Wer sich für den Beruf des Orthopädietechnikers bzw. der Orthopädietechnikerin entscheidet, wird nicht nur fachlich im Arbeitsalltag gefordert werden, sondern auch menschlich. OTM Samuel Schiel stellte den Versorgungsprozess von der Kontaktaufnahme über die Anamnese bis hin zur Interimsversorgung dar und machte gleich zu Beginn deutlich, worauf es währenddessen ankommt: „Verlieren Sie nie den Kontakt zum Patienten“, appellierte er an das Publikum, diese auch hinter ihrer Krankenakte kennenzulernen. „Nehmen Sie sich Zeit und hören Sie sich ihre Geschichten an.“ Einer, der mit dem Kennenlernen merklich früh startet, ist Dr. Ulrich Hafkemeyer vom Sozialpädiatrischen Zentrum Westmünsterland der Christophorus Kliniken Coesfeld. Für ihn beginnt die Anamnese bereits während der Schwangerschaft. Um den Behandlungsplan und das Therapieziel festzulegen, ist es für ihn wichtig zu wissen: Wo war das Kind? Wo ist es jetzt? Und wo will es hin? „Wer kein Ziel hat, wird auch keins erreichen“, bestätigte Maik Pollmeyer von Orthopädie-Technik Münsterland. Mit ungenauen Aussagen baue man Hilfsmittel ins Ungewisse. Statt „ich will wieder gehen können“ sei es effektiver, konkrete Ziele mit den Patient:innen zu vereinbaren, wie „in vier Wochen will ich ohne Gehhilfe laufen können“. Bei der Kontrolle können ein Profilerhebungsbogen sowie verschiedene Messgeräte wie Ganglabor, Druckmessung, Video- und Fotoaufnahmen unterstützen. Doch messen ist nicht alles. Ebenso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, sei es, sich psychosozialen Aspekten zu widmen. „Ein Hilfsmittel muss den Patienten weiterbringen – und das nicht nur auf der Gehstrecke, sondern im Leben“, betonte Pollmeyer. Geht er wieder in den Kegelclub? Trifft er sich mit Freund:innen? Traut er sich, um Hilfe zu bitten? „All das kann Erfolgskontrolle eines Hilfsmittels sein.“
OTM Christopher Berkholz gab Einblick in eine Untersuchung, die mit sechs Notfallambulanzen in Hamburg über einen Zeitraum von drei Monaten durchgeführt wurde. Die Rezeptstatistik zeigt: Bei gleicher Diagnose wurden den Patient:innen völlig andere Versorgungen verordnet. Woran liegt das? Und welche Lösungsansätze gibt es? Notwendig sei es, den Weg des Rezeptes zu steuern, u. a. klare Zuständigkeiten festzulegen. Darüber hinaus hält Berkholz ein Schulungskonzept für Ärzt:innen und Therapeut:innen zum Thema hilfsmittelbezogene Versorgungspakete nach ICD-Codes für sinnvoll. Und er stellte folgende Option in den Raum: „Wäre eine Leitlinie sinnvoll oder braucht der Patient Glück, um adäquat versorgt zu werden?“
Orthopädietechniker:innen werden in ihrem Arbeitsalltag oft mit schweren Schicksalsschlägen konfrontiert. „Es kann schwierig für uns sein, diese nicht mit nach Hause zu nehmen“, berichtete OTM Luzie Hoppe von eigenen, überfordernden Situationen. Um die Resilienz zu stärken, gab sie dem Publikum mehrere Tipps mit auf den Weg. Sie selbst stelle immer wieder fest, wie wertvoll soziale Beziehungen, also z. B. Gespräche mit den Kolleg:innen, für die eigene Widerstandsfähigkeit seien. Ebenso wichtig: Zeit für sich. Zeit zum Abschalten. Die nimmt sie sich beim täglichen Spaziergang in der Mittagspause. Sich zu engagieren und sich im Betrieb gegenseitig zu unterstützen, stellt für sie einen weiteren wichtigen Faktor zur Stärkung der Resilienz dar. Während große Ziele schnell überfordern, könnten kleine dabei helfen, dem großen Ganzen Schritt für Schritt näher zu kommen. Den Workshop-Teilnehmer:innen riet Hoppe zudem – insbesondere in Konfliktsituationen – andere Blickwinkel einzunehmen, um sich in das Gegenüber besser hineinzuversetzen. Als letzten Punkt nannte sie: mehr Akzeptanz entwickeln, auch für sich selbst. „Es ist okay, wenn etwas schief geht. Fehler passieren.“
Auf Soft Skills kamen die Referent:innen auch noch einmal während der Diskussionsrunde zu sprechen. „Lernt man die im Medizinstudium?“, wollte Reim wissen. „Nein“, sagte Hafkemeyer und kam um ein Lachen nicht herum. Vielmehr fand die „Fortbildung“ zu Hause statt: „Ich komme aus einer Familie mit sechs Kindern.“ Nicht nur Handwerker, sondern auch einfühlsamer Zuhörer zu sein, hat sich Schiel ebenfalls selbst angeeignet. „Der eine Patient ist offen und direkt per du, der nächste eher in sich gekehrt. Ich konnte nicht von Anfang an mit jedem gut umgehen“, berichtete er mit Blick auf die vergangenen Jahre. Deswegen heiße es, Erfahrung sammeln und sich mit den Kolleg:innen austauschen. „Empathie ist ein Türöffner“, findet Hafkemeyer. „Meine Patienten wissen: Ich habe so lange Zeit für sie, bis wir ein Ergebnis haben.“ Da blieb Alexandra Reim am Ende nicht mehr zu sagen als: „Auf das wir gut versorgen, kommunizieren und Barrieren abbauen!“
Pia Engelbrecht
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