Nachdem Dr. Melanie Horter vom SPZ Westmünsterland in Coesfeld im Schnelldurchlauf einen kompakten Überblick über Anatomie, Anamnese, klinische Untersuchung, Palpation und apparative Untersuchungsmöglichkeiten der Gelenke der oberen Extremitäten gegeben hatte, widmete sich OTM Günter Bieschinski vom Sanitätshaus Rahm in Troisdorf der Orthesenversorgung bei Kontrakturen und Spastik. „Die Hand erzählt Geschichten, ist für soziale Kontakte wichtig und hat vielfältige Funktionen“, stellte er klar. Bei eingeschränkter Funktion gehe es insbesondere darum, mit einer Orthese Stabilität herzustellen, im neurologischen Bereich darüber hinaus um die Förderung von Restfunktionen, um Bewegungsanreize zu schaffen; häufig führen einseitig Betroffene alle wesentlichen Tätigkeiten mit der intakten Hand aus und lassen die beeinträchtigte verkümmern. „Bewegung ist wichtiger als Korrektur“, betonte er. Dazu stellte er dar, wie eine Orthese sich an der Fehlstellung einer Hand orientieren muss, damit sie überhaupt angelegt werden kann. Danach kommen die Möglichkeiten zur Korrektur zum Einsatz. Bei einem Tonus etwa lässt sich die Faust mit einer Orthese öffnen, sodass sie beispielsweise ein Messer halten und nutzen kann. In diesem Zusammenhang ging der OTM auch auf myoelektrische Orthesen sowie funktionelle Elektrostimulation ein und führte ein Versorgungsbeispiel mit „ReGrasp“ an, eine Orthese, mit der ihre Nutzerin bzw. ihr Nutzer per Taster oder auch durch Nicken die Hand öffnen, schließen und bewegen kann.
Auf die eingeschränkte Pflegefähigkeit von verkrampften Händen ging nach Bischinski auch Jochen Schickert, Teamleiter Orthetik bei Orthovital in Leipzig, ein: Wenn an einer verkrampften Hand kein Nägelschneiden möglich ist, kommt es zu Verletzungen, Entzündungen und weiteren Problemen, die sich durch eine orthetische Versorgung vermeiden lassen. Er thematisierte neuroorthopädische Aspekte und richtete einen ganzheitlichen Blick auf die Versorgung: „Der gesamte Oberkörper muss betrachtet werden.“ Eine Orthese übe Druck aus, das Gewicht spiele eine Rolle, Schwitzen schränke den Komfort massiv ein. Schickert stellte verschiedene Orthesensysteme mit ihren Eigenschaften vor, beispielweise das Spiralsystem, das es den Nutzer:innen ermöglicht, es selbst mit einer Hand anzulegen.
Der frisch gebackene Orthopädietechniker Michael Leßke, tätig für Ortema in Baden-Württemberg, brachte drei Versorgungsbeispiele zu funktionsunterstützenden Orthesen mit. So stattete er eine Wilmer-Lagerorthese mit Magnetverschlüssen aus, „eine gute Lösung, wenn die Finger nicht funktionieren“. Durch eine Streckorthese mit Gasdruckdämpfer wurde einem Patienten das Fahrradfahren wieder möglich: Die Orthese hält den Lenker, löst sich bei einem Sturz, wohingegen sie auf einem holprigen Weg in Position bleibt – eine große Herausforderung für die Entwickler:innen in der Werkstatt. Ein Motorradfahrer wiederum kann seiner Leidenschaft nach einem Unfall weiter nachgehen. Für ihn wurde eine Knieorthese individuell an den beeinträchtigten Arm angepasst – und zwar so, dass der TÜV die eigenwillige Lösung abnickte.
Ein Konsens in der abschließenden Diskussion betraf die Präferenz für maßgefertigte Versorgungen. Denn angesichts der Vielzahl an Problemstellungen kann gezielt darauf eingegangen werden, während konfektionierte Orthesen stets auch die nicht betroffenen Gelenke mit einbeziehen.
Anja Knies
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