Stu­di­en­ergeb­nis­se zu den Vor­tei­len eines akti­ven Prothesenfußes

B. Frasure
„Empower“ ist ein aktiver mikroprozessorgesteuerter Prothesenfuß, der die Funktion der biologischen Wadenmuskulatur und der Achillessehne nachahmt und ein physiologischeres Gangbild ermöglicht. Der Artikel beschreibt technische Hintergründe und vermittelt einen Überblick über bereits veröffentlichte Studienergebnisse und Anwendervorteile.

Ein­lei­tung

Der mensch­li­che Waden­mus­kel erzeugt nahe­zu 80 % der zum Gehen erfor­der­li­chen mecha­ni­schen Arbeit 12 . Das Modell „Empower“ (eine Wei­ter­ent­wick­lung des Modells „BiOM T2“) ist der ers­te und ein­zi­ge kom­mer­zi­ell erhält­li­che Pro­the­sen­fuß mit akti­vem Antrieb, der die Funk­ti­on des mensch­li­chen Waden­mus­kels nach­ahmt und beim Gehen mehr Ener­gie an den Ampu­tier­ten abgibt, als er auf­nimmt 3. Eine Viel­zahl von Stu­di­en belegt, dass dies zu einer deut­li­chen Erhö­hung der selbst­ge­wähl­ten Geh geschwin­dig­keit, einer Ver­rin­ge­rung des Ener­gie­ver­brauchs, einer gerin­ge­ren Belas­tung des Bewe­gungs­ap­pa­ra­tes sowie einer Ver­bes­se­rung der Bio­me­cha­nik des gesam­ten Kör­pers beim Gehen führt 245. Des Wei­te­ren wer­den neben ebe­nem Gehen auch das Trep­pen­stei­gen und das Her­auf­ge­hen von Schrä­gen zum Vor­teil des Anwen­ders aktiv unter­stützt 6.

Tech­no­lo­gie

Die effek­ti­ve Nach­ah­mung ver­lo­ren­ge­gan­ge­ner Waden­mus­kel­funk­tio­na­li­tät wird maß­geb­lich durch drei tech­no­lo­gisch neu­ar­ti­ge Funk­tio­nen ermög­licht: Zum einen bie­tet der Empower eine akti­ve Plant­ar­fle­xi­on am Ende der Stand­pha­se zur Unter­stüt­zung des Zehen­ab­sto­ßes. Des Wei­te­ren wird kon­ti­nu­ier­lich die Fer­sen­stei­fig­keit nach Initi­al­kon­takt gere­gelt, was zu einer Redu­zie­rung der Stoß­be­las­tung bei­trägt und auch die mög­li­che Geh­ge­schwin­dig­keits­än­de­rung opti­mal unter­stützt. Schließ­lich kön­nen Ener­gie­zu­fuhr und Wider­stän­de per Ein­stell­soft­ware indi­vi­du­ell auf den Anwen­der fein­jus­tiert wer­den, um des­sen Gang­bild wei­ter dem phy­sio­lo­gi­schen Vor­bild anzunähern.

Die Steue­rung des in Abbil­dung 1 dar­ge­stell­ten Knö­chel­ge­lenks wird durch drei Mikro­pro­zes­so­ren, sechs Sen­so­ren und eine bio­mime­ti­sche Steue­rungs­firm­ware rea­li­siert. Das Sys­tem ist in der Lage, Fer­sen­wi­der­stand, Feder­span­nung sowie das Antriebs­mo­ment 500 Mal pro Sekun­de anzu­pas­sen. Ähn­lich der Kon­trol­le von Mus­kel­seh­nen und neu­r­a­len Refle­xen beim mensch­li­chen Knö­chel­ge­lenk arbei­tet der Empower mit einem posi­ti­ven Moment-Feed­back. Eine Erhö­hung des erfass­ten Moments im pro­the­ti­schen Knö­chel­ge­lenk führt direkt zu einer Stei­ge­rung des vom Antrieb erzeug­ten Dreh­mo­ments für die akti­ve Plant­ar­fle­xi­on. Dadurch wird eine auto­ma­ti­sche Anpas­sung der Ener­gie­zu­fuhr bei wech­seln­den Geh­ge­schwin­dig­kei­ten und Nei­gun­gen des Unter­grunds erreicht: Je mehr der Empower belas­tet wird, des­to stär­ker ist auch die direk­te Ant­wort bzw. die akti­ve Plant­ar­fle­xi­on im sel­ben Schritt.

Über die­ses grund­le­gen­de Wirk­prin­zip hin­aus kann der Empower über die Ein­stell­soft­ware wei­ter an den indi­vi­du­el­len Anwen­der ange­passt wer­den. Im Ein­stell­pro­zess erfas­sen die ein­ge­bau­ten Sen­so­ren aus­ge­wähl­te Para­me­ter in der Schritt­ab­wick­lung. Die­se wer­den in der Soft­ware visua­li­siert und kön­nen direkt mit phy­sio­lo­gi­schen Refe­renz­da­ten ver­gli­chen und auch ange­passt wer­den. Somit ent­spricht bei ord­nungs­ge­mä­ßer Ein­stel­lung die Schritt­ab­wick­lung im Pro­the­sen­fuß der dyna­mi­schen Nach­bil­dung eines phy­sio­lo­gi­schen Fußes über das gesam­te Geh­ge­schwin­dig­keits­spek­trum 35.

Über­sicht über ver­öf­fent­lich­te Studienergebnisse

Geh­ge­schwin­dig­keit

Bei Ver­wen­dung kon­ven­tio­nel­ler Pro­the­sen, die kei­ne akti­ve Plant­ar­fle­xi­on bie­ten, ist die selbst­ge­wähl­te Geh­ge­schwin­dig­keit von Ampu­tier­ten um 11 bis 40 % lang­sa­mer als bei Men­schen mit intak­ten Glied­ma­ßen 7. Espo­si­to 2 hat eben­so wie Gra­bow­ski und D’Andrea 8 auf­ge­zeigt, dass bei Ver­wen­dung eines aktiv ange­trie­be­nen Fuß­pass­teils die gemes­se­ne maxi­ma­le Knö­chel­leis­tung über einen wei­ten Geschwin­dig­keits­be­reich von 0,75 m/s bis 1,75 m/s der von Nicht­am­pu­tier­ten ent­spricht und dass die Ener­gie­rück­ga­be im Ver­gleich zu kon­ven­tio­nel­len Pro­the­sen erheb­lich höher ist (p < 0,05).

Herr und Gra­bow­ski 3 haben gezeigt, dass unter­schen­kel­am­pu­tier­te Anwen­der eine selbst­ge­wähl­te Geh­ge­schwin­dig­keit von durch­schnitt­lich 1,4 m/s mit dem aktiv ange­trie­be­nen Knö­chel­ge­lenk errei­chen, die jener von Nicht­am­pu­tier­ten ent­spricht (p = 0,97) und um durch­schnitt­lich 23 % schnel­ler ist als mit einer Pro­the­se ohne Ener­gie­zu­fuhr (p = 0,008). Auch in der Stu­die von Gates et al. 5 wur­de die Fähig­keit des Pro­the­sen­fu­ßes, die selbst­ge­wähl­te Geh­ge­schwin­dig­keit zu erhö­hen, beim Gehen auf unebe­nem Unter­grund unter Beweis gestellt. Die selbst­ge­wähl­te Geh geschwin­dig­keit der Anwen­der in stei­ni­gem Gelän­de war mit dem aktiv ange­trie­be­nen Knö­chel­ge­lenk um 10 % schnel­ler (1,16 m/s) als mit einer Pro­the­se ohne Ener­gie­zu­fuhr (1,05 m/s, p = 0,031).

Ener­gie­ver­brauch beim Gehen

Herr und Gra­bow­ski 3 haben, wie in Abbil­dung 2 dar­ge­stellt, gezeigt, dass der Ener­gie­ver­brauch beim Gehen in einem Geschwin­dig­keits­be­reich von 1,0 m/s bis 1,75 m/s bei Ver­wen­dung des aktiv ange­trie­be­nen Knö­chel­ge­lenks deut­lich nied­ri­ger ist als bei Pro­the­sen ohne Ener­gie­zu­fuhr (p < 0,05) und annä­hernd dem von Nicht­am­pu­tier­ten ent­spricht (p > 0,5 bei 1,0–1,5 m/s; p = 0,17 bei 1,75 m/s). Auch in den Stu­di­en von Espo­si­to et al. 2 und von Rus­sell et al. 4 wird die Fähig­keit des Knö­chel­ge­lenks demons­triert, den Ener­gie­be­darf zu ver­rin­gern. Anwen­der, die das aktiv ange­trie­be­ne Knö­chel­ge­lenk ver­wen­den, berich­ten von einem gestei­ger­ten Akti­vi­täts­ni­veau nach der Ver­sor­gung mit dem Prothesenfuß.

Belas­tung des Bewegungsapparates

Pas­si­ve Pro­the­sen kön­nen die phy­sio­lo­gi­sche Knö­chel­ge­lenk­me­cha­nik nur unzu­rei­chend ener­ge­tisch nach­bil­den. Das führt zu erhöh­ten Gelenk­be­las­tun­gen des gesun­den Beins 9. Die­se unna­tür­li­chen Gelenk­be­las­tun­gen sind poten­zi­ell für das ver­mehr­te Auf­tre­ten von Osteo­ar­thro­se bei Ampu­tier­ten ver­ant­wort­lich. Bei­spiels­wei­se liegt eine Gonar­thro­se 17 Mal häu­fi­ger bei Unter­schen­kel­am­pu­tier­ten vor als bei gleich­alt­ri­gen Nicht­am­pu­tier­ten 10.

Die Stu­di­en von Espo­si­to et al. 2, Herr und Gra­bow­ski 3, Rus­sell et al. 4 sowie Gra­bow­ski und D’Andrea 8 haben gezeigt, dass das aktiv ange­trie­be­ne Knö­chel­ge­lenk beim Absto­ßen des Pro­the­sen­beins signi­fi­kant mehr Abstoß­ar­beit leis­tet als eine Pro­the­se ohne Ener­gie­zu­fuhr (p < 0,006 im Geschwin­dig­keits­be­reich von 0,75 m/s bis 1,75 m/s). Beson­de­re Auf­merk­sam­keit gilt der Aus­sa­ge von Gra­bow­ski und D’Andrea im Jour­nal of Neu­roen­gi­nee­ring and Reha­bi­li­ta­ti­on 8, wonach „die Ver­wen­dung eines Pro­then­fu­ßes, der eine net­to posi­ti­ve mecha­ni­sche Arbeit leis­tet, unter Umstän­den das Risi­ko von Begleit­erkran­kun­gen wie Gonar­thro­se ver­rin­gern kann“.

Sturz­ri­si­ko

Das Sturz­ri­si­ko wird vom Gesamt­dreh­im­puls des Kör­pers beein­flusst. Die­ser wird beim Gehen sehr genau durch Mus­kel­kräf­te regu­liert, um die Balan­ce in der Bewe­gung zu gewähr­leis­ten. Eine Peer-Review-Stu­die hat gezeigt, dass der Pro­the­sen­fuß mit akti­ver Ener­gie­zu­fuhr Dreh­im­puls­schwan­kun­gen beim ebe­nen Gehen im bevor­zug­ten Geschwin­dig­keits­be­reich im Ver­gleich zu Pro­the­sen ohne Ener­gie­zu­fuhr redu­ziert (p = 0,04), was auf ein ver­rin­ger­tes Sturz­ri­si­ko bei Ver­wen­dung des Pro­the­sen­fu­ßes mit akti­ver Ener­gie­zu­fuhr hin­weist 11.

Fazit

Es lie­gen zahl­rei­che kli­ni­sche Nach­wei­se vor, dass der Pro­the­sen­fuß „Empower“ den Ampu­tier­ten der unte­ren Extre­mi­tät eine akti­ve Ener­gie­un­ter­stüt­zung bie­tet, die mit der Unter­stüt­zung durch die Waden­mus­ku­la­tur beim Gehen von Nicht­am­pu­tier­ten ver­gleich­bar ist. Dadurch sind die Anwen­der in der Lage, mit vari­ie­ren­den Schritt­fre­quen­zen und Geh­ge­schwin­dig­kei­ten auf dem Niveau von Nicht­am­pu­tier­ten bei ver­gleich­ba­rem Ener­gie­ver­brauch zu gehen. Geht die glei­che Anwen­der­grup­pe mit pas­si­ven Pro­the­sen ohne Ener­gie­zu­fuhr, redu­ziert sich die Geh­ge­schwin­dig­keit bei erhöh­tem meta­bo­li­schem Ener­gie­ver­brauch. Wei­ter­hin zei­gen Stu­di­en, dass durch die unter­stüt­zen­de Ener­gie­zu­fuhr bzw. die Nor­ma­li­sie­rung der Knö­chel­me­cha­nik Gang­un­re­gel­mä­ßig­kei­ten gemin­dert wer­den, die ursäch­lich für Über­las­tun­gen der erhal­te­nen Sei­te sind – mit den bekann­ten mög­li­chen Fol­gen (z. B. Osteoarthrose).

Der Autor:
Bri­an Frasure
Bio­nX Medi­cal Tech­no­lo­gies Inc.
4 Crosby Drive
Bedford, Mas­sa­chu­setts 01730
USA
contact@bionxmed.com

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