Mit Empa­thie Türen öffnen

Wann ist eine Versorgung eigentlich erfolgreich? Und wie gelangt man dorthin? Über diese und weitere Fragen diskutierten die Referent:innen unter dem Vorsitz von Orthopädietechnik-Meisterin Alexandra Reim beim Workshop „Hilfsmittelversorgung zwischen Wunsch und Wirklichkeit“, der in Kooperation mit der Bundesfachschule für Orthopädie-Technik (Bufa) stattfand.

Wer sich für den Beruf des Ortho­pä­die­tech­ni­kers bzw. der Ortho­pä­die­tech­ni­ke­rin ent­schei­det, wird nicht nur fach­lich im Arbeits­all­tag gefor­dert wer­den, son­dern auch mensch­lich. OTM Samu­el Schiel stell­te den Ver­sor­gungs­pro­zess von der Kon­takt­auf­nah­me über die Ana­mne­se bis hin zur Inte­rims­ver­sor­gung dar und mach­te gleich zu Beginn deut­lich, wor­auf es wäh­rend­des­sen ankommt: „Ver­lie­ren Sie nie den Kon­takt zum Pati­en­ten“, appel­lier­te er an das Publi­kum, die­se auch hin­ter ihrer Kran­ken­ak­te ken­nen­zu­ler­nen. „Neh­men Sie sich Zeit und hören Sie sich ihre Geschich­ten an.“ Einer, der mit dem Ken­nen­ler­nen merk­lich früh star­tet, ist Dr. Ulrich Haf­ke­mey­er vom Sozi­al­päd­ia­tri­schen Zen­trum West­müns­ter­land der Chris­to­pho­rus Kli­ni­ken Coes­feld. Für ihn beginnt die Ana­mne­se bereits wäh­rend der Schwan­ger­schaft. Um den Behand­lungs­plan und das The­ra­pie­ziel fest­zu­le­gen, ist es für ihn wich­tig zu wis­sen: Wo war das Kind? Wo ist es jetzt? Und wo will es hin? „Wer kein Ziel hat, wird auch keins errei­chen“, bestä­tig­te Maik Poll­mey­er von Ortho­pä­die-Tech­nik Müns­ter­land. Mit unge­nau­en Aus­sa­gen baue man Hilfs­mit­tel ins Unge­wis­se. Statt „ich will wie­der gehen kön­nen“ sei es effek­ti­ver, kon­kre­te Zie­le mit den Patient:innen zu ver­ein­ba­ren, wie „in vier Wochen will ich ohne Geh­hil­fe lau­fen kön­nen“. Bei der Kon­trol­le kön­nen ein Pro­fil­erhe­bungs­bo­gen sowie ver­schie­de­ne Mess­ge­rä­te wie Gang­la­bor, Druck­mes­sung, Video- und Foto­auf­nah­men unter­stüt­zen. Doch mes­sen ist nicht alles. Eben­so wich­tig, wenn nicht sogar wich­ti­ger, sei es, sich psy­cho­so­zia­len Aspek­ten zu wid­men. „Ein Hilfs­mit­tel muss den Pati­en­ten wei­ter­brin­gen – und das nicht nur auf der Geh­stre­cke, son­dern im Leben“, beton­te Poll­mey­er. Geht er wie­der in den Kegel­club? Trifft er sich mit Freund:innen? Traut er sich, um Hil­fe zu bit­ten? „All das kann Erfolgs­kon­trol­le eines Hilfs­mit­tels sein.“

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OTM Chris­to­pher Berk­holz gab Ein­blick in eine Unter­su­chung, die mit sechs Not­fall­am­bu­lan­zen in Ham­burg über einen Zeit­raum von drei Mona­ten durch­ge­führt wur­de. Die Rezept­sta­tis­tik zeigt: Bei glei­cher Dia­gno­se wur­den den Patient:innen völ­lig ande­re Ver­sor­gun­gen ver­ord­net. Wor­an liegt das? Und wel­che Lösungs­an­sät­ze gibt es? Not­wen­dig sei es, den Weg des Rezep­tes zu steu­ern, u. a. kla­re Zustän­dig­kei­ten fest­zu­le­gen. Dar­über hin­aus hält Berk­holz ein Schu­lungs­kon­zept für Ärzt:innen und Therapeut:innen zum The­ma hilfs­mit­tel­be­zo­ge­ne Ver­sor­gungs­pa­ke­te nach ICD-Codes für sinn­voll. Und er stell­te fol­gen­de Opti­on in den Raum: „Wäre eine Leit­li­nie sinn­voll oder braucht der Pati­ent Glück, um adäquat ver­sorgt zu werden?“

Orthopädietechniker:innen wer­den in ihrem Arbeits­all­tag oft mit schwe­ren Schick­sals­schlä­gen kon­fron­tiert. „Es kann schwie­rig für uns sein, die­se nicht mit nach Hau­se zu neh­men“, berich­te­te OTM Luzie Hop­pe von eige­nen, über­for­dern­den Situa­tio­nen. Um die Resi­li­enz zu stär­ken, gab sie dem Publi­kum meh­re­re Tipps mit auf den Weg. Sie selbst stel­le immer wie­der fest, wie wert­voll sozia­le Bezie­hun­gen, also z. B. Gesprä­che mit den Kolleg:innen, für die eige­ne Wider­stands­fä­hig­keit sei­en. Eben­so wich­tig: Zeit für sich. Zeit zum Abschal­ten. Die nimmt sie sich beim täg­li­chen Spa­zier­gang in der Mit­tags­pau­se. Sich zu enga­gie­ren und sich im Betrieb gegen­sei­tig zu unter­stüt­zen, stellt für sie einen wei­te­ren wich­ti­gen Fak­tor zur Stär­kung der Resi­li­enz dar. Wäh­rend gro­ße Zie­le schnell über­for­dern, könn­ten klei­ne dabei hel­fen, dem gro­ßen Gan­zen Schritt für Schritt näher zu kom­men. Den Workshop-Teilnehmer:innen riet Hop­pe zudem – ins­be­son­de­re in Kon­flikt­si­tua­tio­nen – ande­re Blick­win­kel ein­zu­neh­men, um sich in das Gegen­über bes­ser hin­ein­zu­ver­set­zen. Als letz­ten Punkt nann­te sie: mehr Akzep­tanz ent­wi­ckeln, auch für sich selbst. „Es ist okay, wenn etwas schief geht. Feh­ler passieren.“

Auf Soft Skills kamen die Referent:innen auch noch ein­mal wäh­rend der Dis­kus­si­ons­run­de zu spre­chen. „Lernt man die im Medi­zin­stu­di­um?“, woll­te Reim wis­sen. „Nein“, sag­te Haf­ke­mey­er und kam um ein Lachen nicht her­um. Viel­mehr fand die „Fort­bil­dung“ zu Hau­se statt: „Ich kom­me aus einer Fami­lie mit sechs Kin­dern.“ Nicht nur Hand­wer­ker, son­dern auch ein­fühl­sa­mer Zuhö­rer zu sein, hat sich Schiel eben­falls selbst ange­eig­net. „Der eine Pati­ent ist offen und direkt per du, der nächs­te eher in sich gekehrt. Ich konn­te nicht von Anfang an mit jedem gut umge­hen“, berich­te­te er mit Blick auf die ver­gan­ge­nen Jah­re. Des­we­gen hei­ße es, Erfah­rung sam­meln und sich mit den Kolleg:innen aus­tau­schen. „Empa­thie ist ein Tür­öff­ner“, fin­det Haf­ke­mey­er. „Mei­ne Pati­en­ten wis­sen: Ich habe so lan­ge Zeit für sie, bis wir ein Ergeb­nis haben.“ Da blieb Alex­an­dra Reim am Ende nicht mehr zu sagen als: „Auf das wir gut ver­sor­gen, kom­mu­ni­zie­ren und Bar­rie­ren abbauen!“

Pia Engel­brecht

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