Rin­gen um finan­zier­ba­re Ver­sor­gung und fai­re Vergütung

Ein eindeutiges Signal für die Stärkung der konservativen Orthopädie ging am 31. Januar von der 8. Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für interprofessionelle Hilfsmittelversorgung (DGIHV) in Hannover aus.

War das Leit­mot­to der Ver­an­stal­tung „Kon­ser­va­tiv first“ im Vor­feld noch mit einem Fra­ge- und Aus­ru­fe­zei­chen ver­se­hen, so wur­de an die­sem Tag an der Medi­zi­ni­schen Hoch­schu­le in Han­no­ver deut­lich, wie sehr Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten sowie das Gesund­heits­sys­tem in Sum­me von Ver­sor­gungs­we­gen jen­seits ope­ra­ti­ver Ein­grif­fe pro­fi­tie­ren können.

Anzei­ge

GVSG kommt

Unmit­tel­bar vor Beginn der Fach­ta­gung war bekannt gewor­den, dass der Bun­des­tag im Rah­men des Beschlus­ses des Gesund­heits­ver­sor­gungs­stär­kungs­ge­set­zes (GVSG) den Weg frei gemacht hat für eine bes­se­re und unbü­ro­kra­ti­sche­re Ver­sor­gung von Men­schen mit Schwer­erkran­kun­gen und Behin­de­run­gen mit Hilfs­mit­teln im Rah­men der Ver­sor­gung in Sozi­al­päd­ia­tri­schen Zen­tren (SPZ) und in Medi­zi­ni­schen Zen­tren für Erwach­se­ne mit Behin­de­rung (MZEB). Aus Sicht von Prof. Dr. Wolf­ram Mit­tel­mei­er, Vor­stands­vor­sit­zen­der der DGIHV, eine drin­gend not­wen­di­ge Ent­schei­dung: „Sozi­al­päd­ia­tri­sche Zen­tren benö­ti­gen drin­gend sta­bi­le Kapa­zi­tä­ten, um eine qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­ge Ver­sor­gung sicher­zu­stel­len.“ Auch Dr. Bern­hard van Tre­eck, unpar­tei­isches Mit­glied des Gemein­sa­men Bun­des­aus­schus­ses (G‑BA), begrüß­te im Rah­men sei­nes Vor­trags zum Auf­trag und Gestal­tungs­rah­men des G‑BA in der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung das neu beschlos­se­ne Gesetz.

Einen gan­zen Rei­gen an Bei­spie­len aus dem Gesund­heits­sys­tem, bei denen ent­we­der zu früh zu einer Ope­ra­ti­on ten­diert oder die Mög­lich­kei­ten der kon­ser­va­ti­ven Ortho­pä­die nicht aus­rei­chend genutzt wer­den, brach­te BIV-OT-Vize­prä­si­dent Albin May­er in sei­nem Impuls­bei­trag zur Spra­che. So bezeich­ne­te der Ortho­pä­die­tech­nik-Meis­ter u. a. die Anwen­dung einer Kom­pres­si­ons­the­ra­pie bei Lymph­ödem oder die getrof­fe­nen Maß­nah­men bei Dia­be­tes als stark aus­bau- bzw. ver­bes­se­rungs­fä­hig: „Wenn wir die kon­ser­va­ti­ve Ver­sor­gung stär­ken, Kom­pe­ten­zen klar zuwei­sen und die Ver­sor­gung von büro­kra­ti­schen Pro­zes­sen tren­nen – Stich­wort Ent­bü­ro­kra­ti­sie­rung –, pro­fi­tie­ren alle – Pati­en­ten, Leis­tungs­er­brin­ger und das Gesundheitssystem.“

Büro­kra­tie­ab­bau dank Digitalisierung?

Eine Mög­lich­keit, die Last der Büro­kra­ti­sie­rung für die Betei­lig­ten im Gesund­heits­sys­tem zu redu­zie­ren, ist der erwei­ter­te Ein­satz von digi­ta­len Auto­ma­tis­men. „Die Digi­ta­li­sie­rung ist kein Selbst­zweck. Sie dient dazu, die nöti­gen Infor­ma­tio­nen per Knop­f­ruck zu erhal­ten, damit mehr Zeit für die Ver­sor­gung bleibt“, stell­te Jörg Rüben­sam her­aus. Er selbst ist Pro­dukt­ma­na­ger bei der Gema­tik und sieht die Trans­for­ma­ti­on mit Blick auf die auf den Weg gebrach­te Tele­ma­tik­in­fra­struk­tur (TI) als Anlass, bestehen­de Abläu­fe und Struk­tu­ren zu hin­ter­fra­gen, bevor sie 1:1 vom Ana­lo­gen ins Digi­ta­le über­nom­men wer­den. Der DGIHV-Vor­sit­zen­de Mit­tel­mei­er ergänz­te im Zuge des­sen noch einen wei­te­ren wich­ti­gen Punkt: „Zugleich kann die Digi­ta­li­sie­rung die ver­schie­de­nen Akteu­re bes­ser mit­ein­an­der ver­net­zen. Sie trägt so unter ande­rem dazu bei, Dop­pel­ver­sor­gun­gen zu ver­mei­den und damit wei­te­re Kos­ten im Gesund­heits­sys­tem zu senken.“

Kei­nen leich­ten Stand hat­te Andre­as Brand­horst in Han­no­ver. Der Refe­rats­lei­ter Hilfs­mit­tel im Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Gesund­heit (BMG), sah sich For­de­run­gen aus­ge­setzt, im Sin­ne der Teil­ha­be am sozia­len Leben die Rah­men­be­din­gun­gen für die erwei­ter­te Kos­ten­über­nah­me durch die Kran­ken­kas­sen zu ver­bes­sern. Dafür sieht Brand­horst aller­dings so gut wie kei­nen Spiel­raum: „Gesetz­li­che Leis­tungs­aus­wei­tun­gen sind ange­sichts der Finan­zie­rungs­si­tua­ti­on der GKV unwahr­schein­lich.“ Der Poli­ti­ker ergänz­te deut­lich: „Die För­de­rung von Frei­zeit­sport und Ver­eins­sport gehö­ren nicht zu den Auf­ga­ben der Kran­ken­kas­sen bei der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung.“ Über die­se Posi­ti­on konn­te Bene­dikt Ewald, Direk­tor Sport­ent­wick­lung beim Deut­schen Behin­der­ten­sport­ver­band e. V. (DBS) nur den Kopf schüt­teln: „Kein Wun­der, dass von den mehr als 13 Mil­lio­nen Men­schen mit Behin­de­rung in Deutsch­land 55 Pro­zent kei­nen Sport treiben.“

Armut darf kein Fak­tor bei der Ver­sor­gungs­qua­li­tät sein

Prof. Mit­tel­mei­er erwei­ter­te das Spek­trum der Dis­kus­si­on um das Schul­tern der Ver­sor­gung durch die Kos­ten­trä­ger noch um einen wei­te­ren gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Aspekt: „Eigen­an­tei­le könn­ten dazu füh­ren, dass ein­kom­mens­schwä­che­re Ver­si­cher­te auf not­wen­di­ge Hilfs­mit­tel ver­zich­ten – mit weit­rei­chen­den Fol­gen für ihre Gesund­heit und das Gesund­heits­sys­tem.“ Sein Fazit anläss­lich der Fach­ta­gung lau­te­te: „Leit­li­ni­en, Ver­sor­gungs­pfa­de und Lehr­plä­ne müs­sen inter­dis­zi­pli­när abge­stimmt und von Kos­ten­trä­gern aner­kannt wer­den. Gleich­zei­tig brau­chen wir eine leis­tungs­ge­rech­te Ver­gü­tung, die Qua­li­tät und Effi­zi­enz belohnt. Und nicht zuletzt müs­sen wir den enor­men büro­kra­ti­schen Auf­wand und sei­ne Kos­ten sen­ken. So geben wir am Ende weni­ger aus, errei­chen aber mehr für die Gesund­heit unse­rer Gesellschaft.“

Zentra­le Bot­schaf­ten der DGIHV-Fachtagung

Ortho­pä­di­sche Hilfsmittel …

  • unter­stüt­zen maß­geb­lich Versorgungserfolge
  • ent­las­ten die Aus­ga­ben im Gesundheitssystem
  • müs­sen für die Gesamt­be­völ­ke­rung glei­cher­ma­ßen finan­zier­bar sein
  • müs­sen für Kin­der und erwach­sen­de Pfle­ge­be­dürf­ti­ge unbü­ro­kra­tisch zugäng­lich sein. 

 

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