Im Gespräch mit der OT schaut das Präsidium auf die Höhe‑, aber auch Tiefpunkte seiner ersten Amtszeit zurück und erklärt, was für Aufgaben es für die kommenden drei Jahre identifiziert hat.
OT: Herr Reuter, Herr Mayer, herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl. Wie fühlt es sich an, erneut das Vertrauen für drei weitere Jahre an der Spitze des Bundesinnungsverbandes übertragen zu bekommen?
Alf Reuter: Sehr gut! Das stärkt den Rücken für künftige Herausforderungen.
Albin Mayer: Es fühlt sich richtig an. Wir wurden mit allen Stimmen wiedergewählt. Das ist ein dickes Lob und eine Wertschätzung der geleisteten Arbeit. Mit diesem Vertrauen lässt es sich die nächsten drei Jahre gut arbeiten. Wir haben sehr bewegte Zeiten mit großen Herausforderungen. Wir wollen diese so gut wie nur möglich für unser Fach meistern.
Großer Zusammenhalt
OT: Herr Reuter, drei Jahre an vorderster Front des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik liegen hinter Ihnen. Gleich in den ersten Stunden im Amt mussten Sie mitentscheiden, ob die OTWorld verschoben wird. Haben Sie nach diesem Start Ihre Entscheidung zur Kandidatur in den ersten Tagen bereut oder war es mehr ein Motivationsschub?
Reuter: In den Wochen und Monaten nach meiner Wahl im März 2020 haben sich die Ereignisse ständig überschlagen. Da blieb keine Zeit, über solche Fragen nachzudenken. Wir mussten handeln, damit unsere Häuser weiterarbeiten konnten. Das allein zählte. In der ganzen Zeit von Coronapandemie über die sogenannte Online-Einlagenversorgung bis zum Ukraine-Krieg habe ich einen so starken Zusammenhalt in der Bundesinnung, in den Landesinnungen, im Fach mit Leistungserbringergemeinschaften und medizinischen Fachgesellschaften erlebt wie nie zuvor. Das gab und gibt Kraft für die vielen großen Aufgaben, die vor uns liegen.
OT: Herr Mayer, Sie engagieren sich schon lange im Ehrenamt. Was hat sich in den vergangenen drei Jahren für Sie verändert?
Mayer: Ich bin noch nie so viel gereist wie in den letzten drei Jahren! Verändert hat sich vor allem mein Blick auf das eigene Fach. Unsere Situation wird immer schwieriger, da wir schon lange zu niedrige Stundenverrechnungssätze haben, die uns in Zeiten der Inflation und der fetten Tarifrunden für andere Berufe massiv auf die Füße fallen. Uns laufen die Mitarbeiter fort in Richtung besser bezahlte und unkomplizierte Berufe. Wenn wir es nicht schaffen, die Kostenträger von deutlich höheren Stundenverrechnungssätzen zu überzeugen, sehe ich schwarz für die Zukunft unser aller Betriebe und damit für die Hilfsmittelversorgung in Deutschland. Ich bin aber optimistisch, dass wir in den kommenden drei Jahren stufenweise eine deutliche Erhöhung des Stundenverrechnungssatzes erreichen können.
Überraschende Herausforderungen
OT: Sie, Herr Reuter, haben als damaliger Vizepräsident natürlich schon Einblicke in das Tun Ihres Vorgängers gehabt. Was hat Sie dennoch überrascht bzw. kann man Ihre erste Amtszeit aufgrund von Pandemie, Krieg und Energiekrise und Kostenexplosion mit anderen Präsidentschaften vergleichen?
Reuter: Man kann die Präsidentschaften grundsätzlich nicht vergleichen, da jeder Präsident anders ist und das Amt anders ausfüllt sowie begreift. Krisen mussten auch meine Vorgänger meistern. Ein Beispiel: Die Einführung des Wettbewerbsstärkungsgesetzes 2007 unter der Gesundheitsministerin Ulla Schmidt war eine Zäsur für unsere Betriebe und der Beginn des seither immer größer werdenden Bürokratiemonsters. Damals war Frank Jüttner Präsident und es war sicher nicht einfach, die Mitglieder und ihre Betriebe durch diese Zäsur zu begleiten und zu führen. Es stimmt aber schon, dass sich in meinen ersten drei Präsidentenjahren die Krisen gehäuft haben. Es wird nun aber Zeit, dass langsam wieder Normalität einkehrt. Damit wir wieder agieren und gestalten können und nicht hauptsächlich reagieren müssen.
Krisen managen und Verband gestalten
OT: Eine Frage an Sie beide: Das Stichwort Pandemie ist bereits gefallen. Der Beginn Ihrer Präsidentschaft fällt quasi auf den Tag genau mit dem allgemeinen Umdenken von „Das ist eine Phase“ zu „Das ist eine Bedrohung“. Bilder aus Bergamo, wo im Anschluss an ein Fußballspiel zahlreiche Tote aufgrund von Covid-19 zu beklagen waren, gingen um die Welt und verdeutlichten, wie ernst die Lage war. Mussten Sie aufgrund der Pandemie eher zum Krisenmanager werden statt zum Gestalter?
Reuter: Wir waren ganz klar hauptsächlich Krisenmanager und konnten daher nicht alles umsetzen, was wir uns gestalterisch vor der Wahl vorgenommen hatten. Deshalb war uns beiden die zweite Amtsperiode so wichtig. Neben dem Krisenmanagement konnten wir dennoch ein paar Pflöcke einschlagen. So steht heute zum Beispiel die Bundesfachschule für Orthopädie-Technik wirtschaftlich auf eigenen Beinen. Der Verlag OT konnte sich noch weiter professionalisieren und betreibt mit 360-ot.de eine erfolgreiche und im deutschsprachigen Raum einzigartige Nachrichtenplattform für unser Fach. Aus der Krise entstanden, gelang es uns auch, das Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ mit Leistungserbringergemeinschaften zu schmieden, um eine starke Stimme im politischen Berlin erheben zu können. Wir haben aus dem Desaster der eRezept-Einführung für Arzneimittel gelernt und ein deutschlandweit einzigartiges Pilotprojekt zur eVerordnung für Hilfsmittel aufgesetzt. Der Gesetzgeber sieht ja die verbindliche Einführung der eVerordnung für Hilfsmittel für den 1. Juli 2026 vor. Wir wollten von dem Prozess nicht überrollt werden wie die Apotheker und Ärzte, sondern ihn im Gegenteil selber gestalten.
Mayer: Der Wirtschaftsausschuss und die Abteilung Wirtschaft und Verträge haben gemeinsam in den letzten drei Jahren so viele Verträge mit Kostenträgern neu verhandelt wie nie zuvor. Dabei sind uns ein paar Meilensteine gelungen, wie etwa bei der Produktgruppe 24.
OT: Am 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine. Einen Tag später wurden die Zeugnisse für die frischgebackenen Meister:innen der Bundesfachschule für Orthopädie-Technik digital übergeben. Als Sie, Herr Reuter, sprachen, konnte man bereits eine kleine Flagge in Blau und Gelb in Ihrem Büro sehen. Wie sehr hat es Sie persönlich geschockt, dass der Krieg wieder auf europäischem Boden zurück ist?
Reuter: Ich habe nicht damit gerechnet, dass innerhalb Europas so schnell ein Krieg ausbricht. Was mich besonders schockiert, ist die Brutalität, mit der der Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung geführt wird. Russland verhindert Einblicke in seine Verluste an Menschen und Gesundheit. Aus der Ukraine erfahren wir da deutlich mehr. Viele Kollegen haben inzwischen genau wie ich Verwundete aus der Ukraine versorgt. Da wird einem so richtig bewusst, was der Krieg für jeden einzelnen Menschen bedeutet.
Mayer: Das geht mir genauso. Jede Begegnung mit einem Verwundeten aus der Ukraine macht dir wieder deutlich, was für ein Glück wir hier in Deutschland haben. Wir können nur hoffen, dass der Krieg bald endet und sich nicht auf weitere Regionen ausweitet.
Alarmierender (Fach)kräftemangel
OT: Eine Herausforderung des Fachs ist auch der Fachkräftemangel. Sehen Sie in absehbarer Zeit die Versorgungssicherheit beziehungsweise die Versorgungsqualität bei der Versorgung von Patient:innen bedroht?
Mayer: Definitiv entwickelt sich der (Fach)kräftemangel zur größten Bedrohung für die Menschen mit Einschränkungen und unsere Betriebe. Wenn es so weitergeht und die Gesetzlichen Krankenkassen den Stundenverrechnungssatz für unsere Mitarbeiter weiterhin so geringschätzen wie den Stundenlohn eines Hilfsarbeiters, dann wird unser Fach aussterben. Egal mit welchem unserer Kollegen ich spreche, alle haben das gleiche Problem: Es gibt zu wenig Interessierte für die Ausbildungsplätze, wer eine Ausbildung absolviert, geht oft nach wenigen Jahren in andere Berufe oder Branchen.
OT: Wie kann der Verband seine Häuser bei der Suche nach neuem Personal unterstützen?
Mayer: Die wichtigste Unterstützung für die Betriebe sind höhere Stundenverrechnungssätze, die wir mit den Kostenträgern verhandeln werden. Inhaltlich ist unser Beruf der schönste der Welt. Aber unsere Miterbeiter werden mit Massen an Bürokratie belastet und zusätzlich weitaus schlechter entlohnt als Menschen mit vergleichbaren Berufen. Um die Erwartungen ein wenig zu dämpfen: Wir werden beim Stundenverrechnungssatz nicht von Null auf Hundert kommen. Ich gehe von einer stufenweisen Anhebung in den nächsten Jahren aus. Dazu bin ich im Gespräch mit Vertretern der Kostenträger. Wenn sich die Entlohnung nicht verändert, bekommen wir definitiv einen Versorgungsnotstand im Bereich der Orthopädie-Technik. Die Menschen verlassen die Branche wegen des Einkommens, nicht wegen der Attraktivität. Wer aus der Branche geht, kommt nie wieder zurück. Die Frage ist doch, wollen wir das so. Möchten die Gesetzlichen Krankenversicherungen die Versorgung gefährdet wissen?
Starke Stimme in Berlin
OT: Ein Großteil Ihrer Arbeit steckt auch in der Kommunikation mit der Politik. Dort gab es 2021 eine Bundestagswahl, die die Mehrheitsverhältnisse veränderte. Die neue Ampel-Koalition versprach im Koalitionsvertrag einen Bürokratie-Abbau. Das müsste doch Musik in Ihren Ohren sein. Wie bewerten Sie Anspruch und Wirklichkeit in Ihren Häusern?
Reuter: Ehrlich gesagt, politische Arbeit ist in hohem Maße frustrierend. Da steckt der Teufel im Detail, und zwar im Detail der Klientelpolitik. Das sehen wir seit Jahren im Bereich der Gesetzlichen Krankenkassen, aber auch der Apotheken. Manchmal bin ich zutiefst erschrocken, wie wenig Wissen in der politischen und medialen Öffentlichkeit über die zugegeben komplexen Regelungen für die Hilfsmittelversorgung in Deutschland vorhanden ist. Andererseits erfahre ich in den persönlichen Gesprächen mit Abgeordneten und Medienvertretern auch viel Offenheit unserem Fach gegenüber. Wenn es aber an die Detailarbeit geht, Bürokratie konkret abzubauen, sehe ich wenig Fortschritte. Im Moment setzte ich große Hoffnung auf die durch das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) im vergangenen Herbst angestoßene Reform der Hilfsmittelversorgung. Da ist etwas in Bewegung geraten. Dank unserem Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ können wir unsere Reformideen einbringen. Was das Bundesministerium für Gesundheit daraus macht, ist allerdings noch nicht abzusehen.
OT: Im Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ engagieren Sie, Herr Reuter, sich in Ihrer Eigenschaft als BIV-OT-Präsident im Vorstand. Wie bewerten Sie das erste Jahr? Ist WvD die richtige Stimme des Fachs, damit man in Berlin Gehör findet?
Reuter: Definitiv. Wir sind als Bündnis inzwischen im Bewusstsein der gesundheitspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen und der relevanten Institutionen wie dem Bundesministerium für Gesundheit, dem Bundesamt für Soziale Sicherung oder dem GKV-Spitzenverband fest verankert. Unsere Reformvorschläge zur Hilfsmittelversorgung in Deutschland haben im März im politischen Berlin viel Aufmerksamkeit erzielt.
OT: Wie sieht der aktuelle Stand in Sachen Hilfsmittelreform aus?
Reuter: Wir waren mit dem Bündnis „Wir versorgen Deutschland“ die Ersten, die konkrete Reformen formuliert hatten. Inzwischen gibt es auch Vorschläge und Positionspapiere von verschiedenen Kostenträgern. Das Bundesministerium für Gesundheit prüft sämtliche Unterlagen und wird vermutlich in der zweiten Jahreshälfte einen ersten Referentenentwurf mit Reformen vorstellen.
OT: Herr Mayer, Sie sind bei den Vertragsverhandlungen mit den Kassen an vorderster Front beteiligt. Haben Sie von diesen zu den Reformvorschlägen ein Feedback erhalten?
Mayer: Bisher nicht. Es ist auch zu frisch, um bei einer Verhandlung darüber zu sprechen. Natürlich wollen beide Seiten Reformen und jeder sieht es von seiner Sichtweise. Der Verhandlungstisch ist für Gespräche über Reformen eher nicht geeignet.
Politik und Enttäuschung
OT: Aus der Branche wird in dem Zusammenhang häufig die Absenkung und Harmonisierung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent gefordert. Eigentlich sind sich alle einig, aber das Finanzministerium stellt sich quer. Sind Sie nicht manchmal fassungslos, wie Chancen und Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation der Branche regelrecht weggeworfen werden von der Politik?
Reuter: Das ist genau das, was ich vorhin als enttäuschend bezeichnet habe. Es gibt gar kein Argument für die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze. Nicht eins! Und dennoch reicht ein Machtwort eines Ministers, um gegen jede Vernunft solche unsinnigen bürokratisch aufwendigen Regelungen am Leben zu erhalten.
Keine Ausnahmen für Apotheken
OT: Herr Reuter, das politische Berlin zu beackern ist eine Mammutaufgabe. Wie sehr schockiert es Sie, dass der Gesetzgeber jetzt den Begriff der apothekenüblichen Hilfsmittel eingeführt hat und damit Apotheken von der PQ für diese Produktbereiche ausgenommen hat?
Reuter: Es reicht mir mit der Klientelpolitik der Apotheken. Es muss Schluss sein mit der einseitigen Benachteiligung unserer Betriebe in der Politik. Es kann nicht sein, dass mit 2,5 Millionen Euro Lobbygeldern, die die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. für ihre Arbeit im politischen Berlin ausgibt, Politik gekauft werden kann!
OT: Was können Mitgliedsbetriebe vor Ort tun und wie unterstützt sie der BIV-OT dabei?
Reuter: Ob Präqualifizierung, Mehrwertsteuer oder Reformen – jeder Betrieb kann etwas ausrichten, sich mit den von uns zur Verfügung gestellten Materialien an die Abgeordneten vor Ort wenden, Politiker in ihre Häuser einladen und über die Situation informieren. Im Grunde muss sogar jeder Betrieb sich einmischen, sonst dringen wir mit unserer Stimme nicht durch.
Systemrelevant
OT: Ein letzter Blick zurück – was waren Ihre persönlichen Highlights, aber auch Tiefpunkte Ihrer Amtszeit?
Reuter: Ein Gesundheitsminister und eine ganze Bundesregierung, die in Zeiten einer Pandemie die Versorgung von Menschen mit Einschränkungen durch unsere Betriebe komplett vergessen – ehrlich, schlimmer geht nimmer. Das dachte ich zumindest im Frühjahr 2021. Mit der Kampagne #systemrelevant konnten wir das Schlimmste verhindern. Ein weiterer Tiefpunkt war am Morgen des 24. Februar 2022 erreicht – der Beginn des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine und die damit verbundene Zeitenwende. Eine Zeitenwende, die uns besonders viel abverlangt. Wir versorgen viele der Versehrten, erleben den Schrecken des Krieges näher als andere in Deutschland. Gleichzeitig gesteht der GKV-Spitzenverband uns keine angemessene Entlohnung zu und die Politik hat uns in keinem ihrer Pakete zur Abmilderung der aus den Krisen entstandenen Mehrkosten bedacht, im Gegenteil. Der Bundestag stimmte sogar zuletzt für die Aufhebung der Präqualifizierung der Apotheken. Dennoch gab es viele persönliche Höhepunkte. Zuerst die OTWorld, einmal virtuell, einmal in Präsenz. Einmal fast allein mit Bergen von Übertragungstechnik und das zweite Mal mit Hunderten feierwütigen Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt. So etwas vergisst man nicht. Ein weiteres Highlight ist für mich jedes Jahr die Übergabe der Meisterbriefe in der Bufa. Wenn man diese jungen Leute, unseren Nachwuchs, sieht, macht es großen Spaß, Präsident zu sein! Und natürlich zählt die Gründung von „Wir versorgen Deutschland“ dazu. Mit den Mitgliedsverbänden, die noch vor fünf Jahren kaum ein Wort miteinander gesprochen haben, an einem Strang zu ziehen und sich ständig auszutauschen, ist ein riesiger Schritt und tut uns allen gut.
Mayer: Zu unserem Klassentreffen in Leipzig herrscht immer gute Stimmung. 2022 fand ich die Atmosphäre geradezu überwältigend. Angesichts des Ukraine-Krieges kam die OTWorld auch fachlich zur rechten Zeit, um sich international über die Versorgungsmöglichkeiten auszutauschen. Das war definitiv der Höhepunkt in meiner Amtszeit. Ein Dauertiefpunkt bleibt die nach wie vor sehr niedrige Wertschätzung gegenüber unserem Fach. Wir integrieren Menschen. Wir sichern die Teilhabe und schaffen wieder ein gutes Leben für Menschen trotz Handicap. Es ist ein sehr schwerer Beruf mit einer sehr hohen Fachkompetenz. Das wird von allen Seiten leider nicht so gesehen.
Mehr Engagement der Jüngeren und höhere Stundenverrechnungssätze
OT: Wo wollen Sie als Präsident beziehungsweise Vizepräsident noch neue Impulse für den Verband setzen?
Reuter: Mein größtes Ziel ist es, die Mitgliedsbetriebe der Landesinnung zu mehr Mitarbeit zu motivieren. Wir brauchen engagierte junge Menschen, die unser Fach vertreten. Wenn wir nicht in der Breite hör- und sichtbar sind, werden wir überhört und übersehen. Das darf nicht geschehen!
Mayer: Am Ende der Amtsperiode, die definitiv meine letzte sein wird, soll es einen deutlich erhöhten Stundenverrechnungssatz für unsere Mitarbeiter geben. Dafür werde ich gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Wirtschaftsausschuss und der Abteilung Wirtschaft und Verträge mit aller Kraft streiten. Denn unsere Zukunft muss auf sichere Füße gestellt werden. Das Fach darf nicht weiterhin kurz oberhalb des Mindestlohnes vergütet werden. Schließlich sind wir Spezialisten, die ihren Job am Menschen tun. Wir schaffen Bewegung, Sicherheit, Wertschätzung, Integration, Teilhabe und Lebensfreude. Durch unsere Tätigkeit können Menschen wieder gehen und laufen. Wir führen den Menschen zurück zum Arbeitsplatz, in die Familie und das gesamte soziale Umfeld. Unser Beruf ist enorm wichtig für die Gesellschaft. Das muss in die Köpfe. Ansonsten gibt es keine Fachkräfte mehr.
OT: Worauf freuen Sie sich in den kommenden drei Jahren?
Reuter: Wenn die Krisen dann mal vorbei sind, freue ich mich, endlich gestalten zu können und das Fach noch weiter voranzubringen. Dazu gehört auch, endlich wieder reisen zu können. Durch unsere einzigartige Stellung als Handwerker sind wir in einer international akademisierten Welt ziemlich gefragt. Wir machen vieles anders und manches vielleicht auch besser. Das muss genutzt werden. Denn es gibt Herausforderungen, die nur international gelöst werden können. Auch national freue ich mich auf den Besuch von Kollegentreffen jeglicher Art, ob Landesinnungsversammlungen, ERFA, Messen, Kongresse, Delegiertenversammlungen oder einfach nur so. Denn miteinander reden bringt mich weiter. Ebenso ist die gemeinsame Arbeit mit den ehrenamtlichen und den hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen im BIV-OT eine große Freude. Das ist schon eine erstklassige Mannschaft.
Mayer: Ich freue mich, wenn wir mit der GKV und der Politik einen gemeinsamen Nenner finden, um die Versorgung mit Hilfsmitteln für die Menschen technisch, fachlich und in hoher Qualität realisieren können. Das geht. Wir müssen dafür die vorhandenen Potenziale nutzen. Um diese Potenziale auszuschöpfen, haben wir die Reformvorschläge vorgelegt. Wenn wir einen gemeinsamen Nenner erreichen, geht es jedem Menschen mit Handicap auch weiterhin gut. Denn der Mensch steht im Mittelpunkt unserer Arbeit, das dürfen wir nicht vergessen. Auch wir kommen einmal in diese Situation und freuen uns dann auf Hilfe.
Die Fragen stellte Heiko Cordes.
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