Stu­die beleuch­tet Poten­zi­al von MAKs

Medizinische adaptive Kompressionssysteme (MAKs) rücken zunehmend in den Fokus der Lymphödemtherapie. Unter der Leitung von PD Dr. Anett Reißhauer und PD Dr. Max E. Liebl hat die Charité – Universitätsmedizin Berlin deren Wirksamkeit gegenüber klassischer Kompressionsbandagierung untersucht

Für die Stu­die wur­den 24 Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit beid­sei­ti­gem Bein­lymph­ödem wäh­rend einer zehn­tä­gi­gen Ent­stau­ungs­pha­se (KPE Pha­se 1) mit bei­den Ver­fah­ren behan­delt – an einem Bein mit klas­si­scher Kom­pres­si­ons­ban­da­gie­rung mit Kurz­zug­bin­den, am ande­ren mit einem MAK-Sys­tem. Im Gespräch mit der OT-Redak­ti­on erläu­tert Reiß­hau­er die Hin­ter­grün­de sowie zen­tra­le Ergeb­nis­se der Stu­die und lei­tet dar­aus mög­li­che Kon­se­quen­zen für die Ver­sor­gungs­pra­xis ab.

Vor wel­che Her­aus­for­de­run­gen stellt die klas­si­sche Lymphödem­therapie sowohl Ver­sor­ger als auch Patienten?

Anett Reiß­hau­er: Her­aus­for­de­run­gen im Rah­men der Lymph­ödem­the­ra­pie gibt es man­nig­fal­ti­ge – sowohl für die Pati­en­ten und Pati­en­tin­nen als auch die Ver­sor­ger. Bei den Ver­sor­gern sind dabei alle betei­lig­ten Berufs­grup­pen, das gesam­te inter­pro­fes­sio­nel­le Team, ein­zu­schlie­ßen. Die Lymph­ödem­the­ra­pie benö­tigt Zeit, viel Ein­füh­lungs­ver­mö­gen und exzel­len­te Kennt­nis­se von allen an der Ver­sor­gung betei­lig­ten Berufs­grup­pen, die da sind: Sowohl Ärz­tin­nen und Ärz­te, The­ra­peu­tin­nen und The­ra­peu­ten als auch die Teams der Ortho­pä­die-Tech­nik und selbst­ver­ständ­lich auch die der Her­stel­ler. Die The­ra­pie des Lymph­ödems kann man als per­so­na­li­sier­te The­ra­pie bezeich­nen, da sie in vie­len Fra­gen aus­ge­spro­chen indi­vi­du­ell zu ent­schei­den ist. Pati­en­ten­sei­tig besteht die Her­aus­for­de­rung in der Akzep­tanz der Erkran­kung, der kon­se­quen­ten Umset­zung der the­ra­peu­ti­schen Emp­feh­lun­gen und auch der Gestal­tung des All­tags nach den Anfor­de­run­gen der Erkrankung.

Ange­sichts die­ser Her­aus­for­de­run­gen sind Sie inner­halb der Stu­die der Fra­ge nach­ge­gan­gen, ob MAKs Vor­tei­le bie­ten kön­nen. Wel­che Unter­schie­de konn­ten Sie zwi­schen MAKs und klas­si­scher Kompres­sionsbandagierung in Bezug auf Wirk­sam­keit, Hand­ha­bung und Com­pli­ance beob­ach­ten?

Die Kom­pres­si­ons­the­ra­pie ist die tra­gen­de Säu­le der The­ra­pie des Lymph­ödems. Sie besteht über­wie­gend aus dem Tra­gen der nach Maß ange­fer­tig­ten Kom­pres­si­ons­be­strump­fung, der zeit­wei­sen Anwen­dung von Kom­pres­si­ons­ban­da­gie­rung und wäh­rend der Ent­stau­ungs­pha­se in der täg­li­chen Anwen­dung der Kom­pres­si­ons­ban­da­gie­rung. In die­ser Pha­se der The­ra­pie meist auch im Bei­be­hal­ten der Ban­da­gie­rung wäh­rend der Nacht­ru­he. Die Mög­lich­keit, die sich mit medi­zi­nisch adap­tier­ter Kom­pres­si­ons­ver­sor­gung bie­tet, bezeich­ne ich ger­ne als soge­nann­ten Quan­ten­sprung in der Kom­pres­si­ons­the­ra­pie. Die MAKs machen eine Fle­xi­bi­li­sie­rung der Kompressions­therapie mög­lich, die uns in eini­gen Punk­ten bis­her tat­säch­lich gefehlt hat.

In Stu­di­en konn­ten wir zei­gen, dass MAKs sicher in der Selbst­an­la­ge sind, einer Maß ange­fer­tig­ten Flachstrick­ver­sor­gung nicht unter­le­gen sind – und auch dass MAKs sicher und nicht unter­le­gen sind in der Anwen­dung wäh­rend der Ent­stau­ungs­pha­se der kom­ple­xen phy­si­ka­li­schen Ent­stau­ungs­the­ra­pie. Durch die Anwen­dung der MAKs in der KPE Pha­se I ist es den Pati­en­ten mög­lich, die Kom­pres­si­on für Kör­per­hy­gie­ne und Haut­pfle­ge kurz­zei­tig abzu­le­gen und anschlie­ßend erneut anzu­le­gen. Dies ist ein enor­mer Vor­teil. Durch die Selbst­an­la­ge wäh­rend der KPE Pha­se I ist damit auch die The­ra­pie­lü­cke über Wochen­end- und Fei­er­ta­ge zu schlie­ßen. Sicher gibt es auch hier noch wei­te­ren Ent­wick­lungs­be­darf gera­de in der Fra­ge Fuß­kom­pres­si­on und Schuh­versorgung. Zudem muss auch die stan­dar­di­sier­te Bera­tung und Schu­lung der Pati­en­ten in Zukunft noch bes­ser auf­ge­gleist werden.

Wel­che Schlüs­se zie­hen Sie dar­aus für die ambu­lan­te und kli­ni­sche Versorgungspraxis?

Sowohl die ambu­lan­te als auch die sta­tio­nä­re Ver­sor­gung beim Lymph­ödem kann mit­hil­fe der MAKs noch bes­ser fle­xi­bi­li­siert wer­den. Dar­über hin­aus ist in unse­ren Stu­di­en die Anla­ge­zeit gemes­sen und ver­gli­chen wor­den. Hier hat sich her­aus­ge­stellt, dass die Anla­ge von MAKs mess­bar weni­ger Zeit in Anspruch nimmt. Und ein beson­de­rer Fakt ist die Nut­zung von MAKs bei beglei­tend not­wen­di­gen Wund­ver­sor­gun­gen. Auch hier stel­len MAKs eine erheb­li­che Ver­bes­se­rung dar.

Die aktu­el­le Stu­die fokus­siert auf die Ent­stau­ungs­pha­se (KPE Pha­se I). Inwie­weit eig­nen sich MAKs auch für die Erhal­tungs­pha­se (KPE II)?

In frü­he­ren Unter­su­chun­gen konn­te auch für die KPE Pha­se II die Nicht­unterlegenheit der MAKs gegen­über der Flachstrick­ver­sor­gung sowie ihre Sicher­heit bei der Selbst­an­la­ge nach­ge­wie­sen werden.

Wie beur­tei­len Sie die aktu­el­le Stu­di­en­la­ge zu MAKs ins­ge­samt? Braucht es wei­te­re Langzeitstudien?

Die Stu­di­en­la­ge zu MAKs ist ins­ge­samt als gut ein­zu­schät­zen. Stu­di­en, die eine län­ger­fris­ti­ge und regel­mäßige Anwen­dung unter­su­chen, sind sicher­lich mög­lich. Aller­dings ist an die­sem Punkt zu sagen, dass MAKs in kei­ner Wei­se als Ersatz einer maß­angefertigten Kom­pres­si­ons­ver­sor­gung zu betrach­ten sind, son­dern als abso­lut sinn­vol­le Ergän­zung der­ unter­schied­li­chen Kompressionsvarianten.

Die Fra­gen stell­te Pia Engelbrecht.

Zur Per­son

 

PD Dr. med. Anett Reiß­hau­er ist ­Direk­to­rin des Arbeits­be­reichs Phy­sikalische Medi­zin an der Cha­ri­té  – Uni­ver­si­täts­me­di­zin Ber­lin. Sie ist Fach­ärz­tin für Phy­si­ka­li­sche Medi­zin und Reha­bi­li­ta­ti­on. Reiß­hau­er enga­giert sich als Mit­glied des Vor­stands der Deut­schen Gesell­schaft für Phy­si­ka­li­sche und Reha­bi­li­ta­ti­ve Medi­zin (DGPRM) sowie des wissenschaft­lichen Bei­rats der Deut­schen Gesell­schaft für Lym­pho­lo­gie (DGL).

 

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