Ständig erreichbar sein, nach dem Zähneputzen am Abend noch E‑Mails verschicken und am nächsten Morgen geht der erste Griff zum Smartphone, das auf dem Nachttisch liegt – kann das gesund sein? Diese Frage wird aktuell in dem von dem Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „Prävention für sicheres und gesundes Arbeiten mit digitalen Technologien“ (PräDiTec) untersucht. In Frankfurt haben die Projektmitglieder ihre ersten Zwischenergebnisse vorgestellt.
Interessante Erkenntnis: Je seltener eine Person mit digitalen Technologien in Berührung kommt, desto höher das Stresslevel. Prof. Dr. Henner Gimpel von der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT) zeigte sich von diesem Ergebnis zunächst erstaunt, jedoch sei der Zusammenhang durchaus logisch: Wer viele digitale Medien nur selten nutze, der könne keine Routine entwickeln. Fragen wie: „Warum muss ich jetzt hier ein Update machen? Wo finde ich in diesem Fenster dieses Element? Wie bediene ich dieses Programm?“ lösten Stress aus. „Stress ist gleich Überforderung“, lautet die Formel der Fachleute, die zudem davon berichten, dass die Teilnehmer der Studie, die besonders unter digitalem Stress litten, ebenso gesundheitliche Probleme hatten.
Gesundheit leidet
Jeder Achte der 5.000 Befragten fühlte sich allgemein von der Digitalisierung stark gestresst, jeder dritte Befragte in mindestens einem der zwölf von der Forschungsgruppe ermittelten Belastungsfaktoren. Zwei Faktoren die herausstechen, sind zum einem die Leistungsüberwachung und zum anderen die „gläserne“ Person. Durch die Digitalisierung sei es vielfach einfacher geworden, die Arbeit eines Auswirkungen der Digitalisierung auf das berufliche Stresslevel
Mitarbeiters zu überprüfen. Dieser ständige Druck löse ebenso Stress aus, wie das Gefühl des Eindringens in die eigene Privatsphäre. „Ich erkenne da allerdings eine Ambivalenz zwischen Privatleben und Arbeitsleben“, erklärt Guido Fuhrmann, Personalleiter Deutschland bei der Deutschen Bank. Damit meint der Fachmann, dass im privaten Umfeld häufig die Daten relativ sorglos preisgegeben werden, während beruflich ein höherer Standard angelegt wird.
Wissen vermitteln
Konkrete Lösungsvorschläge, wie sich dieser Überforderung entgegenwirken lässt, sollen im Laufe der Studie erarbeitet werden. Erste Ideen sind zum Beispiel die Schulung von Führungskräften, einen „Digital-Coach“ im Unternehmen zu haben oder über Webinare Wissensvermittlung zu betreiben. Vor allem bei letztgenanntem sehen alle Projektpartner die größte Möglichkeit den digitalen Stress bereits präventiv zu begegnen. Je besser die Mitarbeiter informiert seien, desto weniger stünden sie vor Aufgaben, die sie überfordern. Dr. Patricia Tegtmeier vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BAuA) stellt die automatische Anwendung neuer Technologien grundsätzlich infrage. Neuerungen würden in manchen Fällen nicht wegen der Notwendigkeit, sondern der Neuheit wegen eingeführt. Diese ständige Umwälzung könne zur Stress führen, so die Meinung der Experten. „Digitalisierung ist fantastisch, hat aber nicht nur gute Seiten“, stellt auch Prof. Gimpel klar. Gleichzeitig versteht sich die Projektgruppe keinesfalls als Digitalisierungsgegner. Die aktuelle Studie läuft noch bis Ende 2020. Die Zielsetzung, konkrete Werkzeuge für Unternehmen zu schaffen, wie sie digitalem Stress entgegentreten oder sogar vorbeugen können, ist aus Sicht der Projektteilnehmer realistisch. Die erarbeiteten Methoden sollen nun erste Praxistests durchlaufen, damit ihre Wirksamkeit überprüft werden kann