Azu­bi ent­wi­ckelt Orthe­se mit ver­stell­ba­rem Gurtsystem

Eine neue Orthese? Ja, aber nur unter einer Voraussetzung: Michelle, Patientin im Sanitätshaus Seeger, möchte weiterhin ihre Nikes tragen. Das war die Herausforderung, die es für Gregor Häfner zu bewältigen galt. Und letztendlich fand der heute ausgelernte Orthopädietechniker tatsächlich eine Lösung: eine Carbon­federorthese, die er mit einem besonderen Feature ausstattete – einem ­verstellbaren Gurtsystem am Schuh. Für sein Gesellenstück wurde er in diesem Jahr mit dem „Aha-Award“ von Rehavital ausgezeichnet. Die größte Wertschätzung aber bleibt Michelles Begeisterung für die ­Sonderanfertigung, die sie auf jedem Schritt durchs Leben begleitet.

Seit einem neu­ro­lo­gi­schen Ein­griff lebt die 25-Jäh­ri­ge mit einer Hemi­parese. Betrof­fen sind vor allem die lin­ke Hand sowie das lin­ke Bein. „Beim Gehen geht ihr Fuß in eine star­ke Inver­si­on. Um das Bein durch­schwin­gen zu kön­nen, muss sie ihn mit viel Kraft in die Dor­sal­ex­ten­si­on brin­gen. Die­se erhöh­te Anstren­gung führt wie­der­um dazu, dass der Tonus in der lin­ken Hand ansteigt und eine Spas­tik auf­tritt“, berich­tet Häf­ner. Die zuvor getra­ge­ne Kunst­stoffor­the­se war zu starr für die agi­le Frau und ver­ur­sach­te Druck­stel­len. Das schränk­te sie sowohl im All­tag als auch in ihrem Beruf als Heil­päd­ago­gin stark ein.

Ziel war es nun, Stür­zen vor­zu­beu­gen sowie in der Schwung­pha­se eine aus­rei­chen­de Dor­sal­ex­ten­si­on und ein siche­res, ener­gie­ef­fi­zi­en­tes Gehen zu ermög­li­chen – auch, um die Spas­tik in der Hand zu ver­hin­dern. Zudem galt es, die leich­te Becken­fehl­stel­lung und den Spitz­fuß aus­zu­glei­chen. Gemein­sam mit der Pati­en­tin ent­schied sich Häf­ner für eine dyna­mi­sche Car­bon­fe­der­or­the­se. Der Vor­teil: Die­se hebt den Fuß einer­seits an und lässt gleich­zei­tig viel Bewe­gungs­spiel­raum zu. „Klas­si­sche Orthe­sen mit vorkom­primierten Federn erlau­ben nur etwa 5 bis 10 Grad Bewe­gung. Michel­le hat aber viel mehr Kraft im Bein“, so der Orthopädietechniker.

Nor­ma­ler­wei­se hät­te die 25-Jäh­ri­ge mit dem Hilfs­mit­tel in spe­zi­el­le ­Orthe­sen­schu­he schlüp­fen müs­sen. Das Ange­bot an modi­schen Model­len ist laut Häf­ner aber begrenzt. „Die Orthe­se selbst ist sel­ten das Pro­blem, son­dern viel­mehr die Schu­he. Die meis­ten Leu­te – und dazu gehört auch Michel­le – wol­len ihre nor­ma­len Snea­k­er anzie­hen können.“

Durch das Gurtsystem kann die Orthese auch mit konfektionierten Sneakern getragen werden.
Durch das Gurt­sys­tem kann die Orthe­se auch mit kon­fek­tio­nier­ten Snea­k­ern getra­gen werden.

Fes­ter Sitz mit Klettverschluss

Die Idee: Wenn die Fer­sen­kap­pe nicht hoch genug ist, um ein Her­aus­rut­schen zu ver­hin­dern, muss sie ver­län­gert wer­den. Häf­ner kam zu dem Schluss, dass es nicht zwin­gend eine fes­te, ver­stärk­te Kap­pe braucht, son­dern dass ein klei­ner Anker­punkt über der Fer­se aus­rei­chen könn­te, damit der Fuß nicht nach hin­ten weg­rutscht und ein Spitz­fuß­aus­gleich von 2,5 Zen­ti­me­tern rea­li­siert wer­den kann. Er fer­tig­te ein klei­nes Neo­pren­pad, ver­an­ker­te es an drei Punk­ten mit dem Schuh und plat­zier­te es über der Fer­sen­kap­pe. Nach rechts und links wird das Pad mit­hil­fe von Klett­ver­schlüs­sen fixiert. Dadurch ist der Schuh vor­ne durch die Schnü­rung gesi­chert und hin­ten zusätz­lich durch die Klett­ver­schlüs­se. „Wenn die Pati­en­tin eine lan­ge Hose trägt, ist die Kon­struk­ti­on von außen kaum sicht­bar.“ Die Kom­bi­na­ti­on mit stüt­zen­den Ein­la­gen samt Bet­tung macht die Ver­sor­gung letzt­lich komplett.

Seit der ers­ten Anpro­be ist Michel­le von der Kon­struk­ti­on begeis­tert. Sie läuft dop­pelt so schnell wie mit ihrer vor­he­ri­gen Orthe­se, muss sich in ihren Bewe­gun­gen nicht ein­schrän­ken und hat selbst am Ende eines sehr akti­ven Tages kei­ne Druck­stel­len. Und: Sie trägt täg­lich ihre Lieblingsschuhe.

Pia Engel­brecht

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