Häu­fig Fehl­dia­gno­sen bei Lipödem-Patientinnen

Mehr als 420 Fachleute aus Europa, den USA und Australien kamen Mitte Mai zu den 2. Internationalen Földiklinik-Tagen nach Hinterzarten im Schwarzwald.

Unter dem Mot­to „Thin­king out­side the box“ dis­ku­tier­ten Medi­zi­ner, The­ra­peu­ten und For­scher aktu­el­le Ent­wick­lun­gen in der Behand­lung von Lymph­öde­men und Lipö­de­men. Dabei rück­ten alar­mie­ren­de Zah­len zu Fehl­dia­gno­sen in den Fokus.

Nur jede vier­te Dia­gno­se korrekt

Die Sta­tis­tik ist ernüch­ternd: Zwi­schen 76 und 80 Pro­zent der Pati­en­tin­nen, die sich in der Föl­di­kli­nik und an der Cha­ri­té Ber­lin eine Zweit­mei­nung zu ihrer Lipö­dem-Dia­gno­se ein­hol­ten, waren ursprüng­lich falsch dia­gnos­ti­ziert wor­den. Das berich­te­ten Dr. Tobi­as Bertsch, wis­sen­schaft­li­cher Lei­ter der Ver­an­stal­tung, und Phy­sio­the­ra­peu­tin Lin­da S. Roherty.

„Die Ursa­che liegt oft in Fehl­in­for­ma­tio­nen, die zu the­ra­peu­ti­scher Unsi­cher­heit füh­ren“, erklär­te Bertsch. Die­se fal­schen Dia­gno­sen hät­ten weit­rei­chen­de Kon­se­quen­zen für die Betrof­fe­nen – sowohl in medi­zi­ni­scher als auch psy­cho­lo­gi­scher Hinsicht.

Unter­schied­li­che The­ra­pie­an­sät­ze erforderlich

Dr. Belin­da Thomp­son prä­sen­tier­te For­schungs­er­geb­nis­se, die zei­gen, dass Lipö­dem-Pati­en­tin­nen kei­nen soge­nann­ten „Der­mal Back­flow“ auf­wei­sen – im Gegen­satz zu Lym­ph­ö­dem-Pati­en­ten. Die­se Erkennt­nis unter­streicht die Not­wen­dig­keit dif­fe­ren­zier­ter Behandlungsansätze.

Die Exper­ten beton­ten, dass bei der Lymph­ödem-Behand­lung nach wie vor die manu­el­le Lymph­drai­na­ge einen zen­tra­len Stel­len­wert ein­nimmt. Assoc. Prof. Loui­se Koel­mey­er stell­te inno­va­ti­ve Anwen­dun­gen der Indo­cya­nin­grün-Bild­ge­bung vor, mit dere­n Hil­fe indi­vi­du­el­le Drai­na­ge­punk­te prä­zi­ser iden­ti­fi­ziert wer­den können.

War­nung vor vor­schnel­len Eingriffen

Nicht alle Pati­en­ten kom­men für eine Lym­ph­chir­ur­gie infra­ge, warn­te Prof. Chris­ti­an Tae­ger. Ent­schei­dend sei der Aus­tausch zwi­schen Ärz­ten und The­ra­peu­ten, um maß­ge­schnei­der­te The­ra­pien zu ent­wi­ckeln. Lymph­the­ra­peu­tin Lin­da Hodgkins mahn­te zur Vor­sicht: „Nicht jedes Ödem ist auto­ma­tisch ein Lymph­ödem – die Ursa­chen kön­nen viel­fäl­tig sein.“

Dr. Micha­el Ober­lin zeig­te anhand von Fall­bei­spie­len, dass Lymph­ödeme auch Sym­pto­me gene­ti­scher Syn­dro­me sein kön­nen, etwa des Emberger‑, Über­wuchs- oder Noonan-Syndroms.

Adi­po­si­tas erschwert Behandlung

Adi­po­si­tas als häu­fi­ge Begleit­erkran­kung des Lipö­dems beein­flus­se die Pro­gno­se erheb­lich, erläu­ter­ten die Refe­ren­ten. PD Tim Holl­stein prä­sen­tier­te Stoff­wech­sel­ana­ly­sen, die zei­gen, dass Men­schen mit hohem Ener­gie­ver­brauch leich­ter Gewicht ver­lie­ren als sol­che mit einem „spar­sa­men“ Stoffwechsel.

Prof. Goran Mar­ja­no­vic stell­te die baria­tri­sche Chir­ur­gie als Behand­lungs­op­ti­on vor, beton­te aber, dass eine früh­zei­ti­ge The­ra­pie ent­schei­dend sei, um Organ­schä­den zu vermeiden.

Gesell­schafts­kri­ti­sche Töne

Dr. Jürg Tra­ber reg­te eine gesell­schafts­kri­ti­sche Dis­kus­si­on an und for­der­te ein Umden­ken bei nor­mier­ten Schön­heits­idea­len. Er warn­te vor „Dise­a­se Mon­ge­ring“ – dem krank­ma­chen­den Patho­lo­gi­sie­ren nor­ma­ler kör­per­li­cher Unterschiede.

Die psy­cho­lo­gi­schen Aspek­te stan­den eben­falls im Fokus: Dr. Nicho­la Rum­sey sprach über Resi­li­enz als wich­ti­ge Fähig­keit im Umgang mit sozia­lem Druck. Psy­cho­lo­gin Anne­ma­rie­ke Fle­ming beton­te die Aus­wir­kun­gen post­trau­ma­ti­scher Belas­tungs­stö­run­gen auf die kör­per­li­che Gesundheit.

Die Ver­an­stal­ter kün­dig­ten bereits die 3. Inter­na­tio­na­len Föl­di­kli­nik-Tage für den 19. und 20. Juni 2026 in Hin­ter­zar­ten an. Ziel sei es, die inter­dis­zi­pli­nä­re Lym­pho­lo­gie wei­ter vor­an­zu­brin­gen und den fach­li­chen Aus­tausch zu intensivieren.

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