 8 mm dick sein.
Die in der nationalen Versorgungsleitlinie „Typ-2-Diabetes: Präventions- und Behandlungsstrategien für Fußkomplikationen“ enthaltenen „Verordnungskriterien zur Schuhversorgung beim Diabetischen Fußsyndrom“ finden sich nur rudimentär in den Anforderungen des HMV wieder bzw. werden teilweise sogar konterkariert.
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