Spas­tik­ma­nage­ment durch Neuromodulation

„Neurologische Herausforderungen gemeinsam meistern“: Unter diesem Motto hat das zweite von Ottobock ausgerichtete Neuro-Mobility-Symposium stattgefunden.

Unter wis­sen­schaft­li­cher Lei­tung von Dr. Jen­ni­fer Ernst, Chir­ur­gin und Ober­ärz­tin an der Medi­zi­ni­schen Hoch­schu­le Han­no­ver, dis­ku­tier­ten Expert:innen aus Medi­zin, Ortho­pä­die-Tech­nik und Phy­sio­the­ra­pie sowie zwei Betrof­fe­ne das The­ma Spas­tik­ma­nage­ment durch Neu­ro­mo­du­la­ti­on. Ziel des inter­dis­zi­pli­nä­ren Aus­tauschs war es, für Ver­sor­gungs­brü­che zu sen­si­bi­li­sie­ren, neue Poten­zia­le zu erken­nen und die Situa­ti­on von Patient:innen mit spas­ti­scher Pare­se durch Mul­ti­ple Skle­ro­se, Cere­bral­pa­re­se oder Schlag­an­fall zu verbessern.

„Die Spra­che unse­rer Ner­ven ist ein elek­tri­sches Signal – das macht die Neu­ro­mo­du­la­ti­on zu einem sinn­vol­len, neben­wir­kungs­ar­men Instru­ment, wenn die Elek­trik des Mus­kels durch eine Spas­tik in Unord­nung gera­ten ist“, beton­te Ernst zu Beginn des Sym­po­si­ums. „Aber wir brau­chen nicht nur eine kli­ni­sche Objek­ti­vie­rung, son­dern auch eine funktionelle.“

Dar­an knüpf­te Dr. Andre­as Hahn, Cor­po­ra­te Vice Pre­si­dent Cli­ni­cal Rese­arch & Ser­vices bei Otto­bock, an und rich­te­te den Fokus auf Bewe­gungs­de­fi­zi­te durch Infan­ti­le Cere­bral­pa­re­se, Mul­ti­ple Skle­ro­se und Schlag­an­fall. Ers­te brei­te Stu­di­en sowie Anwen­dungs­be­ob­ach­tun­gen zeig­ten bei­spiels­wei­se anhand der Berg Balan­ce Sca­le ein ver­rin­ger­tes Sturz­ri­si­ko, weni­ger Schmer­zen und eine ver­bes­ser­te Lebens­qua­li­tät durch den Neu­ro­mo­du­la­ti­ons­an­zug Exo­pul­se Mol­lii Suit – sowohl kurz- als auch lang­fris­tig. „Aber wir müs­sen uns immer von Neu­em fra­gen: Wie schau­en wir wo mit wel­chen Instru­men­ten hin? Es geht nicht nur um mög­lichst schnel­le Tests, son­dern um sinn­vol­le funk­tio­nel­le Objek­ti­vie­run­gen“, erin­ner­te Hahn.

Ortho­pä­die­tech­ni­ker Gün­ter Biesch­in­ski und Phy­sio­the­ra­peut Den­nis Koch bei Rahm – Zen­trum für Gesund­heit & Mobi­li­tät ver­deut­lich­ten anhand ver­schie­de­ner Fall­bei­spie­le aus ihrem Arbeits­all­tag, wie Patient:innen den Neu­ro­mo­du­la­ti­ons­an­zug nut­zen und wie sie den Effekt der Elek­tro­sti­mu­la­ti­on erfah­ren. „Der Exo­pul­se Mol­lii Suit kann sich vor allem bei der Anwen­dung über einen län­ge­ren Zeit­raum als sehr wir­kungs­voll erwei­sen und ist gera­de in der häus­li­chen Anwen­dung ein super Kon­zept als Ergän­zung zur The­ra­pie“, fass­te Biesch­in­ski zusammen.

Prof. Dr. Bernd Brüg­gen­jür­gen, Lei­ter des Insti­tuts für Ver­sor­gungs­for­schung und tech­ni­sche Ortho­pä­die an der MHH Hannover/Diakovere Annastift, wid­me­te sich der Fra­ge „Wie kommt die Tech­no­lo­gie zu den Patient:innen und wie kön­nen Ver­sor­gungs­brü­che bewäl­tigt wer­den?“ und gab auch gleich Ant­wor­ten mit auf den Weg: „Wir brau­chen vor allem eine Inte­gra­ti­on der Pati­en­ten­be­dürf­nis­se und eine inte­grier­te, regio­na­le Vor-Ort-Ver­sor­gung – kei­ne Silo-Ver­sor­gung. So kön­nen wir sinn­vol­le Über­gän­ge zwi­schen den Ver­sor­gung­be­rei­chen schaf­fen, anstatt blo­ße Schnitt­stel­len zu managen.“

„Reha­bi­li­ta­ti­on ist Arbeit im inter­dis­zi­pli­nä­ren Team und das meint vor allen: mit dem Pati­en­ten zusam­men“, stell­ten Dr. Dör­the Lison und Dr. Andre­as Lison vom Zen­trum für Sport­me­di­zin der Bun­des­wehr klar. „Nur wenn Teil­ha­be­stö­run­gen – einem moder­nen Behin­de­rungs­be­griff fol­gend – umfas­send erkannt wer­den, kön­nen Bar­rie­ren über­wun­den und Behin­de­rung ver­mie­den werden.“

Phy­sio­the­ra­peu­tin Rena­ta Horst, spe­zia­li­siert in Ortho­pä­di­scher Manu­el­ler The­ra­pie, Neu­ro­lo­gi­scher Reha­bi­li­ta­ti­on und Moto­ri­schem Ler­nen, stell­te Fall­bei­spie­le vor und mach­te dar­an deut­lich, was das Ziel einer Reha­bi­li­ta­ti­ons­the­ra­pie ist: Anstatt Patient:innen ledig­lich zu behan­deln, soll­ten sie mit ent­spre­chen­dem Input zum Han­deln befä­higt werden.

Laut Dr. Jür­gen Koh­ler, nie­der­ge­las­se­ner Neu­ro­lo­ge im Neu­ro- und Phy­sio­zen­trum Zoll­hal­le in Frei­burg im Breis­gau, ent­stün­den Hin­der­nis­se sei­tens der Ver­ord­ner und Ärzt:innen vor allem durch unzu­rei­chen­de Kennt­nis­se in Bezug auf orthe­ti­sche Ver­sor­gungs­mög­lich­kei­ten, feh­len­de Koope­ra­tio­nen mit Sani­täts­häu­sern und Orthopädietechniker:innen. „Wir müs­sen Neu­ro­lo­gen mit ins Boot holen und zudem Schwel­len­ängs­te zwi­schen Medi­zin und Ortho­pä­die-Tech­nik abbau­en“, plä­dier­te er.

„Es müs­sen sinn­vol­le Ver­sor­gungs­über­gän­ge zwi­schen Medi­zin, Ortho­pä­die-Tech­nik, The­ra­peu­ten und Pati­en­ten geschaf­fen wer­den“, schluss­fol­ger­te Ernst mit Blick auf Aspek­te beim Spas­tik­ma­nage­ment durch Neu­ro­mo­du­la­ti­on. „Zudem bedarf es indi­vi­du­el­ler Behand­lungs­plä­ne, die Betrof­fe­ne ganz­heit­lich betrach­ten und aktiv ein­bin­den – und deren Ergeb­nis­se auf funk­tio­na­ler Ebe­ne objek­ti­viert und doku­men­tiert wer­den. Damit The­ra­pien, Hilfs­mit­tel und Tech­no­lo­gien wie der Exo­pul­se Mol­lii Suit dort ankom­men und ein­ge­setzt wer­den, wo sie gebraucht wer­den: Bei den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. Das alles ist ohne den fach­über­grei­fen­den Aus­tausch nicht umsetzbar.“

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