Nicht überraschend ist es daher, dass Pfefferkorn – gemeinsam mit Prof. Dr. Frank Braatz – am Mittwoch, 15. Mai, den Vorsitz des Symposiums „Neuroorthopädie, Softorthesen und Funktionelle Elektrostimulation (FES) – Update 2024“ übernommen hat. Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe und der Konzeptpartner Rehavital Gesundheitsservice GmbH gestalten zudem gemeinsam eine Sonderschau rund um die optimale Versorgung neurologischer Erkrankungen, zum Beispiel nach einem Schlaganfall.
Auch Thomas Wetzelsperger widmet sich in seinem Vortrag „Ganzkörperelektrostimulation: Erfahrungen aus der Praxis“ den Folgen eines Schlaganfalls und der Frage, wie orthopädietechnische Hilfsmittel auf dem Weg zurück ins Leben helfen.
Genau diese Art der Versorgung hat auch bei Lena Beister angeschlagen. Die damals 19-Jährige erlitt im Sommer 2020 einen Schlaganfall, als Nebenwirkung der Anti-Baby-Pille. Damit ist Beister eine von etwa 270.000 Menschen, die jährlich in Deutschland einen Schlaganfall mit teils gravierenden Folgen wie Lähmungserscheinungen oder Sprachstörungen erleiden. Bei 80 Prozent der Fälle handelt es sich um Menschen, die älter als 60 sind, etwa 30.000 Betroffene sind unter 55 Jahren und mindestens 300 im Kindesalter. Der Schlaganfall gilt als die dritthäufigste Todesursache und der häufigste Grund für erworbene Behinderungen im Erwachsenenalter in Deutschland. Rund 60 Prozent der überlebenden Patient:innen bleiben auch ein Jahr nach dem Schlaganfall auf Therapie, Hilfsmittel oder Pflege angewiesen.
Zu dem Zeitpunkt ihres Schlaganfalls war Lena Beister mitten in ihrer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Infolge einer Sinusvenenthrombose kam es zu einer rechtsseitigen, beinbetonten Lähmung (Hemiparese). Den rechten Fuß konnte sie gar nicht mehr anheben, den Hüftbeuger nur minimal ansteuern.
Hoffnung auf ein Leben ohne Rollstuhl
Eine erste Einschätzung von Physiotherapeuten machte der jungen Frau wenig Hoffnung auf ein Leben ohne Rollstuhl. Umso dankbarer spricht Lena von ihrem ersten Treffen mit Orthopädietechniker Eugen Semke: „Er sagte zu mir ‚Da geht noch was‘ und dass Elektrostimulation eine Option sein könnte.“ Eugen Semke erinnert sich daran, wie die Messungen von Lenas Muskelstatus’ seinerzeit 0 ergaben, sowohl für den Fußheber als auch für den Hüftbeuger: „Wir hatten vorgefertigte Fußheber-Orthesen ausprobiert, was für Lena aber nicht funktionierte, weil sie den Oberschenkel gar nicht heben konnte.“ Schon die ersten Versuche mit dem L300 Go waren jedoch vielversprechend und zeigten: Der Rollstuhl sollte nicht die letzte Option sein. Die Neuro-Orthese L300Go stimuliert jene Nerven, die das zentrale Nervensystem nicht mehr ansteuern kann, und aktiviert die betroffene Muskulatur durch kleine elektrische Impulse. „Das war die einzige Möglichkeit, die wir noch gesehen haben, und darauf hat Lena sehr positiv angesprochen. Wir haben viel Zeit in die Positionierung der Elektroden investiert und es war ein toller Moment, als sie zum ersten Mal die Walkingstöcke weglegen und wieder freihändig gehen konnte“, erzählt Eugen Semke. Die Orthese begleitet Lena seitdem durch den Alltag: „In den vergangenen drei Jahren gab es kaum einen Tag, an dem ich sie nicht getragen habe.“
Effektive Hilfe bei Spastiken
Doch auch Schmerzen und Spastiken gehörten zu diesem Alltag, verbunden mit der Einnahme von Medikamenten in immer höherer Dosierung und schlaflosen Nächten. „Mit tat einfach alles weh und das war sehr nervenaufreibend“, erinnert sich Lena. Auf die Initiative von Eugen Semke hin probierte sie bei einem Anwendertag bei der TOS Technischen Orthopädie Schneverdingen den Neuromodulationsanzug Exopulse Mollii Suit: „Und obwohl ich direkt danach gar nicht viel gemerkt habe, konnte ich die erste Nacht seit gut zwei Jahren wieder durchschlafen, ohne Schmerzen, ausgeglichen.“ Heute braucht Lena gegen Schmerzen oder Spastiken keine Medikamente mehr. „Ich kann mit einer Spastik in den Mollii Suit reingehen und spüre, wie sich nach 20 Minuten mein ganzer Körper entspannt. Ich bin wieder viel ruhiger, besser gelaunt und habe wieder Energie für den Tag und für meinen Beruf.“ Aus diesen positiven Erfahrungen resultiert ein tiefes Vertrauen, sowohl in die Hilfsmittel als auch in die Zusammenarbeit mit Eugen Semke, der sie weiterhin begleitet. „Ich weiß, dass ich mich immer melden kann, wenn etwas nicht funktioniert, und er sagt dann ‚Wir bekommen das irgendwie hin‘. Es ist schön, jemanden an der Seite zu haben, der sich so für mich einsetzt.“
Beste Voraussetzungen für einen Alltag in Bewegung
Damit ist alles möglich, was zu Lenas bewegtem Leben dazugehört: Die heute 23-Jährige hat ihre Ausbildung in Regelzeit und als Hamburgs Jahrgangsbeste abgeschlossen. Sie arbeitet mittlerweile mit einer 70-Prozent-Stelle als Krankenschwester in der Notaufnahme. Sie geht joggen, in die Berge zum Wandern und steht wieder auf dem Parkett beim Standardpaartanz: „Ein Rollstuhl hätte bedeutet, ich könnte meiner Arbeit nicht in der Form nachgehen und aufgrund der Treppen nicht mehr in meiner Wohnung im 2. Stock leben. Ich wäre auf sehr viel mehr Hilfe angewiesen.“ Und dann ist da auch noch Frieda, Lenas Mecklenburger Trakehner-Stute. „Es wäre das Schlimmste gewesen, nie wieder aufs Pferd zu können. Aber ich reite wieder allein aus, bin schon ein Turnier mitgeritten und mache Sprünge. Ich bin heute noch glücklicher mit meinem Leben, bin von tollen Menschen umgeben und weiß zu schätzen, wie gut es mir geht und wie selbstständig ich leben kann.“ Und dass sie Herausforderungen liebt, zeigt schon ihr nächstes Vorhaben: Im März geht sie beim Mammutmarsch Hamburg, einem Extremwander-Event, an den Start.
Vorbild vor allem für junge Schlaganfall-Patient:innen
Auch dass sie ihre Geschichte erzählt, ist Lena wichtig: „Ich will Menschen, denen diese Hilfsmittel vielleicht genauso helfen könnten wie mir, zeigen, was damit alles möglich ist, gerade jungen Menschen, die noch ihr ganzes Leben vor sich haben.“ Im Rahmen der OTWorld 2024 wird die junge Frau ebenfalls nach Leipzig kommen und dort die Vielfalt der Branche einmal mehr kennenlernen.
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