Sport gab und gibt ihr auch heute noch die Kraft, immer wieder über sich hinauszuwachsen. Um andere an dieser Erfahrung teilhaben zu lassen, hat sie die „Bewegungsförderung für Amputierte“ beim Verein „Anpfiff ins Leben“ initiiert. Abseits des wöchentlichen Programms stehen regelmäßig weitere Events auf dem Programm: Im Juli geht „Laufen mit Carbonfedern“ im baden-württembergischen Dielheim in die nächste Runde. Im Gespräch mit der OT-Redaktion berichtet Diana Schütz von den Highlights, die die Teilnehmer erwarten, bewegenden Erfolgsmomenten und der Bedeutung von Sport für Körper und Geist.
Welche Idee steckt hinter dem Angebot „Laufen mit Carbonfedern“?
Diana Schütz: Ich möchte Menschen mit Amputation die Möglichkeit geben, über das Gehen im Alltag hinaus auch wieder das Laufen zu erlernen und zu erleben. Laufen steht für Freiheit, Kraft und Lebensfreude – genau das wollen wir Betroffenen zurückgeben. Es geht nicht nur um Technik, sondern um das Gefühl, sich wieder schnell und frei bewegen zu können – ein Gefühl, das viele nach der Amputation oft verloren glauben.
Auf welche Highlights können sich die Teilnehmer im Juli freuen?
Ein besonderes Highlight wird die Möglichkeit sein, die Lauffedern des Herstellers „letslevitate“ selbst zu testen. Ich habe sie auf der OTWorld und bei der Expolife kennengelernt und war sofort begeistert. Dieses Event wird für viele eine echte Premiere – und vielleicht sogar der Start in eine ganz neue sportliche Erfahrung sein! Bei jedem Laufevent versuchen wir, Hersteller mit ins Boot zu holen, die Lauffedern auf den Markt bringen. Außerdem bieten wir am Samstag, den 19. Juli, eine Gehschule mit einer erfahrenen Gehschultrainerin an. Hier können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezielt an ihrem Gangbild arbeiten, Techniken verfeinern und wertvolle Tipps für den Alltag erhalten – ein echtes Plus für mehr Mobilität und Sicherheit mit der Prothese. Abends lassen wir den Tag dann ganz entspannt ausklingen: In unserem Pavillon mit gemütlicher Küche und Aufenthaltsraum werden wir gemeinsam essen, lachen und uns austauschen. Wer mag, kann auch direkt bei uns übernachten – die Übernachtungsmöglichkeiten sind praktisch und sorgen für eine entspannte Atmosphäre. Kurz gesagt: Es wird ein Wochenende voller Bewegung, Begegnung und echter Lebensfreude!
Welche Herausforderungen und Erfolgsmomente haben Sie bei vorherigen Veranstaltungen beobachten können?
Herausforderungen? Eigentlich gibt es kaum noch welche! Wir schaffen es, nahezu jeden – ob mit Unter- oder Oberschenkelamputation- und sogar Hüftexartikulation – ins Laufen zu bringen. Die emotionalen Momente, wenn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum ersten Mal wieder rennen, sind unbezahlbar. Oft fließen Tränen – vor Glück, vor Erleichterung. Das berührt auch uns tief. Es ist ein unglaubliches Geschenk, diese Entwicklung miterleben zu dürfen.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit mit Orthopädietechnikern und Physiotherapeuten für den Erfolg des Programms?
Diese Zusammenarbeit ist ein ganz entscheidender Faktor für den nachhaltigen Erfolg unserer Angebote. Wenn Orthopädietechnikerinnen oder Physiotherapeuten an unseren Laufwochenenden teilnehmen, profitieren alle Seiten: Sie sehen ihre Patientinnen und Patienten in Aktion, erleben live, was durch gezieltes Training möglich ist – und erhalten wertvolle Impulse für die Versorgung. Denn: Nur wer aktiv ist, wird fitter – und genau diese körperliche Fitness wirkt sich direkt positiv auf die prothetische Versorgung aus. Die Technik kann besser angepasst werden, die Mobilität steigt, und auch das Trageverhalten verbessert sich deutlich. Ich wünsche mir, dass noch mehr Technikerinnen und Techniker erkennen, welchen enormen Mehrwert es hat, wenn sie ihre Kunden aktiv auf unser Sportangebot hinweisen. Sie eröffnen damit nicht nur neue Perspektiven, sondern schaffen die Voraussetzung für eine deutlich bessere prothetische Versorgung. Sport ist kein „Nice-to-have“, sondern ein entscheidender Baustein auf dem Weg zu mehr Lebensqualität – für Betroffene und für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Anwendern und Technikern.
Welche Bedeutung hatte Sport für Sie persönlich in der Phase nach Ihrer Amputation – körperlich wie emotional?
Sport war und ist für mich Lebenselixier. Als junger Mensch hat er mir geholfen, meinen Körper neu kennenzulernen und Selbstvertrauen aufzubauen. Bewegung hat mir Kraft gegeben – physisch wie emotional. Ich weiß, wie schmerzhaft und lang der Weg sein kann, aber auch, wie sehr Sport dabei hilft, über sich hinauszuwachsen.
Können Sie sich noch an Ihren ersten Moment mit Sportprothese erinnern?
Oh ja, sehr gut sogar. Es war eine harte Zeit voller Frustration. Mein damaliger Techniker sagte mir, dass ich mit meiner Stumpflänge vermutlich nie laufen könne. Das hat mich tief verletzt. Es war ein langer, emotionaler und oft konfliktreicher Weg. Aber ich habe nicht aufgegeben. Heute motiviere ich andere genau deshalb – weil ich weiß, wie schwierig der Anfang sein kann. Und weil ich zeigen möchte, dass es möglich ist! Negative Erfahrungen möchte ich anderen ersparen – und das gelingt uns mittlerweile sehr gut.
Hat regelmäßiger Sport Auswirkungen auf das Laufverhalten mit Alltagsprothese?
Absolut. Wer regelmäßig läuft oder trainiert, geht mit der Alltagsprothese sicherer, stabiler und effizienter. Das sehen wir bei unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern jede Woche: Viele bewegen sich so natürlich, dass man die Amputation kaum noch wahrnimmt. Sport ist ein echter Gamechanger – nicht nur für den Körper, sondern auch für das Selbstbild.
Wie erleben Sie die aktuelle Situation für Amputierte im Breitensport?
In der Rhein-Main-Region haben wir das große Glück, ein starkes Netzwerk und viele Angebote für amputierte Sportlerinnen und Sportler zu haben. Doch deutschlandweit sieht es leider ganz anders aus. Es fehlt an Infrastruktur, an qualifizierten Ansprechpartnern – und oft einfach an Menschen, die sich dieser Aufgabe mit Herz und Kompetenz widmen. Ich wünsche mir, dass Vereine sich mehr öffnen, dass Sportangebote inklusiver werden und dass Betroffene aktiv eingeladen werden, mitzumachen. Das Potenzial ist riesig. Wir unterstützen hier gerne mit unserem Wissen und unserer Erfahrung! Und noch ein wichtiger Punkt: Wir verfügen bei „Anpfiff ins Leben“ über eine eigene Vereinsberatung, die gezielt Sportvereine beim Aufbau inklusiver Sportangebote unterstützt. Wer also als Verein aktiv werden möchte, ist bei uns an der richtigen Stelle – wir helfen gerne, Strukturen zu schaffen, in denen echte Teilhabe möglich ist.
Die Fragen stellte Pia Engelbrecht.