Grund­la­gen der Ver­sor­gung chro­ni­scher Wunden

H. Kerler
Eine adäquate Wundreinigung ist eine unentbehrliche Grundlage, um eine chronische Wunde bei der Abheilung zu unterstützen. Die Auswahl des geeigneten Verfahrens richtet sich nach den im Folgenden beschriebenen Kriterien und der erreichten Wundheilungsphase. Die Therapie der Grunderkrankung – bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) die Revaskularisierung, bei der chronisch-venösen Insuffizienz (CVI) die Venenchirurgie, beim Dekubitus (Druckgeschwür) Druckverteilung oder -entlastung und beim diabetischen Ulcus Blutzuckereinstellung sowie wiederum Druckentlastung – ist die wichtigste Voraussetzung, um eine Wundheilung in Gang zu setzen. Berücksichtigt werden müssen dabei auch die verschiedenen Begleittherapien wie Kompressions-, Schmerz- und Ernährungstherapie, die je nach Wundursache zum Erfolg notwendig sind. Schließlich ist die wiederholte Schulung und Motivation von Patient und Angehörigen ein wichtiger Baustein, um diesen oft langen und anstrengenden Weg zu bewältigen.

Ein­lei­tung

Bei Wun­den unter­schei­det man aku­te und chro­ni­sche Wun­den. Im Gegen­satz zu einer aku­ten Wun­de, die meist ohne Kom­pli­ka­ti­on abheilt, erzeu­gen chro­ni­sche Wun­den eine Viel­zahl von Pro­ble­men, die die Wund­hei­lung ver­zö­gern oder sogar ver­hin­dern. Eine Wun­de, die trotz kau­sa­ler und fach­ge­rech­ter loka­ler Behand­lung inner­halb von 8 bis 12 Wochen kei­ne deut­li­che Hei­lungs­ten­denz auf­weist, wird als chro­nisch bezeichnet.

Im Gegen­satz zu aku­ten Wun­den gibt es bei chro­ni­schen Wun­den vie­le Stör­fak­to­ren, die eine Wund­hei­lung behin­dern. Die­se Stör­fak­to­ren kön­nen sowohl lokal – also direkt an der Wun­de – oder sys­te­misch – den gan­zen Kör­per betref­fend – auf­tre­ten. Wich­ti­ge Vor­aus­set­zun­gen einer erfolg­rei­chen Wund­hei­lung sind eine gründ­li­che Ana­mne­se und eine Wund­dia­gno­se, damit die Ursa­che der Wun­de mit­the­ra­piert wer­den kann.

Grund­er­kran­kun­gen und Wundarten

Peri­phe­re arte­ri­el­le Ver­schluss­krank­heit (pAVK)

Bei pAVK 1 2 han­delt es sich um einen Ober­be­griff für Ver­en­gun­gen oder Ver­schlüs­se der arte­ri­el­len Gefä­ße. Durch die Min­der­ver­sor­gung meist an den Bei­nen kommt es zu einem Man­gel an Sau­er­stoff und Nähr­stof­fen. Dadurch ent­ste­hen vor allem bei Belas­tung Waden­krämp­fe und Schmer­zen. Der Betrof­fe­ne bleibt ste­hen, die Sym­pto­me ver­bes­sern sich bis zur nächs­ten Belas­tung. Die Geh­stre­cken, die ohne Beschwer­den bewäl­tigt wer­den kön­nen, wer­den immer kür­zer  – bis zum Auf­tre­ten von Ruhe­schmer­zen. Bekannt ist die­ses Sym­ptom auch unter der Bezeich­nung Clau­di­ca­tio inter­mit­tens (Schau­fens­ter­krank­heit). Letzt­lich kommt es zum Abster­ben von Zel­len. Sicht­ba­re Zei­chen sind ein blas­ser, kal­ter und livi­de ver­färb­ter Fuß mit dün­ner per­ga­ment­ar­ti­ger Haut. Es fehlt die Behaa­rung, die Fuß­pul­se sind nicht tastbar.

Bei der Ana­mne­se ist die Erfas­sung der Risi­ko­fak­to­ren wich­tig, dazu gehö­ren z. B. Blut­hoch­druck, Fett­stoff­wech­sel­stö­run­gen und ein mög­li­cher Niko­tin­ab­usus – um nur eini­ge Fak­to­ren zu nen­nen. Wird die Durch­blu­tungs­si­tua­ti­on durch einen Ein­griff wie z. B. eine PTA (per­ku­ta­ne trans­lu­mi­na­le Angio­plas­tie) oder durch eine gefäß­chir­ur­gi­sche Ope­ra­ti­on nicht ver­bes­sert, kann trotz aller Bemü­hun­gen die Wund­hei­lung nicht fort­schrei­ten. Ent­steht nun – meist durch ein Baga­tell­trau­ma – eine Ver­let­zung, kann der Kör­per dem nur wenig an Hei­lung ent­ge­gen­set­zen. Dann ent­steht mög­li­cher­wei­se ein soge­nann­tes Ulcus cru­ris arte­rio­sum. Der Schwe­re­grad wird nach Fon­taine klassifiziert.

Chro­nisch-venö­se Insuf­fi­zi­enz (CVI)

Bei der CVI 1 2 hin­ge­gen kommt es durch eine Venen­in­suf­fi­zi­enz zu einem gestör­ten Rück­trans­port des Blu­tes aus den Bei­nen zum Her­zen. Das Blut staut sich in den tie­fen Venen. Schwe­re Bei­ne, das Auf­tre­ten eines Span­nungs­ge­fühls und Öde­me im Bereich der Sprung­ge­len­ke sind oft die ers­ten bemerk­ba­ren Sym­pto­me. Sicht­bar sind auch eine bräun­lich-rote Hyper­pig­men­tie­rung der Haut sowie ein tro­cke­nes, schup­pen­des und ris­si­ges Haut­bild. Auch hier ist eine Ana­mne­se zur Ermitt­lung der Risi­ko­fak­to­ren wie z. B. Über­ge­wicht, sit­zen­de oder ste­hen­de Tätig­keit, Schwan­ger­schaft, tie­fe Bein­ve­nen­throm­bo­sen oder Phle­bit­i­den ziel­füh­rend. Es muss ermit­telt wer­den, ob ein venen­chir­ur­gi­scher Ein­griff die Situa­ti­on ver­bes­sern kann oder ob das Tra­gen von Kom­pres­si­ons­strümp­fen bzw. die fach­ge­rech­te Anla­ge eines Kom­pres­si­ons­ver­ban­des aus­rei­chend ist. Beim Auf­tre­ten einer Wun­de spricht man von einem Ulcus cru­ris veno­sum, die Ein­tei­lung erfolgt nach Widmer.

Deku­bi­tus

Ein Deku­bi­tus 1 3 tritt meist bei Men­schen mit ein­ge­schränk­ter Mobi­li­tät oder bei bett­lä­ge­ri­gen Pati­en­ten auf. Hier­bei kommt es über einen län­ge­ren Zeit­raum zu einem erhöh­ten Druck an einer Stel­le – meist über einem knö­cher­nen Vor­sprung. Des Wei­te­ren begüns­ti­gen Rei­be- und Scher­kräf­te, wie sie etwa beim Trans­fer vom Bett in einen Stuhl ent­ste­hen kön­nen, Mikro­ver­let­zun­gen im Gewe­be. Die Höhe des Drucks und die Zeit­span­ne, in der er besteht, sowie die indi­vi­du­el­len Risi­ko­fak­to­ren des Pati­en­ten ent­schei­den über das Aus­maß der Schädigung.

Eine früh­zei­ti­ge Risi­ko­ein­schät­zung mit­tels einer geeig­ne­ten Ska­la, meist der Bra­den-Ska­la, ist hilf­reich, früh­zei­tig die rich­ti­gen Maß­nah­men zu pla­nen. Durch den erhöh­ten Druck kommt es zu einer Min­der­durch­blu­tung und zu einer ver­schlech­ter­ten Ver­sor­gung der Zel­len mit Sau­er­stoff. Auch dies führt nach einer gewis­sen Zeit zum Abster­ben der Zel­len. Erkenn­bar wird dies oft an einer Rötung, die sich nicht weg­drü­cken lässt. Kann der Pati­ent nicht allei­ne sei­ne Posi­ti­on ver­än­dern und/oder erhält er kei­ne Hil­fe­stel­lung für eine neue Posi­tio­nie­rung, kommt es zum Abster­ben von Gewe­be – ein Deku­bi­tus ent­steht. An der Haut­ober­flä­che ist oft nur die Spit­ze des Eis­ber­ges zu sehen – inwie­weit das Gewe­be in der Tie­fe geschä­digt ist, kann man oft erst im wei­te­ren Ver­lauf erken­nen. Hier kann nur durch eine früh­zei­ti­ge, kom­plet­te und kon­se­quen­te Druck­ent­las­tung der betrof­fe­nen Stel­le gegen­ge­steu­ert werden.

Die Ein­tei­lung der Gewe­be­schä­di­gung erfolgt anhand des „Exper­ten­stan­dards Decu­bi­tus­pro­phy­la­xe in der Pfle­ge” 3. Die Abgren­zung zu einer inkon­ti­nenz­as­so­zi­ier­ten Der­ma­ti­tis (IAD) bedarf der Personalschulung.

Dia­be­ti­scher Ulcus

Beim dia­be­ti­schen Ulcus 1 2 kommt es auf­grund einer Fol­ge­er­kran­kung des Dia­be­tes mel­li­tus zu einer Poly­neu­ro­pa­thie und damit zu einer Ver­än­de­rung des Gang­bil­des sowie zu einer Ver­for­mung des Fuß­ske­let­tes. Die­se bei­den Fak­to­ren füh­ren zu einer ver­än­der­ten Belas­tung der Füße beim Gehen. Dies ist oft noch mit einer pAVK kom­bi­niert. Ein wei­te­rer Fak­tor, der durch eine Poly­neu­ro­pa­thie aus­ge­löst wird, ist eine ver­än­der­te oder ganz feh­len­de Schmerz­wahr­neh­mung der Betrof­fe­nen. Oft spü­ren die­se nicht, „wenn oder wo der Schuh drückt”. Zusam­men mit der ver­än­der­ten Fuß­form (brei­ter, Fuß­ge­wöl­be senkt sich ab) ent­ste­hen Ulce­ra­tio­nen. Da die­se kei­ne Schmer­zen ver­ur­sa­chen, wer­den die­se Ver­let­zun­gen oft ver­harm­lost. Die Betrof­fe­nen suchen somit oft viel zu spät einen Arzt auf. Eine inkon­se­quen­te Ver­sor­gung des Ulcus, ver­bun­den mit der erhöh­ten Infek­ti­ons­ge­fahr und einer pAVK, kön­nen bis zur Ampu­ta­ti­on des betrof­fe­nen Bei­nes führen.

Wäh­rend der Behand­lung ist es wich­tig, die Blut­zu­cker­ein­stel­lung wenn nötig zu opti­mie­ren und abzu­klä­ren, wie die arte­ri­el­le Durch­blu­tungs­si­tua­ti­on sich dar­stellt. Ein wei­te­rer Schwer­punkt ist hier­bei die Schuh­ver­sor­gung: Der Betrof­fe­ne muss spe­zi­ell für ihn durch einen Ortho­pä­die-Schuh­tech­ni­ker maß­an­ge­fer­tig­te Schu­he tra­gen. Bei der Ein­tei­lung des dia­be­ti­schen Ulcus wird die Klas­si­fi­zie­rung nach Wagner/Armstrong verwendet.

Wund­hei­lungs­pha­sen

Auch ein adäqua­tes Fach­wis­sen im Bereich Wund­hei­lung ist für die loka­le Behand­lung der Wun­de wich­tig. Oft bleibt die Hei­lung in einer der drei Wund­hei­lungs­pha­sen – Exsu­da­ti­ons­pha­se, Gra­nu­la­ti­ons­pha­se und Epi­the­li­sie­rungs­pha­se – ste­cken oder ver­schlech­tert sich sogar. Zudem sind bei einer chro­ni­schen Wun­de oft meh­re­re Pha­sen gleich­zei­tig vor­han­den. Die Pha­sen im Einzelnen:

Exsu­da­ti­ons­pha­se

Die Exsu­da­ti­ons­pha­se 1 (Rei­ni­gungs­pha­se), auch inflamm­a­to­ri­sche Pha­se genannt, zeich­net sich durch eine ver­mehr­te Exsu­da­ti­on aus. Dadurch sol­len Bak­te­ri­en, Zell­trüm­mer und Schmutz aus der Wun­de gespült wer­den. Ent­steht eine Ver­let­zung an Haut und Gewe­be unter Betei­li­gung der Blut­ge­fä­ße, lei­tet der Kör­per unmit­tel­bar die Blut­ge­rin­nung durch eine soge­nann­te Vaso­konstrik­ti­on (Eng­stel­lung der Gefä­ße) ein. Durch Throm­bo­zy­ten­ag­gre­ga­ti­on wird das Blut­ge­fäß abge­dich­tet. Der Ein­satz von Makro­pha­gen (Fress­zel­len) unter­stützt am Ort des Gesche­hens die Immun­ab­wehr. Sicht­bar an der Wun­de in die­ser Wund­hei­lungs­pha­se sind ein Blut­pfropf, Schorf und viel Wundexsudat.

Gra­nu­la­ti­ons­pha­se

Die Gra­nu­la­ti­ons­pha­se 1 beginnt bereits am 2. Tag nach der Wund­ent­ste­hung. Die Angio­ge­ne­se (das Ein­spros­sen neu­er Blut­ge­fä­ße) beginnt, dar­über bil­det sich neu­es Gra­nu­la­ti­ons­ge­we­be. Auf der Wun­de sicht­bar wird ein dun­kel­ro­tes, feucht­glän­zen­des Gra­nu­la­ti­ons­ge­we­be von kör­ni­ger Struk­tur. Die­ses „neue Gewe­be” ist sehr emp­find­lich vor allem gegen­über mecha­ni­schen Belastungen.

Epi­the­li­sie­rungs­pha­se

Die drit­te Wund­hei­lungs­pha­se ist die Epi­the­li­sie­rungs­pha­se 1 oder repa­ra­ti­ve Pha­se. Hier­bei kommt es zu einer Wund­kon­trak­ti­on. Das Gra­nu­la­ti­ons­ge­we­be ver­liert Was­ser und zieht sich etwas zurück. Durch die Bil­dung von Kol­la­gen­fa­sern ent­steht Nar­ben­ge­we­be, mit dem die Wun­de bis auf Haut­ni­veau auf­ge­füllt wird. Vom Wund­rand aus wan­dern Epi­thel­zel­len über das Gra­nu­la­ti­ons­ge­we­be ein. Nach dem Ver­schluss der Wun­de dau­ert es bis zu 8 Wochen, bis das Gewe­be sei­ne maxi­ma­le Belast­bar­keit erreicht hat. Es han­delt sich hier­bei aber immer um Ersatz- oder Nar­ben­ge­we­be, das nie­mals die Belast­bar­keit des ursprüng­li­chen Gewe­bes erreicht. Die abge­heil­te Wun­de, unab­hän­gig davon, wel­che Grund­er­kran­kung zugrun­de liegt, erfor­dert immer eine gute Beob­ach­tung und Pfle­ge, um das Auf­tre­ten eines Rezi­divs früh­zei­tig zu erken­nen oder es sogar ganz zu verhindern.

Wund­rei­ni­gung – wel­che Mög­lich­kei­ten gibt es?

Für die Wund­rei­ni­gung 1 4 bei chro­ni­schen Wun­den gibt es ver­schie­de­ne Bezeich­nun­gen: Wund­dé­bri­de­ment, Wund­bett­vor­be­rei­tung, Wund­toi­let­te oder „wound bed pre­pa­ra­ti­on”. Alle auf­ge­führ­ten Bezeich­nun­gen impli­zie­ren eine gründ­li­che Rei­ni­gung, hin­ter dem Begriff „Débri­de­ment” steht die Ent­fer­nung nicht vita­len Gewe­bes aus der Wun­de. Aus der Wun­de soll alles ent­fernt wer­den, was sie beim Abhei­len behin­dert. Dazu gehö­ren Nekro­sen, Schorf, Fibrin, Bak­te­ri­en, Toxi­ne, geschä­dig­tes Gewe­be, Bio­film, Eiter, Häma­to­me, Det­ri­tus sowie Fremd­kör­per, wozu auch Res­te von Ver­band­stof­fen und Hyper­ke­ra­to­sen gehören.

Durch die Wund­rei­ni­gung sol­len zumin­dest die loka­len Stör­fak­to­ren der Wund­hei­lung redu­ziert oder ganz ent­fernt wer­den. Wei­te­re Fak­to­ren, die für eine Wund­rei­ni­gung spre­chen: weni­ger Wund­ge­ruch, eine ver­rin­ger­te Infek­ti­ons­ge­fahr sowie eine Erleich­te­rung des Exsu­d­at­ma­nage­ments. Gleich­zei­tig bedeu­tet dies auch eine Ver­bes­se­rung der Lebens­qua­li­tät für den Pati­en­ten und hat somit hohe Prio­ri­tät. Die ver­schie­de­nen Mög­lich­kei­ten der Wund­rei­ni­gung wer­den im Fol­gen­den genau­er vor­ge­stellt (Abb. 1):

Mecha­ni­sches Débridement

Hier­bei han­delt es sich um eine ein­fa­che Metho­de, die über­all ange­wen­det wer­den kann. Die Wun­de wird dabei mit einer ste­ri­len, feuch­ten Gaze­kom­pres­se aus­ge­wischt. Dies kann durch eine vor­her­ge­hen­de Nass­pha­se unter­stützt wer­den. Das Ablö­sen der Belä­ge geht nur lang­sam vor­an, wenig Erfolg gibt es bei har­ten Nekro­sen auf dem Wund­grund. Für den Pati­en­ten ist die­ses Aus­wi­schen oft mit Schmer­zen ver­bun­den. Neue Pro­duk­te auf dem Markt wie Debri­s­oft® oder UCS® Debri­de­ment sol­len hier weni­ger Schmer­zen ver­ur­sa­chen. Durch die spe­zi­el­le Her­stel­lung die­ser Wund­rei­ni­gungs­pro­duk­te kommt es zu einem bes­se­ren Abtra­gen der uner­wünsch­ten Belä­ge in der chro­ni­schen Wun­de und somit zu einem schnel­le­ren Errei­chen eines sau­be­ren Wundgrundes.

Auto­ly­ti­sches Débridement

Bei die­ser Metho­de kom­men meis­tens Hydro­ge­le oder soge­nann­te Nass­the­ra­peu­ti­ka zum Ein­satz. Durch die Feuch­tig­keit kommt es zu einem Auf­wei­chen der Nekro­sen und Belä­ge – die­se kön­nen dann beim nächs­ten Ver­bands­wech­sel bes­ser ent­fernt wer­den. Die­se Metho­de eig­net sich auch gut, um ein schar­fes Débri­de­ment vor­zu­be­rei­ten. Auch der Ein­satz die­ser Vari­an­te ist über­all mög­lich und ver­ur­sacht wenig Schmer­zen beim Pati­en­ten. Aller­dings ist die­se Metho­de zeit­auf­wen­dig, es besteht die Gefahr einer Mazer­a­ti­on des Wund­ran­des; sie ist für infi­zier­te Wun­den nicht geeignet.

Enzy­ma­ti­sche Wundreinigung

Hier­bei wer­den enzym­hal­ti­ge Sal­ben oder Gels in die Wun­de gebracht und mit einem Sekun­där­ver­band bedeckt. Dies bewirkt ein Andau­en der Nekro­sen und Belä­ge und funk­tio­niert nur, wenn genü­gend Wund­ex­su­dat – also Feuch­tig­keit – vor­han­den ist. Auch Art und Zusam­men­set­zung des nekro­ti­schen Gewe­bes sind wich­tig für die Aus­wahl des Prä­pa­ra­tes. Die Enzy­me arbei­ten aller­dings nicht sehr selek­tiv – sie dau­en auch gesun­des Gewe­be an. Da der Ver­band ange­sichts der kur­zen Wirk­sam­keit der Enzy­me und des Auf­tre­tens gro­ßer Men­gen an Wund­ex­su­dat oft zwei­mal täg­lich erneu­ert wer­den muss, ist dies ein per­so­nal­in­ten­si­ves Ver­fah­ren. Zudem besteht die Gefahr von All­er­gien. Für die rich­ti­ge Anwen­dung auf der Wun­de müs­sen die Her­stel­ler­an­ga­ben beach­tet werden.

Schar­fes Débridement

Die­se Metho­de ist eine Art des chir­ur­gi­schen Débri­de­ments, aber deut­lich güns­ti­ger. Sie kann über­all nach ent­spre­chen­der Vor­be­rei­tung ein­ge­setzt wer­den. Hier­bei wer­den mit einer Ring­kü­ret­te oder einem Skal­pell Nekro­sen und Belä­ge ent­fernt. Dies ist eine schnel­le und kos­ten­güns­ti­ge Metho­de. Aller­dings kann sie für den Pati­en­ten schmerz­haft sein und soll­te nur unter loka­ler Anäs­the­sie und sys­te­mi­scher Schmerz­mit­tel­ga­be durch­ge­führt wer­den. Hier­bei ist die Schmerz­stär­ke vom Pati­en­ten zu erfra­gen und ent­spre­chend zu berücksichtigen.

Wird lokal Emla®-Salbe ver­wen­det, muss die Ein­wirk­dau­er von 30 bis 45 Minu­ten beach­tet wer­den. Hier­an wird erkenn­bar, dass auch ein adäqua­tes Zeit­ma­nage­ment zum Gelin­gen eines Débri­de­ments bei­trägt. Der Ein­satz die­ser Metho­de kann sowohl ambu­lant als auch im Kran­ken­haus oder Pfle­ge­heim am Kran­ken­bett erfolgen.

Chir­ur­gi­sches Débridement

Unter OP-Bedin­gun­gen und Nar­ko­se erfolgt eine schnel­le und gründ­li­che Rei­ni­gung der Wun­de ohne Schmer­zen für den Pati­en­ten. Bei die­sem inva­si­ven Ver­fah­ren wird mit einem Ein­griff alles, was die Wund­hei­lung lokal stört, ent­fernt. Es ent­steht somit eine „sau­be­re” Wund­flä­che mit den bes­ten Vor­aus­set­zun­gen für eine Abhei­lung. Auch die Mög­lich­keit der Blut­stil­lung ist hier­bei sicher­ge­stellt. Die­se Metho­de eig­net sich gut für infi­zier­te Wun­den, für Wun­den, bei denen das Aus­maß in die Gewe­be­tie­fe unklar ist, oder bei einer Betei­li­gung von Kno­chen und Gelen­ken. Hier­bei ent­ste­hen aller­dings hohe Kos­ten, und der Pati­ent muss sich in einem „nar­ko­se- und ope­ra­ti­ons­fä­hi­gen All­ge­mein­zu­stand” befinden.

Bio­chir­ur­gi­sches Débridement

Hier­bei han­delt es sich um eine sehr alte Art, Wun­den zu rei­ni­gen. Bereits Ambroi­se Paré (1509–1590) hat die „Maden­the­ra­pie” in sei­nem Laza­rett ange­wen­det. Aller­dings gab es damals im Gegen­satz zu heu­te kei­ne ste­ril gezüch­te­ten Maden. Heu­te wird für die­ses Ver­fah­ren meist der Begriff „Bio­chir­ur­gie” ver­wen­det, um eine bes­se­re Akzep­tanz bei Pati­en­ten und Per­so­nal zu erlangen.

Dabei kom­men ste­ril gezüch­te­te Maden der Flie­gen­art Luci­lia seri­ca­ta zum Ein­satz. Die Maden wer­den als soge­nann­te Frei­läu­fer oder im Bio­bag (die­sen kann man sich wie einen Tee­beu­tel – mit klei­nen Maden gefüllt – vor­stel­len) ver­trie­ben (Abb. 2a–d).

Die Maden geben Sekret in die Wun­de ab, dabei wird avi­ta­les Gewe­be ver­flüs­sigt, das die Maden auf­schlür­fen. Neue For­schun­gen beschäf­ti­gen sich auch mit den Aus­schei­dun­gen der Maden auf der Wun­de. Dabei konn­ten unter­schied­li­che Enzy­me iden­ti­fi­ziert wer­den, die sich posi­tiv auf die Wund­hei­lung aus­wir­ken. Nach unge­fähr 3 bis 4 Tagen sind die Maden satt und haben deut­lich an Grö­ße und Gewicht zuge­nom­men. Sol­len noch wei­te­re Belä­ge ent­fernt wer­den, müs­sen neue Maden auf die Wun­de gebracht wer­den. Die Maden ver­tra­gen kei­ne Anti­sep­ti­ka und kei­nen Druck und müs­sen auf ihre Vita­li­tät über­prüft wer­den. Eine Besie­de­lung der Wun­de mit dem Keim Pseu­do­mo­nas aeru­gi­no­sa führt oft zum Abster­ben der Maden.

Die Bio­chir­ur­gie ist häu­fig eine ziel­füh­ren­de Metho­de – gera­de für Pati­en­ten, die nicht ope­riert wer­den kön­nen oder wol­len. Ihr Ein­satz erfolgt vor allem in Kli­ni­ken, die Anwen­dung auf Rezept im ambu­lan­ten Bereich ist erst seit Kur­zem mög­lich. Nach einer Anlei­tung kann die­se Metho­de in allen Berei­chen gut ein­ge­setzt werden.

Tech­ni­sches Débri­de­ment – ultra­chal­las­sis­tier­te Wundreinigung

Hier­bei wird Spül­lö­sung – meist NaCI 0.9 % – zer­stäubt und dringt durch den Ultra­schall tief ins Gewe­be ein. Dadurch wer­den nur bereits abge­stor­be­nes Gewe­be und Belä­ge ent­fernt. Eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung ist hier­bei eine gute loka­le Schmerz­the­ra­pie. Es bedarf zudem einer geeig­ne­ten Per­so­nal­schu­lung, das Gerät muss gewar­tet wer­den, und ein geeig­ne­ter Raum – der gut gerei­nigt wer­den kann – muss zur Ver­fü­gung ste­hen. Des Wei­te­ren ist an die Des­in­fek­ti­on der Hand­stü­cke zu den­ken. Ange­sichts der ent­ste­hen­den Aero­so­le muss die Arbeits­si­cher­heit berück­sich­tigt wer­den. Der Anwen­der benö­tigt ent­spre­chen­de Schutz­klei­dung und muss sich mit Schutz­bril­le, Mund­schutz und flüs­sig­keits­dich­tem Schutz­kit­tel schüt­zen. Schließ­lich müs­sen die Anschaf­fungs­kos­ten für das Gerät und die Hand­stü­cke bedacht werden.

Aus­wahl der geeig­ne­ten Methode

Die­se hängt in ers­ter Linie vom Umfeld des Pati­en­ten ab. Die Mög­lich­kei­ten in einer Kli­nik sind stets grö­ßer als im Pfle­ge­bett daheim. Even­tu­ell gibt es aber die Mög­lich­keit, den Pati­en­ten zum Haus­arzt oder in eine Wund­am­bu­lanz zu brin­gen. Zudem spie­len auch die Begleit­erkran­kun­gen und der aktu­el­le Gerin­nungs­sta­tus eine Rol­le bei der Aus­wahl der adäqua­ten Metho­de. Eine Grund­vor­aus­set­zung ist die Auf­klä­rung des Pati­en­ten über die geplan­ten Maß­nah­men sowie über Vor­tei­le und Risi­ken der in Fra­ge kom­men­den Metho­den und schließ­lich sein Ein­ver­ständ­nis. Die Ziel­vor­stel­lun­gen von Pati­ent und Behan­deln­dem soll­ten bespro­chen und gemein­sam eine Aus­wahl getrof­fen werden.

Zwar trägt der Arzt die Gesamt­ver­ant­wor­tung. Die soge­nann­te Durch­füh­rungs­ver­ant­wor­tung bleibt jedoch immer bei dem­je­ni­gen, der die Wund­rei­ni­gung – gleich­gül­tig in wel­cher Form – durch­führt. Die Anwen­dung einer bestimm­ten Metho­de soll nur nach ent­spre­chen­der Anlei­tung erfol­gen. Chir­ur­gi­sches und schar­fes Débri­de­ment sind immer Auf­ga­be des Arz­tes und kön­nen nicht dele­giert werden.

Wei­te­re Erfolgs­fak­to­ren bei der Wundheilung

Außer einer geeig­ne­ten Wund­auf­la­ge, die das Abhei­len der chro­ni­schen Wun­de unter­stützt, ist die Schmerz­er­fas­sung – sowohl gene­rell als auch spe­zi­ell – bei einer Wund­rei­ni­gung eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung. Des Wei­te­ren spielt die Schu­lung des Pati­en­ten und/oder sei­ner Ange­hö­ri­gen ent­spre­chend ihrem Wis­sens­stand eine wich­ti­ge Rolle.

Schmer­zen

Die ver­schie­de­nen Mög­lich­kei­ten des Débri­de­ments sind für die Betrof­fe­nen mit unter­schied­li­chen Schmer­zen ver­knüpft. Hier ist es Haupt­auf­ga­be der Behan­deln­den, die Schmerz­in­ten­si­tät zu erfra­gen, z. B. mit­tels visu­el­ler Ana­logska­la (VAS), und eine ent­spre­chen­de Schmerz­the­ra­pie anzu­wen­den. Dies kann lokal, sys­te­misch oder kom­bi­niert erfol­gen. Die Abstim­mung der recht­zei­ti­gen Gabe von Schmerz­mit­teln und die Ein­wirk­zeit der Lokal­an­äs­the­ti­ka erfor­dern eine vor­aus­schau­en­de Pla­nung. Lei­der ist dies im prak­ti­schen All­tag oft eine Schwach­stel­le: Die Abläu­fe las­sen sich nicht immer genau pla­nen, oder die Akteu­re war­ten mit dem Ein­griff nicht bis zum Ein­tritt der Wir­kung. Die erwünsch­te The­ra­pie­treue der Pati­en­ten wird dadurch nicht gefördert.

Pati­en­ten­schu­lung

Der All­tag stellt für vie­le Betrof­fe­ne mit einer chro­ni­schen Wun­de eine gro­ße Her­aus­for­de­rung dar. Der Pati­ent wird mit vie­lem kon­fron­tiert, was er sich bis dahin nicht vor­stel­len konn­te. Die Gestal­tung des Tages­ab­lau­fes wird durch Arzt­be­su­che, Unter­su­chun­gen und Ambu­lanz­be­su­che eingeschränkt.

Ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten der Frei­zeit­ge­stal­tung, z. B. Schwim­men, ent­fal­len. Die­se Ein­schrän­kun­gen bestehen oft über einen lan­gen Zeit­raum. Des­halb ist die Anlei­tung, Schu­lung und Bera­tung von Pati­en­ten und Ange­hö­ri­gen ein wei­te­rer wich­ti­ger Teil der Behand­lung. Hier­bei gilt es, das Selbst­pfle­ge­ma­nage­ment zu unter­stüt­zen und zu stär­ken. Auch das Erfas­sen der Lebens­qua­li­tät mit einem geeig­ne­ten Assess­ment-Instru­ment wie dem Würz­bur­ger Wund­s­core spielt eine wich­ti­ge Rol­le und hilft, den Pati­en­ten nicht nur als „Wun­de” zu betrachten.

Aspek­te wie Nacht­schlaf, Arbeits­platz, finan­zi­el­le Pro­ble­me und Urlaubs­ge­stal­tung sind für den Betrof­fe­nen eben­so wich­tig wie die fach­ge­rech­te Ver­sor­gung sei­ner Wun­de. Der Pati­ent soll zum Part­ner wäh­rend der Behand­lung wer­den. Dadurch ergibt sich eine bes­se­re Kom­mu­ni­ka­ti­on und die Mög­lich­keit, das Ziel „Die Wun­de ist abge­heilt” schnel­ler zu erreichen.

Fazit

Die Behand­lung von Men­schen mit chro­ni­schen Wun­den stellt an alle an der Ver­sor­gung Betei­lig­ten hohe Anfor­de­run­gen. Vor allem die Schnitt­stel­len zwi­schen den ver­schie­de­nen Berei­chen (Haus­arzt, Wund­am­bu­lanz, Gefäß­chir­ur­gie, Dia­be­to­lo­ge, Pfle­ge­dienst, Kran­ken­haus, Pfle­ge­heim, Ortho­pä­die-Schuh­tech­ni­ker usw.) bedür­fen beson­de­rer Pla­nung und Über­lei­tung. Nur durch ein sinn­vol­les Mit­ein­an­der aller kann die Ver­sor­gung gelingen.

Die Autorin:
Hil­de­gard Kerler
Onko­lo­gi­sche Fachpflege
Pfle­ge­the­ra­peu­tin Wun­de ICW
Alge­sio­lo­gi­sche Fachassistenz
Eli­sa­be­then­stra­ße 17
88212 Ravens­burg
hildegard.kerler@oberschwabenklinik.de

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
Ker­ler H. Grund­la­gen der Ver­sor­gung chro­ni­scher Wun­den. Ortho­pä­die Tech­nik, 2014; 65 (8): 52–56
  1. Vasel-Bier­gans A, Probst W. Wund­ver­sor­gung für die Pfle­ge – Ein Pra­xis­buch. 2. Auf­la­ge. Stutt­gart: Wis­sen­schaft­li­che Ver­lags­ge­sell­schaft, 2011
  2. Deut­sches Netz­werk für Qua­li­täts­ent­wick­lung in der Pfle­ge (Hg.). Exper­ten­stan­dard Pfle­ge von Men­schen mit chro­ni­schen Wun­den. Osna­brück: Hoch­schu­le Osna­brück, 2009
  3. Deut­sches Netz­werk für Qua­li­täts­ent­wick­lung in der Pfle­ge (Hg.). Exper­ten­stan­dard Decu­bi­tus­pro­phy­la­xe in der Pfle­ge. 1. Aktua­li­sie­rung. Osna­brück: Hoch­schu­le Osna­brück, 2010
  4. Strohal R, Apel­q­vist J, Dis­se­mond J, et al. EWMA Docu­ment: Debri­de­ment. J Wound Care, 2013; 22 (Sup­pl. 1): S1-S52; deut­sche Fas­sung: http://ewma.org/ongoing/Debridement%20document/German%20Version_EWMA_Debridement_2013.pdf
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