Con­ven­ti­on Sen­so­mo­to­rik: zwi­schen Evi­denz und Hürden

Wo steht die sensomotorische Versorgung heute? Diese Leitfrage beschäftigte die mehr als 100 Fachbesucher bei der „Convention Sensomotorik“ der Springer Aktiv AG in Berlin. Deutlich wurde: Die Versorgung zeigt in der Praxis Wirkung, doch es fehlen klare Strukturen und politische Anerkennung.

CEO Frank Hep­per eröff­ne­te die Ver­an­stal­tung mit einem kla­ren Appell: Sen­so­mo­to­rik ist stra­te­gisch rele­vant – für Ver­sor­gungs­er­folg, Sys­tem­ef­fi­zi­enz und Pati­en­ten­wohl. Ange­sichts wach­sen­der Ver­sor­gungs­zah­len sprach er von einer stei­gen­den Nach­fra­ge nach indi­vi­dua­li­sier­ter, funk­tio­nel­ler Ver­sor­gung, die struk­tu­rel­le Aner­ken­nung benötige.

Sen­so­mo­to­rik ist unser „inne­res Navi­ga­ti­ons­sys­tem“, beton­te die Gesund­heits­ak­ti­vis­tin und Pod­cas­te­rin Vre­ni Frost. Wer sie bewusst wahr­nimmt und för­dert, kön­ne nicht nur kör­per­li­che Sta­bi­li­tät zurück­ge­win­nen, son­dern auch emo­tio­na­le Balan­ce und Lebens­qua­li­tät. Ihr Appell an das Fach­pu­bli­kum: „Kopf aus – Kör­per an“.

Wie kann der Weg sen­so­mo­to­ri­scher Ein­la­gen in die Regel­ver­sor­gung gelin­gen? Dar­über wur­de auf dem Podi­um kon­tro­vers und lösungs­ori­en­tiert dis­ku­tiert. Ein ärzt­li­ches Umden­ken for­der­te Ortho­pä­din Dr. Uta Janenz. Sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen sei­en „das ein­zi­ge Kon­zept, das dem kind­li­chen Sys­tem gerecht wird“ – funk­tio­nell, nicht pas­siv. Sport­wis­sen­schaft­ler Dr. Ste­phan Becker wider­sprach der Behaup­tung feh­len­der Evi­denz. Sein Fazit: „Der Wunsch nach Evi­denz ist nach­voll­zieh­bar, aber die bereits bestehen­de Evi­denz soll­te nicht igno­riert wer­den.“ Auf die recht­lich gesi­cher­te Mög­lich­keit höher­wer­ti­ger Ver­sor­gung (§ 33 Abs. 5 SGB V) ver­wies Rechts­an­walt Roland Weber. Sei­ne Mah­nung: „Ent­schei­dend sei­en sau­be­re Doku­men­ta­ti­on, kor­rek­te For­mu­lie­run­gen und ein kla­rer Hin­weis auf „sen­so­mo­to­ri­sche Fer­ti­gung“ im Kos­ten­vor­anschlag oder Rezept.“ Oda Hage­mei­er, Geschäfts­füh­re­rin Euro­com e. V., hob die Rol­le der Indus­trie als Struk­tur­part­ner – und die Not­wen­dig­keit, inno­va­ti­ve Ver­sor­gungs­kon­zep­te poli­tisch sicht­bar zu machen. Alf Reu­ter, Prä­si­dent des Bun­des­in­nungs­ver­ban­des für Ortho­pä­die-Tech­nik (BIV-OT), beton­te: „Die Ver­sor­gung ver­dient Aner­ken­nung – dafür brau­chen wir kla­re Struk­tu­ren und eine lau­te gemein­sa­me Stim­me.“ Dass sen­so­mo­to­ri­sche Ver­sor­gung nicht auf Ein­zel­fall­kom­pe­tenz beru­hen darf, unter­strich Tho­mas Ehr­le (Spit­zen­ver­band Ortho­pä­die-Schuh­tech­nik). OSM Ste­fan Woltring sprach sich für eine Ver­sor­gung aus, die mehr als Tech­nik bie­tet: Sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen müss­ten funk­tio­nel­le Ver­än­de­run­gen aus­lö­sen, im Mus­kel­to­nus, in der Hal­tung, im Gang­bild – und im Lebens­ge­fühl. Stan­dar­di­sier­te Doku­men­ta­ti­ons­pro­to­kol­le und ver­ständ­li­che Bil­der sei­en essenziell.

In drei Work­shops wur­den ver­schie­de­ne Aspek­te der sen­so­mo­to­ri­schen Ver­sor­gung ver­tieft: Ste­fan Woltring (Motion­check) und Hei­ko Schrei­ter (Sprin­ger Aktiv) zeig­ten anhand von Pati­en­ten­vi­de­os, wie sich funk­tio­nel­le Ver­än­de­run­gen nach SMFO-Ver­sor­gung objek­tiv bele­gen las­sen. Dabei wur­den stan­dar­di­sier­te Pro­to­kol­le und trans­pa­ren­te Nach­sor­ge­pro­zes­se als zen­tra­le Werk­zeu­ge zur Ver­sor­gungs­qua­li­tät diskutiert.

Dr. Ste­fan Becker, Ste­ven Simon (RPTU Kai­sers­lau­tern-Land­au) und Boris Herm­sen (Sprin­ger Aktiv) prä­sen­tier­ten aktu­el­le For­schungs­er­geb­nis­se von SMFO zu Effek­ten auf Schmerz, Mus­kel­ak­ti­vie­rung, Gang­pa­ra­me­ter und Sta­bi­li­tät sowie Ver­gleichs­da­ten zu bio­me­cha­ni­schen Ein­la­gen. Der­zeit lau­fen wei­te­re Stu­di­en, u. a. zum Zehen­spit­zen­gang, Mus­kel­ak­ti­vi­täts­ver­än­de­run­gen unter Belas­tung, Achil­lo­dy­nie und pos­tu­ra­ler Kontrolle.

Anschlie­ßend stell­ten Dr. Oli­ver Lud­wig (RPTU Kai­sers­lau­tern-Land­au), Jean­nette Are­nd und Pas­cal Adolf (Sprin­ger Aktiv) „Pro­prio Reha“ vor – ein sys­te­ma­ti­scher Ansatz zur Inte­gra­ti­on sen­so­mo­to­ri­scher Ver­sor­gung in Reha­bi­li­ta­ti­ons­pro­zes­se. Aus dem Sport­kon­zept „Fisch im Schuh“ her­vor­ge­gan­gen, soll „Pro­prio Reha“ Tes­tung, digi­ta­le Doku­men­ta­ti­on und pass­ge­naue sen­so­mo­to­ri­sche Ein­la­gen­ver­sor­gung in einem Pro­zess verbinden.

Mari­us Hirsch­mann, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­stra­te­ge und Geschäfts­füh­rer Agen­tur Zen­tral­sü­den, gab zum Abschluss einen stra­te­gi­schen Impuls: Sen­so­mo­to­rik wir­ke – aber sie wer­de zu wenig gese­hen. In sei­nem Vor­trag stell­te er die Fra­ge, war­um gute Ver­sor­gung nicht auto­ma­tisch Auf­merk­sam­keit erzeugt, und rief die Bran­che dazu auf, ihre Wir­kung sicht­bar zu machen – fach­lich, emo­tio­nal und mediengerecht.

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