Weni­ger Schmer­zen dank Kompression

Medizinische Kompressionsstrümpfe können bei Patienten mit unkomplizierten Krampfadern typische Symptome wie Schweregefühl, Schmerzen, Schwellungen und Pochen mildern – das zeigt zumindest der medizinische Alltag.

Eine ran­do­mi­sier­te, kon­trol­lier­te kli­ni­sche Stu­die unter der Feder­führung von Prof. Dr. Mar­kus Stü­cker, Geschäfts­füh­ren­der Direk­tor der Kli­nik für Der­ma­to­lo­gie, Vene­ro­lo­gie und All­er­go­lo­gie am Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum St. Josef-Hos­pi­tal Bochum, schafft nun die not­wen­di­ge wis­sen­schaft­li­che Evi­denz. Die S2k-Leit­li­nie „Dia­gnos­tik und The­ra­pie der Vari­ko­se“ erhält damit künf­tig ein Update und belegt die bis­lang aus­schließ­lich auf Exper­ten­mei­nun­gen basie­ren­den Empfehlungen.

An der Stu­die nah­men ins­ge­samt 50 Per­so­nen im Alter von 18 bis 75 Jah­ren mit unkom­pli­zier­ten Vari­zen und damit ein­her­ge­hen­den Beschwer­den teil. Wäh­rend die Inter­ven­ti­ons­grup­pe nach der ers­ten Woche Kom­pres­si­ons­strümp­fe der Klas­se 1 (wahl­wei­se Knie- oder Ober­schen­kelstrümp­fe) erhielt, blieb die Kon­troll­grup­pe wei­ter­hin unver­sorgt. Täg­lich doku­men­tier­ten die Teil­neh­mer ihre Sym­pto­me in einer App. Bewusst wur­de auf die per­sön­li­che Ein­schät­zung gesetzt, Mess­wer­te wie die Umfangs­ver­än­de­rung der Bei­ne wur­den nicht her­an­ge­zo­gen. „Wir woll­ten her­aus­fin­den, wie es den Pati­en­ten tat­säch­lich geht und ob sie Ver­än­de­run­gen auch spü­ren“, betont Stücker.

Kon­troll­grup­pe mit Überraschungen

Die Ergeb­nis­se bestä­tig­ten die Annah­me: Die Sym­pto­me ver­bes­ser­ten sich durch das Tra­gen der Kom­pres­si­on – und zwar täg­lich ins­ge­samt um knapp 30 Pro­zent, Schmer­zen ver­rin­ger­ten sich um fast 40 Pro­zent, Schwel­lun­gen gin­gen um mehr als 40 Pro­zent zurück. „Über­rascht hat uns aber, in wel­cher Deut­lich­keit wir zei­gen konn­ten, dass Kom­pres­si­ons­trümp­fe der Klas­se 1 bei einem gar nicht so schwe­ren Venen­lei­den hilf­reich sind“, schil­dert Stü­cker. Womit der Medi­zi­ner eben­falls nicht gerech­net hat­te: In der Kon­troll­grup­pe hiel­ten die Beschwer­den nicht nur an, sie ver­schlim­mer­ten sich im Ver­lauf sogar.

Mit Blick auf den Para­me­ter „Juck­reiz“ konn­te die The­ra­pie aller­dings nicht über­zeu­gen: Die­ser nahm bei den Teil­neh­mern mit Strümp­fen zu. Ein Effekt, der bereits bekannt ist, aber für Stü­cker die Ver­ant­wor­tung der Ver­sor­ger unter­streicht. Wich­tig sei es, die Pati­en­ten vor­ab dar­über zu infor­mie­ren, dass die Haut gereizt und damit tro­cken wer­den kann – und zwar nicht allergie‑, son­dern mecha­nisch bedingt. Des­we­gen emp­fiehlt es sich, mit regel­mä­ßi­gem Ein­cre­men vorzubeugen.

Da die Pro­ban­den zwangs­läu­fig wuss­ten, zu wel­cher Grup­pe sie gehö­ren, könn­te man die Fra­ge stel­len, wie ver­läss­lich die Ergeb­nis­se sind. Denn wer davon aus­geht, dass ihm etwas hilft, bei dem tut es das infol­ge die­ser Erwar­tungs­hal­tung viel­leicht tat­säch­lich. Für Stü­cker gibt es aber meh­re­re Hin­wei­se, die die Auf­rich­tig­keit der Pati­en­ten bestä­ti­gen. Die, die kei­nen Strumpf tru­gen, hät­ten davon aus­ge­hen kön­nen, dass die Beschwer­den unver­än­dert blei­ben. Statt­des­sen trat das Gegen­teil ein – und das gaben sie auch an. Im Gegen­satz dazu hät­ten die Pro­ban­den der Inter­ven­ti­ons­grup­pe mit der Erwar­tung in die Stu­die star­ten kön­nen, dass sich alle Beschwer­den bes­sern. Ihre Anga­ben zum gestei­ger­ten Juck­reiz las­sen die­se Theo­rie aller­dings hin­fäl­lig wer­den. Und: Laut Stü­cker könn­te genau­so gut anders­her­um argu­men­tiert wer­den: Die Strümp­fe sind läs­tig, also hofft man, dass sie kei­ne Ver­bes­se­rung bewirken.

Der All­tags­ein­druck kann trügen

Auch wenn die Ergeb­nis­se vor­her­seh­bar waren – Stü­cker weiß um die Bedeu­tung sol­cher Stu­di­en. „Der Ein­druck aus dem medi­zi­ni­schen All­tag kann völ­lig falsch sein“, betont er und nennt dafür ein Bei­spiel: Frü­her sei man davon aus­ge­gan­gen, dass sich Per­so­nen mit Throm­bo­se nicht bewe­gen dür­fen. Zur The­ra­pie gehör­te dem­nach die völ­li­ge Ruhig­stel­lung. „Heu­te wis­sen wir durch zahl­rei­che Stu­di­en, dass eine Throm­bo­se viel schnel­ler ver­schwin­det, Schmer­zen redu­ziert wer­den und zudem das Risi­ko für eine Lun­gen­em­bo­lie deut­lich gerin­ger ist, gera­de wenn sich die Pati­en­ten bewegen.“

Kom­pres­si­ons­strümp­fe kön­nen Beschwer­den, die Krampf­adern verur­sachen, zwar lin­dern, die Erkran­kung aber nicht behe­ben. Sie kön­nen aber bei­spiels­wei­se die Zeit bis zu einer Ope­ra­ti­on über­brü­cken. Außer­dem geben sie ins­be­son­de­re älte­ren Men­schen bei nach­las­sen­der Pro­prio­zep­ti­on und Frau­en mit ten­den­zi­ell wei­che­rem Bin­de­ge­we­be Halt und Sicher­heit beim Gehen. Für die­se Ziel­grup­pe kann damit auch eine dau­er­haf­te Ver­sor­gung die bes­te Wahl sein.

Die Kom­pres­si­ons­klas­se 2 wird in Deutsch­land am häu­figs­ten ver­ord­net. Den­noch ent­schie­den sich Stü­cker und sein Team für die Behand­lung mit sol­chen der Klas­se 1. Zum einen, weil sie ver­mu­te­ten, dass damit bereits mess­ba­re und aus­rei­chen­de Effek­te zu erzie­len sind, und zum ande­ren, weil laut Leit­li­nie mit der nied­rigst­mög­li­chen Kompres­sionsklasse begon­nen wer­den soll, um die Com­pli­ance zu stei­gern. Denn je höher die Klas­se, des­to schwie­ri­ger ist meist das An- und Ausziehen.

Update der Leit­li­nie in Planung

„Inter­es­san­ter­wei­se gab es mit Blick auf kom­pli­zier­te Vari­ko­sen bereits eini­ge Stu­di­en, die den Nut­zen von Kom­pres­si­ons­the­ra­pie bele­gen“, berich­tet Stü­cker: Ein Ulcus cru­ris veno­sum bei­spiels­wei­se heilt mit Kom­pres­si­on schnel­ler ab als ohne. Auch ein Throm­bus bil­det sich schnel­ler zurück. Wer eine Throm­bo­se hat­te und danach Strümp­fe trägt, muss dadurch sel­te­ner mit Kom­pli­ka­tio­nen wie Ver­fär­bun­gen und Schwel­lun­gen rech­nen. Und wenn Krampf­adern ope­riert wor­den sind, haben die Pati­en­ten in der ers­ten Woche nach der OP mit einer Ver­sor­gung signi­fi­kant weni­ger Schmer­zen. Nun konn­te die Evi­denz für die leich­te­ren Fäl­le erbracht wer­den. „Die Stu­die bestä­tigt durch objek­ti­ve Daten sowohl den gän­gi­gen Pra­xis­all­tag als auch die Leit­li­nie“, resü­miert Stü­cker. „Mit Strumpf geht es den Men­schen bes­ser als ohne.“ Das Update der Leit­li­nie wird damit die aktu­el­len Emp­feh­lun­gen wei­ter untermauern.

Pia Engel­brecht

Tei­len Sie die­sen Inhalt