„Für Betroffene ist ein aktives Selbstmanagement natürlich schwieriger als eine, wie bisher empfohlene, passive manuelle Lymphdrainage, was die Akzeptanz des neuen therapeutischen Ansatzes schmälert“, berichtete Fiedler. Er weiß, dass sich einige Vorurteile gegen den Paradigmenwechsel auch immer noch halten: „Zu kaum einer anderen Erkrankung der Patientinnen und Patienten in unserer Praxis wurden und werden so viele Fehl- und Falschinformationen verbreitet.“ Dank neuer Erkenntnisse von Expert:innen konnten viele dieser Behauptungen inzwischen widerlegt werden – beispielsweise die Fehlannahme, das Lipödem sei eine Ödemerkrankung und die manuelle Lymphdrainage (MLD) daher das zentrale Therapieelement zur erforderlichen Entstauung. Seit einigen Jahren vollzieht sich in der Behandlung dieser sehr belastenden chronischen, aber eben nicht progressiven Erkrankung ein Paradigmenwechsel. Im Vordergrund steht nun nicht mehr die Notwendigkeit einer Entstauung des Gewebes, sondern die Schmerzreduktion, welche durch die Kombination von psychologischer Mitbehandlung, körperlicher Aktivität – wie beispielsweise Sport – und Kompressionstherapie erreicht werden kann. Wichtig ist laut Fieder neben einer ausführlichen Anamnese auch eine Untersuchung der betroffenen Stellen. Nur so könne ein Spannungs‑, Berührungs- oder Druckschmerz festgestellt werden. Denn: „Das Lipödem ist keine Blickdiagnose.“
Physio- und Bewegungstherapie, Kompressionstherapie, Psychosoziale Therapie, Gewichtsmanagement, Liposuktion und Selbstmanagement – auf diesen Säulen fußt der aus den zentralen Beschwerden der Lipödem-Patientinnen abgeleitete und von Expert:innen im Rahmen des internationalen Konsensus veröffentlichte Therapieansatz. „Die manuelle Lymphdrainage ist hingegen nur zu Beginn einer Behandlung aufgrund ihrer schmerzlindernden und antidepressiven Wirkung zur Besserung des Allgemeinbefindens vorübergehend und zeitlich begrenzt sinnvoll“, sagte Fiedler. Wenn kein Ödem nachweisbar sei, gebe es auch nichts zu entstauen.
Während die Gewichtsreduktion ein wesentlicher und alternativloser Aspekt sei, solle eine Liposuktion nur unter seitens der Expert:innen des Konsensus vorgeschlagenen Voraussetzungen erwogen werden, so der Gefäßspezialist. Dazu gehören eine erfolglose konservative Therapie und eine Gewichtsstabilität von zwölf Monaten. Zudem müsse die Operation in ein gesamttherapeutisches Konzept eingebunden sein. Eine Flachstrickkompression zur symptomatischen Behandlung zählt nach wie vor zur wichtigen Säule der Kompressionstherapie. „Wir sehen, dass Kompressionstherapie zu einer sofortigen Wirkung führt. Sie wird jedoch nicht zur Entstauung eingesetzt, sondern aufgrund ihrer antiinflammatorischen Effekte im Gewebe und der damit verbundenen Schmerzlinderung.“
Hauke Cornelsen, Hamburger Wundtherapeut, zeigte neue Wege in der Versorgung chronischer Wunden auf, Ralph Martig, Sanitätshaus Schaub in Freiburg, referierte über Neuigkeiten aus der Produktgruppe 17 und Privat-Dozent Dr. Martin Leu, Oberarzt an der Klinik und Polyklinik für Strahlentherapie & Radioonkologie am Universitätsklinikum Göttingen, informierte die Runde über moderne Bestrahlungstechniken in der Krebstherapie. Es folgte eine Diskussionsrunde, in der die Experten gemeinsam über aktuelle Themen sprachen und den Teilnehmer:innen für Fragen zur Verfügung standen. Ein Highlight des Symposiums war der Motivationsvortrag des Extremsportlers Joey Kelly, der über das Erreichen von selbstgesetzten Zielen und die Überwindung von inneren Hürden sprach. Der zweite Tag des Symposiums hielt ein vielfältiges Workshop-Angebot bereit – von Anmess- und Produkttrainings über medizinische Themen bis hin zu Kommunikations- und Verkaufstrainings.