Sport als Game­ch­an­ger für Kör­per und Selbstbild

Im Alter von acht Jahren wurde bei Diana Schütz ein Osteosarkom am Knie diagnostiziert. Ihr Bein musste daraufhin amputiert werden.

Sport gab und gibt ihr auch heu­te noch die Kraft, immer wie­der über sich hin­aus­zu­wach­sen. Um ande­re an die­ser Erfah­rung teil­ha­ben zu las­sen, hat sie die „Bewe­gungs­för­de­rung für Ampu­tier­te“ beim Ver­ein „Anpfiff ins Leben“ initi­iert. Abseits des wöchent­lichen Pro­gramms ste­hen regel­mä­ßig wei­te­re Events auf dem Pro­gramm: Im Juli geht „Lau­fen mit Carbon­federn“ im baden-würt­tem­ber­gi­schen Diel­heim in die nächs­te Run­de. Im Gespräch mit der OT-Redak­ti­on berich­tet Dia­na Schütz von den High­lights, die die Teil­neh­mer erwar­ten, bewe­gen­den Erfolgs­momenten und der Bedeu­tung von Sport für Kör­per und Geist.

Wel­che Idee steckt hin­ter dem ­Ange­bot „Lau­fen mit Carbonfedern“?

Dia­na Schütz: Ich möch­te Men­schen mit Ampu­ta­ti­on die Mög­lich­keit geben, über das Gehen im All­tag hin­aus auch wie­der das Lau­fen zu erler­nen und zu erle­ben. Lau­fen steht für Frei­heit, Kraft und Lebens­freu­de – genau das wol­len wir Betrof­fe­nen zurück­ge­ben. Es geht nicht nur um Tech­nik, son­dern um das Gefühl, sich wie­der schnell und frei bewe­gen zu kön­nen – ein Gefühl, das vie­le nach der Ampu­ta­ti­on oft ver­lo­ren glauben.

Auf wel­che High­lights kön­nen sich die Teil­neh­mer im Juli freuen?

Ein beson­de­res High­light wird die Mög­lich­keit sein, die Lauf­fe­dern des Her­stel­lers „lets­le­vi­ta­te“ selbst zu ­tes­ten. Ich habe sie auf der OTWorld und bei der Expo­li­fe ken­nen­ge­lernt und war sofort begeis­tert. Die­ses Event wird für vie­le eine ech­te Pre­mie­re – und viel­leicht sogar der Start in eine ganz neue sport­li­che Erfah­rung sein! Bei jedem Lau­fe­vent ver­su­chen wir, Her­stel­ler mit ins Boot zu holen, die Lauf­fe­dern auf den Markt brin­gen. Außer­dem bie­ten wir am Sams­tag, den 19. Juli, eine Geh­schu­le mit einer erfah­re­nen Geh­schul­trai­ne­rin an. Hier kön­nen die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer gezielt an ihrem Gang­bild arbei­ten, Tech­ni­ken ver­fei­nern und wert­vol­le Tipps für den All­tag er­halten – ein ech­tes Plus für mehr Mobi­li­tät und Sicher­heit mit der Pro­the­se. Abends las­sen wir den Tag dann ganz ent­spannt aus­klin­gen: In unse­rem ­Pavil­lon mit gemüt­li­cher Küche und Auf­ent­halts­raum wer­den wir ge­meinsam essen, lachen und uns ­aus­tau­schen. Wer mag, kann auch ­direkt bei uns über­nach­ten – die Über­nachtungsmöglichkeiten sind prak­tisch und sor­gen für eine ent­spann­te Atmo­sphä­re. Kurz ­gesagt: Es wird ein Wochen­en­de vol­ler Bewe­gung, ­Begeg­nung und ech­ter Lebensfreude!

Wel­che Her­aus­for­de­run­gen und ­Erfolgs­mo­men­te haben Sie bei ­vor­he­ri­gen Ver­an­stal­tun­gen beob­ach­ten können?

Her­aus­for­de­run­gen? Eigent­lich gibt es kaum noch wel­che! Wir schaf­fen es, nahe­zu jeden – ob mit Unter- oder Ober­schen­kel­am­pu­ta­ti­on- und sogar Hüf­tex­ar­ti­ku­la­ti­on – ins Lau­fen zu brin­gen. Die emo­tio­na­len Momen­te, wenn die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer zum ers­ten Mal wie­der ren­nen, sind unbe­zahl­bar. Oft flie­ßen Trä­nen – vor Glück, vor Erleich­te­rung. Das berührt auch uns tief. Es ist ein unglaub­li­ches Geschenk, die­se Ent­wick­lung mit­er­le­ben zu dürfen.

Wie wich­tig ist die Zusammen­arbeit mit Ortho­pä­die­tech­ni­kern und ­Phy­sio­the­ra­peu­ten für den Erfolg des Programms?

Die­se Zusam­men­ar­beit ist ein ganz ent­schei­den­der Fak­tor für den nach­hal­ti­gen Erfolg unse­rer Ange­bo­te. Wenn Ortho­pä­die­tech­ni­ke­rin­nen oder Phy­sio­the­ra­peu­ten an unse­ren Lauf­wo­chen­en­den teil­neh­men, pro­fi­tie­ren alle Sei­ten: Sie sehen ihre Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten in Akti­on, erle­ben live, was durch geziel­tes Trai­ning mög­lich ist – und erhal­ten wert­vol­le Impul­se für die Ver­sor­gung. Denn: Nur wer aktiv ist, wird fit­ter – und genau die­se kör­per­li­che Fit­ness wirkt sich direkt posi­tiv auf die pro­the­ti­sche Ver­sor­gung aus. Die Tech­nik kann bes­ser ange­passt wer­den, die Mobi­li­tät steigt, und auch das Tra­ge­ver­hal­ten ver­bes­sert sich deut­lich. Ich wün­sche mir, dass noch mehr Tech­ni­ke­rin­nen und Tech­ni­ker erken­nen, wel­chen enor­men Mehr­wert es hat, wenn sie ihre Kun­den aktiv auf unser Sport­an­ge­bot hin­wei­sen. Sie eröff­nen damit nicht nur neue Per­spek­ti­ven, son­dern schaf­fen die V­oraussetzung für eine deut­lich bes­se­re pro­the­ti­sche Ver­sor­gung. Sport ist kein „Nice-to-have“, son­dern ein ent­schei­den­der Bau­stein auf dem Weg zu mehr Lebens­qua­li­tät – für Betrof­fe­ne und für eine erfolg­rei­che Zusam­men­ar­beit zwi­schen Anwen­dern und Technikern.

Wel­che Bedeu­tung hat­te Sport für Sie per­sön­lich in der Pha­se nach Ihrer Ampu­ta­ti­on – kör­per­lich wie emotional?

Sport war und ist für mich Lebens­eli­xier. Als jun­ger Mensch hat er mir gehol­fen, mei­nen Kör­per neu ken­nen­zu­ler­nen und Selbst­ver­trau­en auf­zu­bau­en. Bewe­gung hat mir Kraft gege­ben – phy­sisch wie emo­tio­nal. Ich weiß, wie schmerz­haft und lang der Weg sein kann, aber auch, wie sehr Sport dabei hilft, über sich hinauszuwachsen.

Kön­nen Sie sich noch an Ihren ers­ten Moment mit Sport­pro­the­se erinnern?

Oh ja, sehr gut sogar. Es war eine har­te Zeit vol­ler Frus­tra­ti­on. Mein dama­li­ger Tech­ni­ker sag­te mir, dass ich mit mei­ner Stumpf­län­ge ver­mut­lich nie lau­fen kön­ne. Das hat mich tief ver­letzt. Es war ein lan­ger, emo­tio­na­ler und oft kon­flikt­rei­cher Weg. Aber ich habe nicht auf­ge­ge­ben. Heu­te moti­vie­re ich ande­re genau des­halb – weil ich weiß, wie schwie­rig der Anfang sein kann. Und weil ich zei­gen möch­te, dass es mög­lich ist! Nega­ti­ve Erfah­run­gen möch­te ich ande­ren erspa­ren – und das gelingt uns mitt­ler­wei­le sehr gut.

Hat regel­mä­ßi­ger Sport Aus­wirkungen auf das Lauf­ver­hal­ten mit Alltagsprothese?

Abso­lut. Wer regel­mä­ßig läuft oder trai­niert, geht mit der All­tags­pro­the­se siche­rer, sta­bi­ler und effi­zi­en­ter. Das sehen wir bei unse­ren Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mern jede Woche: Vie­le bewe­gen sich so natür­lich, dass man die Ampu­ta­ti­on kaum noch wahr­nimmt. Sport ist ein ech­ter Game­changer – nicht nur für den Kör­per, son­dern auch für das Selbstbild.

Wie erle­ben Sie die aktu­el­le Situa­tion für Ampu­tier­te im Breitensport?

In der Rhein-Main-Regi­on haben wir das gro­ße Glück, ein star­kes Netz­werk und vie­le Ange­bo­te für ampu­tier­te Sport­le­rin­nen und Sport­ler zu haben. Doch deutsch­land­weit sieht es lei­der ganz anders aus. Es fehlt an Infra­struk­tur, an qua­li­fi­zier­ten Ansprech­part­nern – und oft ein­fach an Men­schen, die sich die­ser Auf­ga­be mit Herz und Kom­pe­tenz wid­men. Ich wün­sche mir, dass Ver­ei­ne sich mehr öff­nen, dass Sport­angebote inklu­si­ver wer­den und dass Betrof­fe­ne aktiv ein­ge­la­den wer­den, mit­zu­ma­chen. Das Poten­zi­al ist rie­sig. Wir unter­stüt­zen hier ger­ne mit unse­rem Wis­sen und unse­rer Erfah­rung! Und noch ein wich­ti­ger Punkt: Wir ver­fü­gen bei „Anpfiff ins Leben“ über eine eige­ne Ver­eins­be­ra­tung, die gezielt Sport­ver­ei­ne beim Auf­bau inklu­si­ver Sport­an­ge­bo­te unter­stützt. Wer also als Ver­ein aktiv wer­den möch­te, ist bei uns an der rich­ti­gen Stel­le – wir ­hel­fen ger­ne, Struk­tu­ren zu schaf­fen, in ­denen ech­te Teil­ha­be mög­lich ist.

Die Fra­gen stell­te Pia Engelbrecht.

„Lau­fen mit Car­bon­fe­dern“ fin­det am 19. und 20. Juli 2025 am Sport­park in Diel­heim statt. Teil­neh­men kön­nen sowohl Anfän­ger als auch Fort­ge­schrit­te­ne. Anmel­dun­gen nimmt ­Dia­na Schütz per Mail unter d.schuetz@ail-ev.de ent­ge­gen. Die Plät­ze sind limi­tiert. Anmel­de­schluss ist der 3. Juli 2025. 

 

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