Der Wissenschaftler forscht mit verschiedenen Materialien, unter anderem gehören dazu auch Algen. Denn diese Pflanzen fristeten bisher eher ein Schattendasein und erhielten nicht die entsprechende Aufmerksamkeit. Es gibt rund 150.000 verschiedene Algenarten, allerdings wird nur ein Bruchteil davon auch genutzt. Dabei bieten sie einige Vorteile gegenüber ihren an Land gedeihenden Verwandten. Rund zehn Mal schneller wachsen Algen und können sogar in Brackwasser überleben. Außerdem ergeben sie bei der gleichen Anbaufläche etwa die 13-fache Menge an Öl. Exakt dieses Öl ist es auch, das am Ende für die Herstellung von grünem Carbon essenziell ist.
Das Carbon wiederum ist in vielen Branchen ein unverzichtbares Material geworden, wird vor allen Dingen wegen seiner Eigenschaften, wie zum Beispiel dem geringen Gewicht, geschätzt. Da herkömmlich hergestelltes Carbon allerdings negative Effekte auf den Klimawandel hat, beschäftigen sich Brück und sein Team mit einem Verfahren, das von den Algen entstehende Öl in eine grüne Carbonfaser umzuwandeln – mit großem Erfolg. In Leipzig präsentierte Brück nämlich die erste mit der grünen Carbonfaser hergestellte Fußheberorthese, die in Kooperation mit einem einzelnen Hersteller entworfen wurde.
Doch wo sollen die Algen herkommen? Brück hat dafür eine persönliche Ideallösung. „Bei uns in Bayern kriegen wir das natürlich nicht hin, dafür haben wir zu wenig Sonne. Optimal aus meiner Sicht wäre Griechenland, dort haben wir die Flächen, die klimatischen Bedingungen und das qualifizierte Personal“, erklärt der Inhaber des Werner Siemens-Lehrstuhls für Synthetische Biotechnologie sowie Direktor des Algentechnikums an der Technischen Universität München.
In München optimiert das Forscherteam die Algen und den Herstellungsprozess, mit dem Ziel, in fünf bis sieben Jahren das grüne Carbon flächendeckend in den Markt zu bringen. Dieser Zeithorizont ist aus Sicht Brücks‘ realistisch, damit die Produktzyklen in der Chemiewirtschaft ungefähr diese Zeit haben und der Bedarf nach grünem Carbon dadurch erst geweckt wird. Ein Plus ist definitiv, dass Brück einen Preis unterhalb des aktuellen Marktpreises anpeilt. Außerdem, dass das Carbon nicht ein klimaneutrales, sondern sogar ein CO-negatives Material ist, dass mehr CO bindet als die Produktion. Ein wichtiger Schritt, um den Klimawandel zu stoppen. „Wir haben in Europa fähige Köpfe, die richtige Technik – wir sollten uns daran machen, die Sache anzugehen“, lautet daher das abschließende Plädoyer von Brück.
Heiko Cordes