Notwendig dafür ist eine Rehabilitation – und zwar im multidisziplinären Team. Wie genau die aussehen kann und soll, darüber haben drei Expert:innen beim virtuellen Symposium zur Rehabilitation nach Oberschenkelamputation, ausgerichtet von Ottobock, diskutiert. Mehrere Hundert Interessierte verfolgten das Event am Bildschirm.
Moderator Dipl.-Ing. (FH) Merkur Alimusaj, Leiter der Technischen Orthopädie am Klinikum Heidelberg, begrüßte in der virtuellen Runde Dr. Fiona Davie-Smith, Klinische Koordinatorin beim Scottish Specialist Prosthetics Service. Patient:innen beginnen normalerweise, ihre Beweglichkeit mit einem Trainingsbein wieder aufzubauen, bevor sie ihre erste Prothese erhalten, berichtete sie. Aber, so stellt Davie-Smith fest, die Patient:innen müssen unabhängig von ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit und Motivation mit dem mechatronischen Kniegelenk beginnen. Nach ihrer Erfahrung kann dieser mehrstufige Ansatz für Patient:innen oft eine Herausforderung und für Kliniker:innen ineffizient sein: Betroffene müssen ihre Gehfähigkeiten auf zwei verschiedenen Prothesenformen erlernen und neu erlernen, und das Rehabilitationsteam muss möglicherweise viele Trainingsprozesse wiederholen, wenn Anwender:innen später von einer mechanischen zu einer mechatronischen Knieprothese wechseln.
Ist ein Betroffener ein guter Kandidat für eine mechatronische Knieprothese, dann ist es das Ziel, diesen so früh wie möglich, idealerweise innerhalb von zwölf Monaten oder weniger nach der Oberschenkelamputation, auf ein mechatronisches Kniegelenk umzustellen. Je früher Patient:innen ein mechatronisches Kniegelenk angepasst wird, desto eher können sie neue Stufen ihrer funktionellen Fähigkeiten erklimmen – und gleichzeitig den Zeitaufwand der Kliniker:innen für das erneute Training auf ein Minimum reduzieren, so das Fazit von Davie-Smith.
Auswirkungen verlängerter Rehabilitation
Drei Wochen stationäre Rehabilitation – so viel Zeit gewähren die Krankenkassen in der Regel nach einer Oberschenkelamputation. Für Dr. Johannes Schröter, Ärztlicher Direktor bei MEDIAN Unternehmensgruppe BV & Co. KG, ist das zu wenig. Seiner Erfahrung nach benötigen viele Patient:innen häufig sechs Wochen oder länger, um wieder genügend Beweglichkeit aufzubauen, bevor sie entlassen werden sollten.
Aus diesem Grund führen Schröter und sein Team in Kooperation mit Ottobock derzeit eine Studie durch, die die Auswirkungen einer verlängerten Rehabilitation und einer frühzeitigen Anpassung eines mechatronischen Kniegelenks aufzeigen soll. Beim Symposium stellte Schröter bereits die Zwischenergebnisse der „Beobachtungsstudie zur frühen Rehabilitation nach Oberschenkelamputation bei mäßig aktiven Patienten“ vor: Patient:innen, die vor der Kenevo-Anpassung sechs bis acht Wochen lang eine Rehabilitation erhalten hatten, berichteten über eine verbesserte Beweglichkeit an allen bisher untersuchten Zeitpunkten. Verglichen mit der Kontrollgruppe bestätigte die Studiengruppe auch eine deutliche Verbesserung der LCI-Scores (Locomotor Capabilities Index), der Lebensqualität und der Sturzangst. Die Mitglieder der Studiengruppe tendierten außerdem zu einer wesentlich geringeren Anzahl an Stürzen und Stürzen mit Verletzungen. Das Team um Schröter hofft, dass mit zunehmender Menge von Studiendaten der Nachweis für die Machbarkeit und den Nutzen dieses Ansatzes weiter untermauert wird.
Psychische Herausforderungen meistern
Patient:innen, die älter, geschwächt und polymorbid sind, stellen für Hanna Löwén (MSc), Physiotherapeutin bei Aktiv Ortopedteknik aus Schweden, eine besondere Herausforderung dar. Ziel ist es, die Betroffenen so früh wie möglich zu mobilisieren – ein Ansatz, der nachweislich sowohl Komplikationen als auch die Mortalität reduziert. Doch nicht nur Gleichgewicht und Selbstständigkeit müssen erlernt werden, auch psychische Herausforderungen gilt es zu meistern. Löwén machte deutlich, dass es notwendig ist, klare, realistische Zielvorgaben zu machen, damit die Patient:innen ihre körperlichen Veränderungen und die ihres Selbstbilds akzeptieren können. Hilfreich dabei ist laut der Physiotherapeutin ein mechatronisches Kniegelenk. Denn im Gegensatz zu einem mechanischen Knie reduziere dieses die mentalen Anforderungen des Gehens mit einer Prothese erheblich.
Solche Erkenntnisse und Diskussionen mit Best Practices, Nachweisen und Technologien sind ein entscheidendes Merkmal, um die Rehabilitationsergebnisse für oberschenkelamputierte Menschen kontinuierlich zu verbessern, resümierte Alimusaj am Ende der Veranstaltung. „Mit Spezialisten wie diesen, die diese Entwicklung anführen, können wir darauf vertrauen, dass dieser Prozess rigoros, wirkungsvoll und auf die sinnvollsten Ergebnisse ausgerichtet ist.“
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