Aus­tausch bringt das Fach nach vorn

Persönlicher Austausch. In vielen Interviews im Vorfeld der OTWorld 2022 fielen diese zwei Worte. Sie beschrieben die Sehnsucht der Branche, die Corona-Pandemie endlich mit einem richtigen Schlussstrich hinter sich zu lassen und sich in einer – zugegebenermaßen – neuen Normalität dem Heute und vor allem dem Morgen der Patientenversorgung zu widmen. Das ist – und dies kann man ohne jeden Zweifel sagen – gelungen.

Die Hal­len der Leip­zi­ger Mes­se waren gut gefüllt, die Men­schen kamen aus nah und fern – ein Drit­tel der Besucher:innen nahm sogar den Weg aus dem Aus­land auf sich, um in den Dia­log mit den Branchenkolleg:innen zu tre­ten. Dabei hät­ten die Men­schen vor allem die Kon­gress­bei­trä­ge bequem vor dem eige­nen Bild­schirm ver­fol­gen kön­nen, ohne coro­na­kon­form nach Sach­sen zu rei­sen. Doch es hät­te – Sie ahnen es schon – eine wich­ti­ge Kom­po­nen­te der Kom­mu­ni­ka­ti­on gefehlt: der per­sön­li­che Austausch.

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So war es wenig ver­wun­der­lich, dass mit einem Mix aus in der Pan­de­mie erlern­ten und erprob­ten Ver­hal­tens­wei­sen und bereits vor 2020 eta­blier­ten Umgangs­for­men mit­ein­an­der kom­mu­ni­ziert wur­de. „Die OTWorld ist das inter­na­tio­na­le Klas­sen­tref­fen. Hier kom­men Exper­ten aus aller Welt und allen Dis­zi­pli­nen zusam­men. Es geht um fach­li­chen Aus­tausch, um gemein­sa­mes Strei­ten um die bes­ten Ver­sor­gungs­lö­sun­gen – und wie man sie für Pati­en­ten zugäng­lich macht. Gera­de in schwie­ri­gen Zei­ten braucht es den per­sön­li­chen Aus­tausch“, kom­men­tiert Alf Reu­ter, Prä­si­dent des Bun­des­in­nungs­ver­ban­des für Ortho­pä­die-Tech­nik (BIV-OT), die OTWorld. „Es war über­fäl­lig und das hat man in jeder Hal­le und jedem Saal gemerkt: Das Zwi­schen­mensch­li­che – das wech­sel­sei­ti­ge Inter­es­se an den Erfah­run­gen der ande­ren macht den Unter­schied. Nur durch den Aus­tausch der Erfah­run­gen unter Kol­le­gen ent­wi­ckelt sich unser Fach wei­ter. Man konn­te sich in die­sem Jahr voll und ganz auf die­sen Aus­tausch kon­zen­trie­ren. Und wer dabei den einen oder ande­ren Vor­trag ver­passt hat – der schaut ein­fach in die digi­ta­le Media­thek. Ich wer­de hier das eine oder ande­re sicher nach­ho­len müs­sen“, erklär­te Reu­ter weiter.

Lau­ter­bach eröffnet

Prof. Dr. Karl Lau­ter­bach hat als Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter aktu­ell viel Arbeit auf sei­nem Schreib­tisch lie­gen. Den­noch ließ er es sich nicht neh­men – zumin­dest vir­tu­ell – die OTWorld zu eröff­nen. Eine beson­de­re Wert­schät­zung, die den Stel­len­wert der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung in der Gesund­heits­ver­sor­gung zeigt. „Ich nut­ze die Gele­gen­heit ger­ne, um Ihnen allen dafür Dan­ke zu sagen, dass Sie die Ver­sor­gung unter erschwer­ten Bedin­gun­gen auf­recht­erhal­ten haben“, lob­te er den Ein­satz der Betrie­be in der Coro­na-Pan­de­mie. Den Stel­len­wert der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung sieht er in der Zukunft wei­ter wach­sen: „Der Bedarf an Hilfs­mit­teln wird in den kom­men­den Jah­ren und Jahr­zehn­ten welt­weit dyna­misch zuneh­men. Die Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung ist ein ele­men­ta­rer Bau­stein für eine inklu­si­ve Gesellschaft.“
Alf Reu­ter sorg­te mit der Begrü­ßung einer Dele­ga­ti­on des ukrai­ni­schen Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums für einen beson­de­ren Gän­se­haut­mo­ment in der auch ansons­ten emo­tio­na­len Eröff­nungs­ver­an­stal­tung. Über­haupt: Der rus­si­sche Angriffs­krieg war Bestand­teil vie­ler Gesprä­che an Mes­se­stän­den und auch im Kon­gress. Der Bun­des­in­nungs­ver­band für Ortho­pä­die-Tech­nik posi­tio­nier­te sich klar und drück­te die Ver­bun­den­heit mit dem ukrai­ni­schen Volk mit einem Anste­cker in den blau-gel­ben Lan­des­far­ben aus.

Ein Novum im Rah­men der OTWorld war die Über­rei­chung des René-Baum­gart­ner-Prei­ses im Namen der Deut­schen Gesell­schaft für inter­pro­fes­sio­nel­le Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung e. V. (DGIHV). Baum­gart­ners Toch­ter Colet­te bedank­te sich in Leip­zig per­sön­lich im Namen ihrer Fami­lie für die Ehre der Namens­ge­bung durch den 2018 ver­stor­be­nen „Brü­cken­bau­er“ der Tech­ni­schen Ortho­pä­die. Den Preis ent­ge­gen­neh­men durf­ten der Ehren­prä­si­dent des BIV-OT und Initia­tor der DGIHV, Klaus-Jür­gen Lotz, sowie Prof. Dr. med. Hein­rich Heß für ihr her­aus­ra­gen­des Enga­ge­ment in der tech­ni­schen und medi­zi­ni­schen Ortho­pä­die. Über­reicht wur­de der René-Baum­gart­ner-Preis vom DGIHV-Vor­sit­zen­den Prof. Dr. med. Wolf­ram Mit­tel­mei­er und, in sei­ner Funk­ti­on als DGIHV-Vor­stand, Alf Reuter.

Für die Kon­gress­prä­si­den­ten Dipl.-Ing. Mer­kur Ali­mus­aj und Prof. Dr. Mar­tin Engel­hardt ende­ten zwei arbeits­rei­che Jah­re mit ihrem Höhe­punkt in Leip­zig. Bei­de Prä­si­den­ten beton­ten ein­mal mehr, dass vor allem die Pro­gramm­ge­stal­tung mit den Schwer­punk­ten Aus­bil­dung und Sport­ver­sor­gung eine beson­de­re Her­zens­an­ge­le­gen­heit gewe­sen sei. Wie viel­fäl­tig die Auf­ga­ben des Kon­gress­prä­si­den­ten sein kön­nen, erleb­ten die bei­den Prot­ago­nis­ten des Kon­gres­ses am eige­nen Leib. Wäh­rend Prof. Engel­hardt den Bran­chen­nach­wuchs beim tra­di­tio­nel­len Get-tog­e­ther der Jugend.Akademie TO mit der Grill­zan­ge in der Hand ver­sorg­te, stand Mer­kur Ali­mus­aj „bewaff­net“ mit aktu­el­len Pro­the­sen­ver­sor­gun­gen im TV-Stu­dio und sprach mit einem Mode­ra­tor und des­sen Publi­kum über die OTWorld und die aktu­el­le Ent­wick­lung der Hilfsmittelversorgung.

2024 kom­men die­se und wei­te­re Auf­ga­ben auf das neue Füh­rungs­duo an der Kon­gress­spit­ze zu. Mit OTM Ingo Pfef­fer­korn, Ortho­pä­die-Tech­nik Schar­pen­berg, und Prof. Dr. med. Tho­mas Wirth, Ärzt­li­cher Direk­tor der Ortho­pä­di­schen Kli­nik Stutt­gart, wur­den erneut aus­ge­wie­se­ne Fach­män­ner aus dem Bereich Tech­nik und Medi­zin gefunden.

Inspi­rie­ren­de Keynotes

Eine Auf­ga­be des Pro­gramm­ko­mi­tees wird es dann sein, wie­der ähn­lich hoch­ka­rä­ti­ge Key­note-Spea­k­er wie in die­sem Jahr zu fin­den. Mit Prof. Dr. Ken­ton Kauf­man, Prof. Dr. Ber­tolt Mey­er, Prof. Dr. Sami Had­da­din und dem Dop­pel­vor­trag von Prof. Dr. Oskar Aszmann und Dr. Agnes Stur­ma wur­den die Besucher:innen nicht nur infor­miert, son­dern auch inspi­riert, wel­ches Poten­ti­al in der Bran­che schlum­mert und dass es sich lohnt, den eige­nen Blick über den berühm­ten Tel­ler­rand schwei­fen zu lassen.

Apro­pos berühmt. Die Viel­zahl von Stars und Stern­chen bei die­ser OTWorld war wie­der ein­mal beein­dru­ckend. Beson­ders Sportler:innen waren gefrag­te Gäs­te auf den Mes­se­stän­den. Ein beson­de­res High­light war mit Sicher­heit der Besuch von Dirk Nowitz­ki. Mit den blau­en Tri­kots „sei­ner“ Dal­las Mavericks oder Bas­ket­bäl­len aus­ge­stat­tet zogen die Besucher:innen zum Stand der Bau­er­feind AG, um die deut­sche Bas­ket­bal­li­ko­ne zu sehen. Meh­re­re hun­dert Men­schen lie­ßen sich den rund halb­stün­di­gen Impuls­vor­trag des gebür­ti­gen Würz­bur­gers nicht ent­ge­hen, der anschlie­ßend auf der Büh­ne Platz nahm und in sei­ner sym­pa­thi­schen Art und Wei­se Fra­gen beant­wor­te­te. Und weil Nowitz­ki ein Star zum Anfas­sen ist, ließ er es sich auch nicht neh­men, fast 20 Minu­ten für Auto­gram­me und Fotos parat zu ste­hen. Höhe­punkt dabei war, als der 2,13 Meter gro­ße Bas­ket­bal­ler ein klei­nes Kind in die Hän­de gedrückt bekam für einen ganz beson­de­ren Schnapp­schuss. Mit gol­de­nen Medail­len von Olym­pi­schen und Para­lym­pi­schen Spie­len deko­riert waren Johan­nes Flo­ors, Fabi­an Ham­bü­chen oder auch Lars Rie­del wei­te­re Sport­stars, die auf Hilfs­mit­tel set­zen und bei der OTWorld vor Ort waren.

Ver­sor­gungs­rea­li­tät näher bringen

Dass sich ein Besuch auf der OTWorld lohnt, dass wis­sen nicht nur Bran­chen­in­si­der. Doch wie erhal­ten bei­spiels­wei­se Mediziner:innen oder Kos­ten­trä­ger, die wei­te­re wich­ti­ge Zahn­rä­der in der Pati­en­ten­ver­sor­gung sind, ein­fa­chen Zugang zu der Ver­sor­gungs­rea­li­tät der Ortho­pä­die-Tech­nik? Mit den Ver­sor­gungs­wel­ten „Lym­ph­er­kran­kun­gen“, ­„Leben mit Cere­bral­pa­re­se“ oder „Ein­la­gen“ ist ein Ver­such gestar­tet wor­den, mit Hil­fe von jeweils fünf Sta­tio­nen die Ver­sor­gungs­in­hal­te auf­zu­be­rei­ten. „Es braucht mehr als einen 2D-Scan, wie er gera­de in der Online-Ein­la­gen­ver­sor­gung ein­ge­setzt wird. Auch ein zusätz­li­cher Fra­ge­bo­gen lie­fert nicht alle rele­van­ten Daten“, erklär­te Dr. Annet­te Kerkhoff, Pro­jekt­lei­te­rin des Kom­pe­tenz­zen­trums Ortho­pä­die­schuh­tech­nik (Kom­Zet O.S.T.), die zusam­men mit Jür­gen Stumpf, Mit­glied im OST-Bera­tungs­aus­schuss der Deut­schen Gesell­schaft für Ortho­pä­die und Unfall­chir­ur­gie e. V. (DGOU), auf Initia­ti­ve zahl­rei­cher Fach­ver­bän­de und ‑gesell­schaf­ten die Ver­sor­gungs­welt „Ein­la­gen“ für die OTWorld geplant hat, und macht damit deut­lich, wie aktu­ell Fra­ge­stel­lun­gen für eine qua­li­ta­ti­ve Ver­sor­gung sind.

Vier Jah­re „Lei­dens­zeit“

„Ich freue mich sehr, dass die ers­te OTWorld in Prä­senz nach vier Jah­ren aus­ge­spro­chen erfolg­reich ver­lau­fen ist. Über 90 Pro­zent der Aus­stel­ler und Besu­cher hat­ten eine erfolg­rei­che Mes­se, wol­len sich wie­der betei­li­gen und wer­den die Ver­an­stal­tung wei­ter­emp­feh­len“, bilan­zier­te Mar­tin Buhl-Wag­ner, Geschäfts­füh­rer der Leip­zi­ger Mes­se. „Beein­dru­ckend ist die hohe inter­na­tio­na­le Prä­senz. Das zeigt, wie not­wen­dig im In- und Aus­land der grenz­über­grei­fen­de Aus­tausch ein­ge­schätzt wird.“

Das bele­gen auch die nack­ten Zah­len. 18.800 Ortho­pädietechniker:innnen, Orthopädieschuh­macher:innen, Mediziner:innen und Physiotherapeut:innen aus 86 Län­dern waren 2022 in Leip­zig zu Gast. Ins­ge­samt 440 Aus­stel­ler und 300 Kongressreferent:innen sorg­ten für einen Ein­blick in die Ver­sor­gung von mor­gen. Und weil die­ses „mor­gen“ in gar nicht all­zu wei­ter Fer­ne ist, lohnt es sich bereits heu­te, den Ter­min für die kom­men­de OTWorld im Kalen­der zu mar­kie­ren. Vom 14. bis zum 17. Mai 2024 steht der nächs­te gro­ße Bran­chen­treff an und damit die nächs­te Mög­lich­keit sich per­sön­lich auszutauschen.

Micha­el Blatt, Hei­ko Cor­des, Jana Sudhoff

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