Unter dem Motto „Thinking outside the box“ diskutierten Mediziner, Therapeuten und Forscher aktuelle Entwicklungen in der Behandlung von Lymphödemen und Lipödemen. Dabei rückten alarmierende Zahlen zu Fehldiagnosen in den Fokus.
Nur jede vierte Diagnose korrekt
Die Statistik ist ernüchternd: Zwischen 76 und 80 Prozent der Patientinnen, die sich in der Földiklinik und an der Charité Berlin eine Zweitmeinung zu ihrer Lipödem-Diagnose einholten, waren ursprünglich falsch diagnostiziert worden. Das berichteten Dr. Tobias Bertsch, wissenschaftlicher Leiter der Veranstaltung, und Physiotherapeutin Linda S. Roherty.
„Die Ursache liegt oft in Fehlinformationen, die zu therapeutischer Unsicherheit führen“, erklärte Bertsch. Diese falschen Diagnosen hätten weitreichende Konsequenzen für die Betroffenen – sowohl in medizinischer als auch psychologischer Hinsicht.
Unterschiedliche Therapieansätze erforderlich
Dr. Belinda Thompson präsentierte Forschungsergebnisse, die zeigen, dass Lipödem-Patientinnen keinen sogenannten „Dermal Backflow“ aufweisen – im Gegensatz zu Lymphödem-Patienten. Diese Erkenntnis unterstreicht die Notwendigkeit differenzierter Behandlungsansätze.
Die Experten betonten, dass bei der Lymphödem-Behandlung nach wie vor die manuelle Lymphdrainage einen zentralen Stellenwert einnimmt. Assoc. Prof. Louise Koelmeyer stellte innovative Anwendungen der Indocyaningrün-Bildgebung vor, mit deren Hilfe individuelle Drainagepunkte präziser identifiziert werden können.
Warnung vor vorschnellen Eingriffen
Nicht alle Patienten kommen für eine Lymphchirurgie infrage, warnte Prof. Christian Taeger. Entscheidend sei der Austausch zwischen Ärzten und Therapeuten, um maßgeschneiderte Therapien zu entwickeln. Lymphtherapeutin Linda Hodgkins mahnte zur Vorsicht: „Nicht jedes Ödem ist automatisch ein Lymphödem – die Ursachen können vielfältig sein.“
Dr. Michael Oberlin zeigte anhand von Fallbeispielen, dass Lymphödeme auch Symptome genetischer Syndrome sein können, etwa des Emberger‑, Überwuchs- oder Noonan-Syndroms.
Adipositas erschwert Behandlung
Adipositas als häufige Begleiterkrankung des Lipödems beeinflusse die Prognose erheblich, erläuterten die Referenten. PD Tim Hollstein präsentierte Stoffwechselanalysen, die zeigen, dass Menschen mit hohem Energieverbrauch leichter Gewicht verlieren als solche mit einem „sparsamen“ Stoffwechsel.
Prof. Goran Marjanovic stellte die bariatrische Chirurgie als Behandlungsoption vor, betonte aber, dass eine frühzeitige Therapie entscheidend sei, um Organschäden zu vermeiden.
Gesellschaftskritische Töne
Dr. Jürg Traber regte eine gesellschaftskritische Diskussion an und forderte ein Umdenken bei normierten Schönheitsidealen. Er warnte vor „Disease Mongering“ – dem krankmachenden Pathologisieren normaler körperlicher Unterschiede.
Die psychologischen Aspekte standen ebenfalls im Fokus: Dr. Nichola Rumsey sprach über Resilienz als wichtige Fähigkeit im Umgang mit sozialem Druck. Psychologin Annemarieke Fleming betonte die Auswirkungen posttraumatischer Belastungsstörungen auf die körperliche Gesundheit.
Die Veranstalter kündigten bereits die 3. Internationalen Földiklinik-Tage für den 19. und 20. Juni 2026 in Hinterzarten an. Ziel sei es, die interdisziplinäre Lymphologie weiter voranzubringen und den fachlichen Austausch zu intensivieren.
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