In der darauffolgenden Phase folgten ein starkes Umsatzwachstum sowie eine nochmalige Steigerung der Professionalisierung bei dem Duderstädter Unternehmen. Nun entschied sich die Familie um Gründerenkel Prof. Hans Georg Näder dazu, den zuvor veräußerten 20-Prozent-Anteil zurückzukaufen. Im Gespräch mit der OT-Redaktion erklärt Näder diesen Schritt.
OT: Herr Prof. Näder, 2017 stieg EQT mit einem 20-Prozent-Anteil bei Ottobock ein, nach sechs Jahren kaufte Ihre Familie den Anteil wieder zurück. Wie bewerten Sie die gemeinsame Zeit mit EQT?
Hans Georg Näder: Die Zusammenarbeit mit EQT war von hohem gegenseitigem Respekt und Vertrauen geprägt. Und sie war sehr erfolgreich: 2023 haben wir den höchsten Umsatz und das beste Ergebnis in der Unternehmensgeschichte erzielt. Über den gesamten Zeitraum haben wir den Umsatz von rund 880 Millionen Euro um rund 8 Prozent pro Jahr auf rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2023 gesteigert. Das bereinigte EBITDA hat sich auf rund 280 Millionen Euro verdoppelt. Mindestens genauso wichtig ist, dass wir Ottobock mit dem Support von EQT weiter professionalisiert und bis zur IPO-Readiness entwickelt haben. Damit haben wir eine starke Basis für die nächste Wachstumsphase unseres Unternehmens gelegt. Es war jedoch von Anfang an klar, dass EQT für uns ein Partner auf Zeit sein wird. Jetzt werden wir die erfolgreiche Strategie als reines Familienunternehmen in der Rechtsform der SE & Co. KGaA fortsetzen, im Besitz meiner Familie und unter der Führung von CEO Oliver Jakobi und seinem starken Managementteam.
OT: Ist der Rückkauf die logische Konsequenz aus der aktuellen Firmenstrategie, auf Wachstum zu setzen?
Näder: Als EQT nach einem Käufer für die 20 Prozent suchte, gab es eine Reihe Interessenten. Im Laufe des Auswahlprozesses haben wir als Familie dann entschieden, Ottobock wieder zu einem 100-Prozentigen Familienunternehmen zu machen. Der Wachstumskurs, auf dem wir uns befinden, steht in unserer Strategie im Fokus.
OT: Der Einstieg von EQT war von außen auch mit einem potenziellen Börsengang Ottobocks verbunden. In der jüngeren Vergangenheit haben Sie dieses Vorhaben bereits von der Liste mit der höchsten Priorität gestrichen. Wie ist der Stand bei Ottobock und der Börse?
Näder: Auf unserer Prioritätenliste ganz oben steht stetiges Wachstum. Nur so können wir weiterhin in Forschung und Entwicklung investieren und alles daransetzen, für unsere Anwenderinnen und Anwender weltweit die besten Produkte, Services und eine exzellente Rundumversorgung zur Verfügung zu stellen. Ein Börsengang bleibt jedoch weiterhin das Ziel. Die Grundlagen dafür haben wir geschaffen. Wann es so weit sein wird, werden wir sehen.
OT: In anderen Medien wurde über den Kaufpreis spekuliert. Fakt ist: Durch die Wertsteigerung des Unternehmens in den vergangenen Jahren dürfte der Kaufpreis gegenüber dem Verkaufspreis gestiegen sein. Was kostet es Sie, Ottobock wieder komplett in die Familienhände zurückzuholen?
Näder: Wir haben über die Näder Holding GmbH mit einem Investorenkonsortium ein Finanzierungspaket in Höhe von 1,1 Milliarden Euro vereinbart, um das zukünftige Wachstum von Ottobock zu unterstützen. Zu weiteren Finanzierungsdetails äußern wir uns jedoch nicht.
OT: Finanzielle und wirtschaftliche Interessen auf der einen, emotionale Beweggründe auf der anderen Seite: Was bedeutet es Ihnen persönlich zu wissen, dass Ottobock wieder ein reiner Familienbetrieb ist, und was bedeutet es für Ihre Mitarbeiter:innen?
Näder: Für meine Familie und mich ist es ein schöner Moment der Firmengeschichte, im 105. Jahr von Ottobock wieder als 100-prozentiges Familienunternehmen zu agieren. Ich danke allen involvierten Teams, die daran mitgewirkt haben, das zu ermöglichen. Und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter freuen sich über diesen Schritt. Gemeinsam werden wir den erfolgreichen Weg weitergehen und uns dabei an unseren Unternehmenswerten „menschlich“, „verlässlich“, „erfinderisch“ und „smart“ orientieren.
OT: Sie sind die dritte Generation Ihrer Familie in der Unternehmensführung, Ihre Töchter sind in unterschiedlichen Rollen ebenfalls im Unternehmen tätig. Haben Sie sich im Vorfeld des Rückkaufs abgestimmt und hatten Ihre Töchter ein Mitspracherecht?
Näder: Über die Zukunft des Unternehmens tauschen wir uns in der Familie eng aus. Über den Rückkauf der Anteile waren wir uns einig.
OT: Mit Blick auf die Zukunft von Ottobock – welche Auswirkungen hat der Rückkauf auf Unternehmen und Branche?
Näder: Wir haben in den vergangenen Jahren und mit der Unterstützung von EQT große Schritte gemacht. Auf diesem Wachstumspfad werden wir uns konsequent fortbewegen und dabei auch die Digitalisierung und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Branche als Vorreiter weiter vorantreiben. Auf der diesjährigen OTWorld werden – neben unseren Produktlaunches – digitale Versorgungsprozesse deshalb wieder eine Rolle spielen. Unser Hauptaugenmerk legen wir weiterhin auf die Anwenderinnen und Anwender, um sie dabei zu unterstützen, möglichst das Leben zu leben, das sie sich vorstellen. Unser Purpose – Mobilität für Menschen mit Handicap – ist aktueller und wichtiger denn je. Jetzt, nach dem erfolgreichen Closing, heißt es deshalb: mit Volldampf voraus!
Die Fragen stellte Heiko Cordes.