Die digi­ta­le Revolution

Die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens erreicht 2025 einen entscheidenden Wendepunkt. Mit der flächendeckenden Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Versicherten am 29. April und der schrittweisen Ausweitung weiterer digitaler Anwendungen wird die Telematikinfrastruktur (TI) zur zentralen Nervenbahn des modernen Medizin­betriebs. Doch während Millionen Deutsche erstmals von vernetzter Gesundheitsversorgung profitieren sollen, mehren sich auch kritische Stimmen zu Datenschutz und Sicherheit.

Der Sprung ins kal­te Wasser

Am 7. Febru­ar 2025 waren 69.895.552 ePAs ange­legt – ein dra­ma­ti­scher Anstieg gegen­über den ledig­lich 867.456 Akten Ende Novem­ber 2023. Der Grund: Deutsch­land wech­selt von einem Opt-in- zu einem Opt-out-Ver­fah­ren. Jeder gesetz­lich Ver­si­cher­te erhält auto­ma­tisch eine ePA, es sei denn, er wider­spricht aktiv.

Mit der ePA für alle schaf­fe man eine Grund­la­ge für eine ver­netz­te, pati­en­ten­zen­trier­te Gesund­heits­ver­sor­gung, erklärt die Gema­tik, die Natio­na­le Agen­tur für Digi­ta­le Medi­zin. Auch Medi­ka­ti­ons­da­ten wer­den seit Janu­ar 2025 in der ePA hin­ter­legt. Mit Beginn des bun­des­wei­ten Roll-outs wird die Anzahl an Doku­men­ten, Befun­den und wei­te­ren Infor­ma­tio­nen in den Pati­en­ten­ak­ten zunehmen.

Die Vor­tei­le lie­gen auf der Hand: Ärz­te kön­nen schnel­ler auf Vor­er­kran­kun­gen, All­er­gien oder bereits verschrie­bene Medi­ka­men­te zugrei­fen. Dop­pel­un­ter­su­chun­gen wer­den ver­mie­den, die Behand­lungs­qua­li­tät steigt. Für Ortho­pä­die­tech­ni­ker bedeu­tet das: Ver­ord­nun­gen, Hilfs­mit­tel­ver­sor­gun­gen und The­ra­pie­ver­läu­fe wer­den trans­pa­rent nach­voll­zieh­bar – falls die Poli­tik sich dazu ent­schei­den soll­te, Lese- und Schrei­be­rech­te für OT-Betrie­be zu gewähren.

„Die Zah­len zei­gen deut­lich, dass die Nut­zung nun deutsch­land­weit zunimmt. Die ePA ist damit auf bes­tem Wege, fes­ter Bestand­teil unse­rer Gesund­heits­ver­sor­gung in Deutsch­land zu wer­den – das ist ein wich­ti­ger Mei­len­stein für uns alle. Die Medi­ka­ti­ons­lis­te hat bereits vie­le Pra­xen über­zeugt. Eine Funk­ti­on, die zeigt, wie Digi­ta­li­sie­rung im Pra­xis­all­tag spür­bar hel­fen kann“, so Dr. Flo­ri­an Fuhr­mann, Vor­sit­zen­der der Gematik-Geschäftsführung.

Dr. Florian Fuhrmann, ­Vorsitzender der Gematik-Geschäftsführung, ­bezeich­net die ePa als Meilenstein der ­Digitalisierung. Foto: Gematik GmbH
Dr. Flo­ri­an Fuhr­mann, ­Vor­sit­zen­der der Gema­tik-Geschäfts­füh­rung, ­bezeich­net die ePa als Mei­len­stein der ­Digi­ta­li­sie­rung. Foto: Gema­tik GmbH

Siche­rer Chat für Gesundheitsprofis

Par­al­lel zur ePA eta­bliert sich der TI-Mes­sen­ger als siche­re Kom­mu­ni­ka­ti­ons­platt­form inner­halb der Gesund­heits­bran­che. In der TI-Modell­re­gi­on Ham­burg und Umland wur­de im Herbst 2024 der TI-Mes­sen­ger in ers­ten Gesund­heits­ein­rich­tun­gen erprobt. Anders als Whats­App oder ande­re Con­su­mer-Mes­sen­ger erfüllt der TI-Mes­sen­ger die stren­gen Daten­schutz­an­for­de­run­gen des Gesundheitswesens.

Ortho­pä­die­tech­ni­ker könn­ten künf­tig direkt mit Ärz­ten kom­mu­ni­zie­ren, Befun­de aus­tau­schen oder Rück­fra­gen zu Hilfs­mit­tel­ver­sor­gun­gen klä­ren – alles inner­halb eines rechts­si­che­ren Rah­mens. Die Ver­schlüs­se­lung erfolgt Ende-zu-Ende, die Ser­ver ste­hen in Deutschland.

E‑Mail-Ersatz mit Sicherheitsgarantie

Die Kom­mu­ni­ka­ti­on im Medi­zin­we­sen (KIM) fun­giert als eine Art siche­res E‑Mail-Sys­tem für Gesund­heits­dienst­leis­ter. Über KIM kön­nen sen­si­ble Pati­en­ten­da­ten, Arzt­brie­fe oder Hilfs­mit­tel­ver­ord­nun­gen ver­schlüs­selt und rechts­si­cher über­tra­gen wer­den. Für Ortho­pä­die-Werk­stät­ten ent­ste­hen damit neue Mög­lich­kei­ten der direk­ten Koope­ra­ti­on mit Pra­xen und Kliniken.

Auf den Punkt
  • Mit 69,9 Mil­lio­nen ange­leg­ten ePAs bis Febru­ar 2025 ­erreicht Deutsch­land einen Mei­len­stein bei der Digi­ta­li­sie­rung des Gesundheitswesens.
  • TI-Mes­sen­ger und KIM schaf­fen erst­mals rechts­si­che­re Kommu­nikationswege zwi­schen allen Gesundheitsakteuren.
  • Trotz tech­ni­scher Fort­schrit­te blei­ben Daten­schutz-Exper­ten skep­tisch – die Balan­ce zwi­schen Inno­va­ti­on und Sicher­heit bestimmt den Erfolg der digi­ta­len Transformation. 

 

Schat­ten über der digi­ta­len Zukunft

Doch die digi­ta­le Trans­for­ma­ti­on stößt auf erheb­li­chen Wider­stand. Der Cha­os Com­pu­ter Club (CCC) warnt regel­mä­ßig vor Sicher­heits­lü­cken in der Tele­ma­tik­in­fra­struk­tur. Sicher­heits­for­scher zeig­ten Ende 2024 auf dem Con­gress des Cha­os Com­pu­ter Clubs gra­vie­ren­de Sicher­heits­lü­cken der ePA und der zuge­hö­ri­gen IT-Infrastruktur.

Mar­tin Tschir­sich vom CCC demons­trier­te bereits mehr­fach, wie sich das Ver­fah­ren, mit dem sich Bür­ger für unter­schied­li­che digi­ta­le Pro­duk­te wie zum Bei­spiel die elek­tro­ni­sche Pati­en­ten­ak­te aus­wei­sen, auf Sicher­heits­lü­cken über­prü­fen lässt. Das Pro­blem: Mit weni­gen Hand­grif­fen konn­te das Sys­tem erfolg­reich geknackt werden.

Die Gema­tik reagiert auf die Kri­tik mit ver­stärk­ten Sicher­heits­maß­nah­men. Sie arbei­tet nun dar­an – in enger Abstim­mung mit dem Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Gesund­heit und dem Bun­des­amt für Sicher­heit in der Informa­tionstechnik –, die Schwach­stel­len zu beheben.

Was ist …


… die elek­tro­ni­sche Pati­en­ten­ak­te (ePA)?

Die ePA ist die digi­ta­le Gesund­heits­ak­te für jeden ­gesetz­lich Ver­si­cher­ten mit Arzt­brie­fen, Befun­den, Medi­ka­ti­ons­plä­nen und Behand­lungs­ver­läu­fen. Die Pilot­pha­se star­te­te 2021, das Opt-out-Ver­fah­ren gilt seit Janu­ar 2025 und ist ver­pflich­tend ab Okto­ber 2025.

… der TI-Messenger?
Der TI-Mes­sen­ger (kurz: TIM) ist ein ver­schlüs­sel­ter Instant-Mes­sa­ging-Dienst spe­zi­ell für Gesund­heits­fach­kräf­te. Die Pilot­pha­se ist in den TI-Modell­re­gio­nen (Ham­burg) 2024 gestar­tet, eine schritt­wei­se Aus­wei­tung ist geplant.

… KIM?
KIM ist die Abkür­zung für Kom­mu­ni­ka­ti­on im Medi­zin­we­sen und steht für eine siche­re E‑Mail-Alter­na­ti­ve für den Aus­tausch sen­si­bler Gesund­heits­da­ten. Der Aus­bau läuft, bereits seit 2019 kön­nen bei­spiels­wei­se Ärz­te, die an die TI ange­schlos­sen sind, dar­über kommunizieren.

… das Notfalldatenmanagement?
Das Not­fall­da­ten­ma­nage­ment (NFDM) spei­chert auf der Gesund­heits­kar­te lebens­ret­ten­de Infor­ma­tio­nen für Not­fäl­le. Die­ser Dienst ist seit 2021 vor allem für Not­ärz­te, Kli­ni­ken, alle Erst­ver­sor­ger relevant.

… das E‑Rezept?
Das E‑Rezept ist die digi­ta­le Medi­ka­men­ten­ver­schrei­bung, die bei­spiels­wei­se über die Gesund­heits­kar­te oder eine Smart­phone-App ein­ge­löst wer­den kann. Auch der Aus­druck eines QR-Codes ist möglich.

… die qua­li­fi­zier­te elek­tro­ni­sche Signatur?
Bei der qua­li­fi­zier­ten elek­tro­ni­schen Signa­tur (QES) han­delt es sich um eine rechts­gül­ti­ge digi­ta­le Unter­schrift für Gesundheitsdokumente.

… das Versichertenstammdatenmanagement?
Beim Ver­si­cher­ten­stamm­da­ten­ma­nage­ment (VSDM) wer­den die Pati­en­ten­stamm­da­ten über die Gesund­heits­kar­te auto­ma­tisch aktualisiert.

… die TI 2.0?
Bei der TI 2.0 han­delt es sich um eine moder­ni­sier­te, cloud­ba­sier­te Ver­si­on der Tele­ma­tik­in­fra­struk­tur. Mit der Ein­füh­rung ist ab 2026 zu rechnen.

… die GesundheitsID?
Dabei han­delt es sich um eine ein­heit­li­che digi­ta­le ­Iden­ti­tät für alle Gesundheitsdienste. 

 

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