3D-Druck – Mög­lich­kei­ten und Gren­zen in der Orthopädietechnik

A. Gruska, I. Heuzeroth, K. Popp
Der 3D-Druck ist weiter auf dem Vormarsch und bahnt sich angesichts der Herstellbarkeit individualisierter Produkte mittels digitaler und automatisierter Fertigungskette auch seinen Weg in die Medizin. Der Oberbegriff „Additive Fertigung“ umfasst dabei ein breites Spektrum unterschiedlicher Verfahren, von denen jedes bestimmte Vor- und Nachteile aufweist. Pulverbasierte Technologien wie das Lasersintern (LS) bieten dabei die größten Freiheitsgrade bezüglich der Komplexität der Bauteile, ohne dass spezielles Stützmaterial verwendet werden muss. Im Folgenden wird das LS-Verfahren bezüglich seiner Verwendungsmöglichkeiten in der Orthopädietechnik insbesondere im Hinblick auf die einsetzbaren Materialien und die besonderen Eigenschaften der auf diese Weise gedruckten Bauteile diskutiert – auch in Abgrenzung zu alternativen Technologien wie „Multi Jet Fusion“ (MJF) und „Fused Layer Modeling“ (FLM).

Ein­lei­tung

Der Ursprung der Addi­ti­ven Fer­ti­gung liegt in den 1980er Jah­ren, als die ers­ten Ver­fah­ren die­ses Tech­no­lo­gie­typs ent­wi­ckelt und paten­tiert wur­den. Anders als bei­spiels­wei­se beim Spritz­gie­ßen oder beim Blas­for­men wer­den bei der Addi­ti­ven Fer­ti­gung für die Tei­le­fer­ti­gung kei­ne spe­zi­el­len form­ge­ben­den Werk­zeu­ge benö­tigt. Statt­des­sen wird das gewünsch­te Bau­teil basie­rend auf einem digi­ta­len ­3D-Modell mit­tels eines ­3D-Dru­ckers auto­ma­ti­siert schicht­wei­se her­ge­stellt, wes­halb sich für die­ses Ver­fah­ren umgangs­sprach­lich auch der Begriff „3D-Druck“ eta­bliert hat. Zu Beginn eine Metho­de zur Her­stel­lung ein­fa­cher Hilfs­mit­tel („Rapid Too­ling“) oder Pro­to­ty­pen („Rapid Pro­to­ty­p­ing“), hat sich die Addi­ti­ve Fer­ti­gung in den letz­ten knapp 40 Jah­ren mitt­ler­wei­le auch für die Her­stel­lung von Funk­ti­ons­bau­tei­len – von Ein­zel­pro­duk­ten über Klein­se­ri­en bis hin zur Mas­sen­in­di­vi­dua­li­sie­rung – durch­ge­setzt. Gera­de im Bereich der Medi­zin­tech­nik hat der 3D-Druck daher im Hin­blick auf die Mög­lich­keit einer pati­en­ten­spe­zi­fi­schen, schnel­len Ver­sor­gung ein gro­ßes Poten­zi­al. Ver­ar­bei­tet wer­den kön­nen vie­le ver­schie­de­ne Werk­stoff­grup­pen, dar­un­ter auch Metal­le oder Kera­mik 1. Die­se sind ins­be­son­de­re für Implan­to­lo­gie­an­wen­dun­gen mit hoher mecha­ni­scher Belas­tung prä­de­sti­niert, z. B. im Fal­le eines Hüft­ge­lenk­er­sat­zes aus Titan­le­gie­run­gen oder eines Kno­chen­er­sat­zes aus Kom­po­sit-Mate­ria­li­en mit resor­bier­ba­rem Tri­cal­ci­um­phos­phat 2 3. Doch auch rei­ne Kunst­stof­fe sind auf­grund ihres gerin­gen Gewichts, ihrer Medi­en­be­stän­dig­keit sowie ihres gerin­ge­ren Ener­gie­be­darfs bei der Ver­ar­bei­tung im Ver­gleich zu Metal­len für hoch­gra­dig inno­va­ti­ve Appli­ka­tio­nen attrak­tiv. Abbil­dung 1 ver­mit­telt einen Über­blick über ver­schie­de­ne Ver­fah­ren, die der Addi­ti­ven Fer­ti­gung zuge­ord­net wer­den und sich ins­be­son­de­re im Hin­blick auf ihre Aus­gangs­stof­fe (flüs­sig vs. fest) unterscheiden.

Anzei­ge

Wie in Abbil­dung 1 ersicht­lich, ist die Aus­wahl an Ver­fah­ren immens. Dabei hat jede Tech­no­lo­gie beson­de­re Vor- und Nach­tei­le, die von Kah­le unter Ein­be­zug der Pro­zess­ket­te bereits erläu­tert wur­den 4. Im Fol­gen­den wird unter dem Aspekt der Eig­nung der Ver­fah­ren für Ortho­pä­die-Anwen­dun­gen genau­er auf die unter­schied­li­chen Effek­te in Bezug auf Mate­ria­li­en, Ober­flä­chen und Geome­trien in pul­ver- und fila­mentba­sier­ten Fer­ti­gungs­ver­fah­ren ein­ge­gan­gen. Im Spek­trum der Ver­fah­ren in Abbil­dung 1 fin­det sich das Laser­sin­tern (LS), das nach­fol­gend genau­er erör­tert wird, eben­so wie Mul­ti Jet Fusi­on (MJF) im Bereich der Tech­no­lo­gien mit pul­ver­för­mi­gem Aus­gangs­stoff im rech­ten unte­ren Vier­tel. Es grenzt sich somit von den Str­ang­ab­la­ge­ver­fah­ren wie FLM (rechts oben) und ins­be­son­de­re von den Ver­fah­ren mit flüs­si­gen Aus­gangs­stof­fen (links) ab, wobei Letz­te­re wegen ihrer hohen Auf­lö­sung und der Her­stell­bar­keit fei­ner Details oft­mals bei­spiels­wei­se im Den­tal­be­reich ver­wen­det werden.

Grund­zü­ge des Lasersinterns

Das Ver­fah­ren des Laser­sin­terns (LS) wur­de von Carl R. Deckard ent­wi­ckelt und unter der Bezeich­nung „Selek­ti­ves Laser­sin­tern“ in einer Patent­schrift im Jahr 1986 ver­öf­fent­licht 5. Es han­delt sich um ein pul­ver­bett­ba­sier­tes Ver­fah­ren, des­sen Funk­ti­ons­wei­se sche­ma­tisch am Bei­spiel einer Anla­ge des Typs „For­mi­ga P 110“ (EOS GmbH, Krai­ling) in Abbil­dung 2 dar­ge­stellt ist. Im Fol­gen­den wird ein Über­blick über die Pro­zess- und Nach­be­ar­bei­tungs­schrit­te, die ver­wen­de­ten Mate­ria­li­en und die Bau­teil­ei­gen­schaf­ten vermittelt.

Fer­ti­gungs­pro­zess

Beim Laser­sin­tern wird ein pul­ver­för­mi­ger Aus­gangs­stoff in den Bau­raum zuge­führt und mit Hil­fe eines Beschicht­ers eben­mä­ßig über eine Flä­che ver­teilt. Eine Behei­zung stellt die Ober­flä­che des Kunst­stoff­pul­vers dabei auf eine kon­stan­te Tem­pe­ra­tur ein. Dies geschieht unter Schutz­gas­at­mo­sphä­re, um oxi­da­tive Schä­di­gun­gen des Mate­ri­als zu ver­hin­dern. Die Bau­teil­schich­ten wer­den mit einem Laser punk­tu­ell auf­ge­schmol­zen; anschlie­ßend senkt sich die Platt­form um eine aus­ge­wähl­te Schicht­stär­ke (meist 0,1 mm) ab und wird erneut mit Pul­ver beschich­tet. Durch Wie­der­ho­lung die­ses Vor­gangs wer­den nach und nach die gewünsch­ten Bau­tei­le (dun­kel­blau in Abbil­dung 2) gefer­tigt, die bis zum Prozess­ende mit anschlie­ßen­dem kon­trol­lier­tem Abkühl­vor­gang geschützt im unauf­ge­schmol­ze­nen soge­nann­ten Pul­ver­ku­chen (hell­blau) ver­blei­ben 6 7.

Nach­be­ar­bei­tung

Nach dem Abküh­len, des­sen Dau­er durch das Fer­ti­gungs­vo­lu­men und das ein­ge­setz­te Mate­ri­al maß­geb­lich bestimmt wird, erfolgt die Ent­nah­me der Tei­le aus dem Pul­ver­ku­chen. Die­ses „ther­misch geal­ter­te“ Pul­ver kann durch Zumi­schen von Neu­pul­ver wie­der­auf­be­rei­tet und für wei­te­re Pro­zes­se ver­wen­det wer­den. Die Ent­fer­nung des anhaf­ten­den Pul­vers geschieht zunächst grob mit­tels Strahl­gut und anschlie­ßend fein durch Druckluft.

Die Bau­teil­ober­flä­che wird im Pro­zess durch ver­schie­de­ne Fak­to­ren beein­flusst: Durch den schicht­wei­sen Auf­bau ist – wie für den 3D-Druck typisch – gera­de bei gekrümm­ten Flä­chen, die in Bau­fort­schritts­rich­tung gefer­tigt wer­den, der soge­nann­te Trep­pen­stu­fen­ef­fekt zu beob­ach­ten, der sich nega­tiv auf die Ober­flä­chen­qua­li­tät aus­wirkt. Durch die Ver­ar­bei­tung eines pul­ver­för­mi­gen Aus­gangs­stoffs ist die ent­ste­hen­de Ober­flä­che rau, was gera­de für die Ver­wen­dung im medi­zi­ni­schen Bereich kri­tisch sein kann. So erschwert die ver­grö­ßer­te Ober­flä­che einer­seits die Rei­ni­gung, ande­rer­seits kön­nen bei Haut­kon­takt auch Irri­ta­tio­nen durch Rei­bung ent­ste­hen. Abhil­fe schaf­fen hier Ver­fah­ren wie Gleit­schlei­fen (mecha­ni­scher Mate­ri­al­ab­trag), Glät­ten (che­mi­sches Anlö­sen), Lackie­ren oder auch das Ver­kle­ben mit geeig­ne­ten Mate­ria­li­en wie Pols­tern 8 9 10. Je nach Art der ein­ge­setz­ten Ober­flä­chen­be­hei­zung und des Lasers muss das Poly­mer­pul­ver bestimm­te opti­sche Eigen­schaf­ten auf­wei­sen, um auf die jewei­li­ge Wel­len­län­ge ange­mes­sen zu reagie­ren. Bei Ver­wen­dung von Infra­rot­strah­lung bie­ten sich auf­grund ihrer Absorp­ti­ons- und Ver­ar­bei­tungs­ei­gen­schaf­ten vor allem unad­di­ti­vier­te wei­ße Pul­ver an 11. Dabei ist ein nach­träg­li­ches Ein­fär­ben der Tei­le mög­lich, wie in Abbil­dung 3 anhand einer Orthe­se zur Unter­stüt­zung bei Fuß­he­ber­schwä­che sowie einer indi­vi­dua­li­sier­ten Unter­arm­schie­ne dar­ge­stellt wird. Es sind Ein­fär­be­ver­fah­ren ver­füg­bar, bei denen die Far­ben um eini­ge Zehn­tel­mil­li­me­ter in den Kunst­stoff ein­drin­gen, sodass leich­te Gebrauchs­spu­ren wie Krat­zer nicht sofort auf­fal­len 12.

Mate­ria­li­en

Der LS-Pro­zess stellt hohe Anfor­de­run­gen an ein gan­zes Spek­trum von Eigen­schaf­ten der Ausgangsstoffe:

  • Schmelz- und Rekris­tal­li­sa­ti­ons­punk­te der Poly­me­re soll­ten aus­rei­chend weit aus­ein­an­der lie­gen (dabei spricht man vom „Sin­ter­fens­ter“).
  • Die Vis­ko­si­tät der Schmel­ze soll­te für ein gutes Ver­schmel­zen der Par­ti­kel mög­lichst nied­rig sein.
  • Zudem muss das Pul­ver gut rie­seln, um eine ebe­ne Ober­flä­che zu bil­den. Die Rie­sel­fä­hig­keit ergibt sich aus der Form und der Grö­ße der Par­ti­kel und wird zusätz­lich durch die Grö­ßen­ver­tei­lung aller Par­ti­kel sowie bei­spiels­wei­se durch die auf­ge­nom­me­ne Feuch­tig­keit maß­geb­lich beeinflusst.
  • Schließ­lich ist für das Auf­schmel­zen auch eine aus­rei­chend hohe Absorp­ti­on der über den Laser ein­ge­strahl­ten Wel­len­län­ge not­wen­dig 13 14.

Auf­grund all die­ser Bedin­gun­gen ist die Mate­ri­al­aus­wahl beim Laser­sintern nach wie vor ver­gleichs­wei­se ein­ge­schränkt. Beson­ders gut geeig­net und daher stan­dard­mä­ßig ver­wen­det wer­den teil­kris­tal­li­ne Poly­ami­de (PA), ins­be­son­de­re PA12 und PA11 15 16. PA zeich­nen sich all­ge­mein durch ihre Medi­en­be­stän­dig­keit und gute Ver­schleiß­ei­gen­schaf­ten aus 17. Es sind – je nach che­mi­scher Zusam­men­set­zung und Anla­gen­spe­zi­fi­ka­tio­nen – auch wei­te­re Poly­o­le­fi­ne wie Poly­pro­py­len (PP) und fle­xi­ble Mate­ria­li­en wie ther­mo­plas­ti­sche Poly­ure­tha­ne (TPU) für Bau­tei­le mit dämp­fen­den Eigen­schaf­ten ver­füg­bar 18. Im Bereich der Implan­to­lo­gie wie der Kra­nio­plas­tik wer­den Hoch­leis­tungs­kunst­stof­fe auf der Basis von Polyaryl­ether­ke­to­nen (PAEK) ver­wen­det 19.

Bei der Ver­ar­bei­tung von Pul­vern ist auf die Wah­rung der Arbeits­si­cher­heit zu ach­ten. Zwar sind vie­le der ange­bo­te­nen Pul­ver im Mit­tel grob­kör­nig genug, um nicht lun­gen­gän­gig zu sein. Den­noch ist wie­der­hol­tes Ein­at­men durch die Ver­wen­dung von Staub­mas­ken zu ver­mei­den. Zur Rei­ni­gung der Arbeits­um­ge­bung ist zudem bei­spiels­wei­se ein explo­si­ons­ge­schütz­ter Staub­sauger not­wen­dig 20.

Die Bau­tei­le, ihre Eigen­schaf­ten und Anwendungen

Makro­sko­pisch meist kaum erkenn­bar führt der Schicht­auf­bau in den ent­ste­hen­den Tei­len auf mikro­sko­pi­scher Ebe­ne oft­mals zu einer rich­tungs­ab­hän­gi­gen, ver­schlech­ter­ten mecha­ni­schen Sta­bi­li­tät („Aniso­tro­pie“). In Abbil­dung 4 ist die­ser Umstand anhand eines Zug­stabs illus­triert, des­sen Fer­ti­gung in ver­schie­de­nen räum­li­chen Ori­en­tie­run­gen rea­li­siert wurde.

Die Schich­ten des lie­gend gedruck­ten Zug­stabs (rot umkreist) sind groß­flä­chig und bie­ten gegen die uni­axiale Ver­for­mung im Zug­ver­such aus­rei­chend Wider­stand. Der ste­hend gefer­tig­te Zug­stab (blau umkreist) hin­ge­gen ist aus klein­flä­chi­gen Schich­ten auf­ge­baut, die gera­de durch ihre Ori­en­tie­rung ortho­go­nal zur Zug­rich­tung vie­le Soll­bruch­stel­len bil­den. Die Sta­bi­li­tät in z‑Richtung kann gegen­über der x- bzw. y‑Richtung daher erheb­lich ver­rin­gert sein. Beim LS ist die­se Abwei­chung gegen­über den Str­ang­ab­la­ge­ver­fah­ren teils deut­lich redu­ziert 21, da die Bau­tei­le – wäh­rend des Pro­zes­ses durch den Pul­ver­ku­chen gestützt – in der hei­ßen Umge­bung noch rela­tiv weich blei­ben. Dadurch ist aller­dings auch der bereits erwähn­te nach­ge­la­ger­te, teils lang­wie­ri­ge Abkühl­pro­zess bedingt, der für das Aus­här­ten not­wen­dig ist.

Die beschrie­be­nen Effek­te sind stark material‑, anla­gen- und pro­zess­pa­ra­me­ter­ab­hän­gig. Für Pro­be­kör­per aus einem PA12-Pul­ver kann dies bei­spiels­wei­se bedeu­ten, dass der E‑Modul und die Zug­fes­tig­keit mit 1700 bzw. 50 MPa unab­hän­gig von der räum­li­chen Ori­en­tie­rung erreicht wer­den, die Bruch­deh­nung in z‑Richtung jedoch von den in x- und y‑Richtung erreich­ten 20 % auf 10 % sinkt 22. Ähn­lich ver­hält es sich mit einem PA11, das gleich­blei­ben­de Wer­te des ­E‑Moduls (1600 MPa) und der Zug­fes­tig­keit (48 MPa) mit einer Bruch­deh­nung von 45 % in x- und y‑Richtung bzw. von 30 % in z‑Richtung ver­zeich­nen kann 23. Dem­ge­gen­über kann ein TPU (E‑Modul 60 MPa, Bruch­deh­nung 250 %) Schwan­kun­gen in der Zug­fes­tig­keit (7 MPa in x- und y- bzw. 5 MPa in z‑Richtung) auf­wei­sen 24.

Das LS-Ver­fah­ren ist ins­be­son­de­re im Hin­blick auf die geo­me­tri­schen Frei­heits­gra­de der zu fer­ti­gen­den Model­le vor­teil­haft, da kom­ple­xe Geo­me­trien mit Über­hän­gen und Hin­ter­schnei­dun­gen per­ma­nent durch den umge­ben­den Pul­ver­ku­chen gestützt wer­den. Dabei ist zu beach­ten, dass geschlos­se­ne Hohl­räu­me nach der Fer­ti­gung mit Pul­ver statt mit Luft gefüllt sind. Auch eine Funk­ti­ons­in­te­gra­ti­on (z. B. Luft­ka­nä­le oder varia­ble Dämp­fungs­ei­gen­schaf­ten) ist in der Kon­struk­ti­on mög­lich, wie Abbil­dung 5 anhand von Schuh­soh­len demon­striert, die mit Hil­fe von Tools für Gene­ra­ti­ves Design kon­stru­iert wurden.

Wie bei jedem addi­ti­ven Fer­ti­gungs­ver­fah­ren gibt es auch für LS spe­zi­fi­sche Kon­struk­ti­ons­richt­li­ni­en, die befolgt wer­den soll­ten. Dabei sind auch das ein­ge­setz­te Mate­ri­al mit sei­nen beson­de­ren Eigen­schaf­ten sowie die Geo­me­trie des zu fer­ti­gen­den Modells zu berück­sich­ti­gen. Die Auf­lö­sung und die Tole­ran­zen des Ver­fah­rens sind dar­über hin­aus abhän­gig vom ein­ge­setz­ten Laser­durch­mes­ser (anla­gen­spe­zi­fisch).

Digi­ta­le Anpas­sung von Hilfs­mit­teln für Patienten

Zur Erstel­lung der 3D-Model­le bie­tet sich in der Ortho­pä­die­tech­nik vor allem die Inte­gra­ti­on von Daten aus bild­ge­ben­den Ver­fah­ren an. So kann der Kon­struk­ti­on einer pati­en­ten­spe­zi­fi­schen Orthe­se ein Ein­scan­nen (bei­spiels­wei­se mit hand­ge­führ­ten Scan­sys­te­men) des zu behan­deln­den Kör­per­teils vor­an­ge­hen. Das jewei­li­ge Hilfs­mit­tel wird dann in der Model­lie­rung an den Scan ange­passt. Dies gilt etwa für die in Abbil­dung 6 gezeig­te Kopforthese.

Kopfor­the­sen die­nen der Behand­lung von Schä­del­de­for­ma­tio­nen und wer­den übli­cher­wei­se hand­ge­fer­tigt, was eine lan­ge Pro­duk­ti­ons­zeit bedingt und daher kos­ten­in­ten­siv ist. Durch Ein­scan­nen des Schä­dels und Indi­vi­dua­li­sie­rung der Orthe­se mit anschlie­ßen­der Ein­brin­gung eines Pols­ters kann der Nach­be­ar­bei­tungs­auf­wand ver­rin­gert und die Pass­ge­nau­ig­keit erhöht wer­den. Die Addi­ti­ve Fer­ti­gung erlaubt somit einen ver­rin­ger­ten Zeit­auf­wand, wäh­rend der Tra­ge­kom­fort durch die redu­zier­te Wand­stär­ke und die luft­durch­läs­si­ge Per­fo­ra­ti­on deut­lich erhöht wird. Tabel­le 1 ver­mit­telt einen Über­blick über die Vor­tei­le des Laser­sin­terns von Hilfs­mit­teln gegen­über ande­ren Verfahren.

Alter­na­ti­ve 1: Mul­ti Jet Fusion

Das Mul­ti-Jet-Fusi­on-Ver­fah­ren (MJF) der Fir­ma HP Inc. arbei­tet genau wie LS mit Poly­mer-Pul­vern. Aller­dings initi­iert nicht ein Laser das Auf­schmel­zen, son­dern wär­me­ab­sor­bie­ren­de Tin­ten (soge­nann­te Agents), die mit einem Inkjet-Druck­kopf selek­tiv inner­halb der Bau­teil­gren­zen auf der Pul­ver­ober­flä­che appli­ziert wer­den. Anschlie­ßend belich­tet ein Infra­rot­strah­ler die Ober­flä­che und sorgt so dafür, dass die mit Agent benetz­ten Par­ti­kel homo­gen mit­ein­an­der verschmelzen.

Es exis­tie­ren ver­schie­de­ne Anla­gentypen, die unter ande­rem Poly­pro­py­len (PP) und ther­mo­plas­ti­sches Poly­ure­than (TPU) ver­ar­bei­ten kön­nen. Mit dem 3D-Druck­sys­tem „Jet Fusi­on 580“ ist es jedoch auch mög­lich, die Kon­tu­ren mit­tels CMYK-Farb­pa­tro­nen ein­zu­fär­ben; dabei ist PA12 der Standard-Werkstoff.

Ein Anwen­dungs­feld in der Ortho­pä­die­tech­nik ist – neben den im Zusam­men­hang mit LS bereits vor­ge­stell­ten Fäl­len – die pati­en­ten­spe­zi­fi­sche OP-Vor­be­rei­tung 25, z. B. bei der Behand­lung von Hand­wur­zel­kno­chen­brü­chen. Dabei ist beson­ders häu­fig – wie in Abbil­dung 7 anhand eines per MJF-Ver­fah­ren her­ge­stell­ten Modells dar­ge­stellt – das Kahn­bein betrof­fen, das wegen sei­ner fra­gi­len Blut­ver­sor­gung je nach Loka­li­sa­ti­on oft­mals eine prä­zi­se Ver­schrau­bung bedingt. Wird der betrof­fe­ne Kör­per­teil mit­tels bild­ge­ben­der Ver­fah­ren wie Com­pu­ter­to­mo­gra­phie unter­sucht, kön­nen die erhal­te­nen Daten auf­be­rei­tet und zu einem 3D-Modell umge­wan­delt wer­den. Die Farb­co­die­rung in einem phy­si­schen Modell erleich­tert es den Chir­ur­gen, zeit­nah vor der Ope­ra­ti­on die Ver­let­zung genau­er ein­zu­schät­zen und auch das spä­te­re Vor­ge­hen in der The­ra­pie geziel­ter zu planen.

Mit dem MJF-Ver­fah­ren ist eine voxel­ab­hän­gi­ge Modi­fi­ka­ti­on der Bau­tei­le mög­lich, sodass in einem Modell eine Fül­le von Far­ben ver­eint wer­den kann. In Abbil­dung 8 ist das digi­ta­le Modell einer Fuß­or­the­se mit indi­vi­dua­li­sier­tem Farb­sche­ma dar­ge­stellt. Die Vor- und Nach­tei­le des Voll­farb-MJF-Ver­fah­rens sind auf­grund des ähn­li­chen Aus­gangs­ma­te­ri­als größ­ten­teils ana­log zum LS-Ver­fah­ren. Eine Gegen­über­stel­lung ver­schie­de­ner Aspek­te bei­der Tech­no­lo­gien erfolgt in Tabel­le 2.

Alter­na­ti­ve 2: Fused Lay­er Modeling

Fused Lay­er Mode­ling (FLM; auch Fused Fila­ment Fabri­ca­ti­on, FFF, bzw. Fused Depo­si­ti­on Mode­ling, FDM, 1989 paten­tiert vom Unter­neh­men Stra­ta­sys Ltd.) ist – bezo­gen auf die Zahl der am Markt befind­li­chen Dru­cker – das am wei­tes­ten ver­brei­te­te ­3D-Druck­ver­fah­ren. Es basiert auf dem Prin­zip einer Heiß­kle­be­pis­to­le: Ein dün­ner Draht (Fila­ment) wird durch eine beheiz­te Düse geführt und dabei auf­ge­schmol­zen. Die­ser Ablauf ist sche­ma­tisch in Abbil­dung 8 dar­ge­stellt. Die größ­ten Vor­tei­le des FLM-Ver­fah­rens sind:

  • sei­ne intui­tiv zu bedie­nen­de Anlagen­tech­nik, die je nach Anfor­de­rung an den Pro­zess auch für brei­te­re Nut­zer­krei­se erschwing­lich sein kann;
  • eine brei­te Mate­ri­al­viel­falt für die Modellfertigung;
  • die Rea­li­sier­bar­keit von Mehr­kom­po­nen­ten­bau­tei­len wie z. B. Hart-Weich-Verbindungen.
  • Das Ver­fah­ren „Con­ti­nuous Fila­ment Fabri­ca­ti­on“ (CFF) der Fir­ma Markf­or­ged erlaubt als Son­der­ver­fah­ren zudem das Ein­brin­gen von End­los­fa­sern (z. B. Car­bon) zur Ver­bes­se­rung der mecha­ni­schen Stabilität.

Nach­tei­lig ist die ver­gleichs­wei­se stär­ker aus­ge­präg­te Aniso­tro­pie. Im Gegen­satz zu den Pul­ver­bett-Ver­fah­ren ist die Ober­flä­che der ent­ste­hen­den Bau­tei­le zwar zumeist nicht rau, jedoch ist der Schicht­auf­bau beim FLM noch deut­li­cher sicht­bar (auch hier sind Nach­be­ar­bei­tungs­me­tho­den wie Glät­tung möglich).

Ein wei­te­rer limi­tie­ren­der Fak­tor ist die Not­wen­dig­keit von Stütz­struk­tu­ren bei kom­ple­xen Geo­me­trien wie bei­spiels­wei­se star­ken Über­hän­gen. Die Stüt­zen kön­nen aus dem Modell­ma­te­ri­al gefer­tigt und nach­träg­lich ent­fernt wer­den („Breaka­way-Sup­port“); es exis­tie­ren aller­dings auch lös­li­che Mate­ria­li­en, deren Ver­wen­dung zusätz­lich zum ent­spre­chen­den Modell­ma­te­ri­al jedoch einen zwei­ten Extru­der­kopf bzw. einen im Pro­zess inte­grier­ten Fila­m­entwech­sel unum­gäng­lich macht. Gera­de für patienten­spezifische Bau­tei­le stellt dies eine Hür­de dar, da die­se oft­mals aus Frei­form­flä­chen auf­ge­baut sind 26.

Aus­blick: 4D-Druck

Für Anwen­dun­gen im Bereich Orthe­tik ist hier als Lösungs­an­satz ins­be­son­de­re die Nach­pass­bar­keit von spe­zi­el­len Form­ge­dächt­nis-Mate­ria­li­en zu nen­nen. Dabei wird eine an den Pati­en­ten ange­pass­te Struk­tur flach gedruckt und nach­träg­lich in sei­ne gewünsch­te Form gebracht. Dies erleich­tert den Druck­pro­zess und gewähr­leis­tet gleich­zei­tig den per­fek­ten Sitz einer Orthe­se durch soge­nann­te „post-print cus­to­miza­ti­on“, wie in Abbil­dung 10 dar­ge­stellt. Bei der Ver­wen­dung intel­li­gen­ter Werk­stof­fe die­ser Art wird dem drei­di­men­sio­na­len Raum der Addi­ti­ven Fer­ti­gung noch eine vier­te Dimen­si­on hin­zu­ge­fügt – die Zeit. Nach dem Druck kön­nen Eigen­schaf­ten wie die Form eines Werk­stücks durch äuße­re Rei­ze (Kon­takt mit Was­ser, Tem­pe­ra­tur etc.) geän­dert wer­den. Die­ses Vor­ge­hen wird daher auch als „4D-Druck“ bezeich­net. Für eine ther­mo­me­cha­ni­sche Behand­lung, wie sie für die Arm­schie­ne in Abbil­dung 10 durch­ge­führt wur­de, besitzt der jewei­li­ge Kunst­stoff eine Schalt­tem­pe­ra­tur, bei der eine Erwei­chung statt­fin­det und das Mate­ri­al ver­formt wer­den kann. Nach dem Abküh­len wird die neue Form bei­be­hal­ten, und das Mate­ri­al befin­det sich in sei­nem pro­gram­mier­ten Zustand. Durch erneu­tes Erwär­men ober­halb der Schalt­tem­pe­ra­tur kann die Ver­for­mung bzw. Pro­gram­mie­rung rück­gän­gig gemacht wer­den. Eine für Medi­zin­pro­duk­te viel­ver­spre­chen­de und auch im dar­ge­stell­ten Bei­spiel ver­wen­de­te Mate­ri­al­klas­se sind TPU.

Fazit

Die Addi­ti­ve Fer­ti­gung ist im Anwen­dungs­ge­biet der Ortho­pä­die­tech­nik bereits auf brei­ter Front ange­kom­men, was ins­be­son­de­re durch die On-Demand-Her­stel­lung indi­vi­dua­li­sier­ter Pro­duk­te mit kom­ple­xen Geo­me­trien begrün­det ist. Eine Viel­zahl von Ein­satz­mög­lich­kei­ten ist bekannt, dar­un­ter die Her­stel­lung ange­pass­ter Orthe­sen, Pro­the­sen und Implan­ta­te – aber auch Schuh­soh­len und ana­to­mi­sche Model­le für die Ope­ra­ti­ons­vor­be­rei­tung sind bereits am Markt verfügbar.

Pul­ver­bett-Ver­fah­ren wie LS oder MJF sind für anspruchs­vol­le Geo­me­trien beson­ders geeig­net, aller­dings in der Mate­ri­al­aus­wahl beschränkt. Das FLM-Ver­fah­ren bie­tet zwar eine brei­te Mate­ri­al­aus­wahl, ver­zeich­net in den erziel­ten mecha­ni­schen Eigen­schaf­ten jedoch stär­ke­re Aniso­tro­pi­en und benö­tigt je nach Kom­ple­xi­tät der Model­le Stütz­ma­te­ri­al. Abhil­fe kön­nen an die­ser Stel­le intel­li­gen­te Form­ge­dächt­nis­-Mate­ria­li­en schaf­fen, die an den Pati­en­ten ange­passt, jedoch für einen ver­ein­fach­ten Druck­pro­zess zunächst digi­tal ver­formt und anschlie­ßend wie­der in die gewünsch­te, ursprüng­li­che Form gebracht wer­den. So gelingt dem 3D-Druck der Sprung in die vier­te Dimension.

Die Autorin­nen und Autoren:
Anne Grus­ka, M. Sc. 
Wis­sen­schaft­li­che Mitarbeiterin 
Bereich For­schung Spritzgießen/
Addi­ti­ve Fertigung 
a.gruska@skz.de

Ire­na Heu­zeroth, B. Eng.
Wis­sen­schaft­li­che Mitarbeiterin 
Bereich Forschung/Additive Fertigung
i.heuzeroth@skz.de

Kevin Popp, M. Sc.
Wis­sen­schaft­li­cher Mitarbeiter 
Bereich Forschung/Additive Fertigung
k.popp@skz.de

SKZ – KFE gGmbH
Fried­rich-Ber­gi­us-Ring 22
97076 Würz­burg

Begut­ach­te­ter Beitrag/reviewed paper

Zita­ti­on
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