Das Bündnis aus Union und SPD hat insgesamt 16 Ministerien für die kommenden vier Jahre besetzt, erstmals zum Beispiel das Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung. Personell gibt es, trotz des Verbleibs der SPD in – geteilter – Regierungsverantwortung, einen großen Umbruch. Lediglich Boris Pistorius ist aus der Vorgänger-Regierung noch übrig und wird weiterhin das Amt des Verteidigungsministers bekleiden. Ansonsten haben die Regierungsparteien bei der Besetzung der Ministerposten für Überraschungen gesorgt. Für das Handwerk und die Orthopädietechnik-Branche ist vor allem wichtig, wer die Bundesministerien für Gesundheit, Wirtschaft und Energie, Finanzen, Arbeit und Soziales sowie Digitales und Staatsmodernisierung innehat, und wie diese Personen über das Fach im Speziellen und die Themen Gesundheit, Bürokratie und Wirtschaft im Allgemeinen denken. Wer also sind diese Menschen, die zukünftig Gesetze entwerfen, Beschlüsse fassen und entscheiden? Die OT-Redaktion stellt die wichtigsten Ministerinnen und Minister vor.
Bundesministerium für Gesundheit
Nicht Karl-Josef Laumann, nicht Tino Sorge und auch nicht Karl Lauterbach ist in der Regierung Merz Gesundheitsminister geworden, sondern Nina Warken. Die Juristin kann bereits auf eine durchaus erfolgreiche politische Karriere zurückblicken, trotz ihres relativ jungen Alters von 46 Jahren. Im Jahr 2000 trat sie – zwei Jahre nach ihrem Abitur am Matthias-Grünewald-Gymnasium Tauberbischofsheim – in die CDU ein. Es folgte die klassische, aber ambitionierte Politikerkarriere mit dem Start auf kommunaler Ebene im Stadt- und Kreistag. Bereits 2006 wurde sie zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden in der Jungen Union (JU) gewählt und bekleidete dieses Amt für acht Jahre bis 2014. Bereits im Jahr 2013 gelang ihr erstmals der Einzug in den Bundestag. Dort übernahm sie die Rolle der Obfrau der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im NSA-Untersuchungsausschuss und war Mitglied im Innenausschuss. In der letzten Amtszeit von Angela Merkel war sie unter anderem von 2019 bis 2021 Vorstandsmitglied und Integrationsbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie Vorsitzende des CDU-Bundesfachausschusses Innere Sicherheit und wurde 2021 Mitglied im Parlamentarischen Begleitgremium zur Covid-19-Pandemie. 2021 konnte sie ihr Direktmandat gewinnen, in der Ampelkoalition blieb ihr aber nur der Gestaltungsspielraum der Opposition. Sie war seit 2021 parlamentarische Geschäftsführerin und Mitglied des Ältestenrats und beispielsweise seit 2022 Mitglied in der CDU-Fachkommission Sicherheit. Außerdem übernahm sie 2023 das Amt der Generalsekretärin der CDU in ihrem Heimatbundesland Baden-Württemberg. Seit dem 6. Mai ist Warken nun Gesundheitsministerin. Mit ihr ziehen Tino Sorge und Georg Kippels als parlamentarische Staatssekretäre in das in der Mauerstraße 29 beheimatete Ministerium ein.
Sorge wurden von vielen Kennern der Szene ebenfalls Chancen für den Posten des Ministers eingeräumt. Als gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war er seit 2021 erster Ansprechpartner in Sachen Gesundheit. Die Hilfsmittelbranche kennt Sorge; er war zum Beispiel auch beim Parlamentarischen Abend in der französischen Botschaft im vergangenen Jahr als „Gastgeber“ und Gesprächspartner vor Ort und informierte sich über die Probleme, aber auch Chancen des Fachs. Er vertritt seinen Magdeburger Wahlkreis seit 2013 im Bundestag.
Kippels ist ebenso wie Sorge und Warken Jurist, allerdings auch mit großer gesundheitspolitischer Erfahrung. 2013 zog er erstmals in den Bundestag ein und ist seit 2015 Mitglied des Gesundheitsausschusses. Er sagte anlässlich seiner Ernennung: „Es ist mir eine große Ehre und zugleich eine besondere Verantwortung, diese Aufgabe übernehmen zu dürfen. In den kommenden Jahren stehen wegweisende gesundheitspolitische Entscheidungen an, zu denen wir im Koalitionsvertrag unsere Schwerpunkte gesetzt und Lösungsansätze formuliert haben. Sie gilt es nun im Sinne seines Titels – Verantwortung für Deutschland – umzusetzen. Die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland liegt mir dabei besonders am Herzen. Ich werde mich mit voller Kraft und Überzeugung für ein modernes, solidarisches und zukunftsfähiges Gesundheitssystem einsetzen.“
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Aus der Wirtschaft, für die Wirtschaft: Unter diesem Motto kann man die Nominierung und letztlich auch die Besetzung des Spitzenpostens im Wirtschaftsministerium mit Katherina Reiche zusammenfassen. Als Bundestagsabgeordnete war sie von 1998 bis 2015 viele Jahre im politischen Berlin unterwegs, entschied sich aber freiwillig für einen Rückzug aus der Politik und für ein Engagement in der Wirtschaft. Von 2015 bis 2019 übernahm sie den Posten der Hauptgeschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU), einem deutschen Interessenverband, der die Interessen von kommunalen Unternehmen gegenüber Gesetzgebungsorganen auf Landes‑, Bundes- und europäischer Ebene vertritt. Im Januar 2020 übernahm sie den Vorsitz der Geschäftsführung Innogy Westenergie GmbH. In ihrer Antrittsrede sagte die neue Ministerin über die aktuelle Wirtschaftssituation: „Diese Krise ist Made in Germany. Das Gute daran: Wenn die Krise Made in Germany ist, dann kann auch die Lösung Made in Germany sein.“ Sie präsentierte einige Lösungsvorschläge, unter anderem den Abbau von Bürokratie: „Vorschriften, Richtlinien und Berichtspflichten lähmen den Mittelstand, und nicht nur den. Der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft hat sich in den letzten fünf Jahren laut Normenkontrollrat mehr als verdreifacht. Wir müssen vereinfachen, straffen, streichen. Schwellenwerte erhöhen, Ermessensspielräume vergrößern, Genehmigungsfiktionen ausweiten.“
Bundesministerium der Finanzen
Die SPD hat bei der Bundestagswahl 2025 ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren. Bundeskanzler Olaf Scholz steht deshalb für keine Führungsaufgaben mehr bereit, auch Co-Parteivorsitzende Saskia Esken zieht sich aus der ersten Reihe bei den Sozialdemokraten zurück. Übrig von den bisherigen Protagonisten bleibt neben Verteidigungsminister Pistorius noch Lars Klingbeil: Er vereint Parteivorsitz, Vizekanzlerschaft und den Posten des Finanzministers in seiner Person. Im Detlev-Rohwedder-Haus, dem Hauptsitz des Bundesfinanzministeriums in Berlin, startete Klingbeil in sein neues Ministeramt, jedoch folgten schon bald die ersten Auslandsreisen. Zur Amtsübernahme sagt der SPD-Chef: „Es geht um Verantwortung für Deutschland. Es geht um neue wirtschaftliche Stärke. Und es geht um Klarheit: Wir bringen Deutschland wieder auf Wachstumskurs. Wir investieren in die Zukunft. Wir sorgen für Sicherheit. Dafür ist das BMF ein entscheidendes Ministerium. Wir legen jetzt sofort los.“
Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Als Bärbel Bas 2021 zur Bundestagspräsidentin gewählt wurde, war die Duisburgerin der breiten Öffentlichkeit noch unbekannt. Souverän, unaufgeregt in einer Zeit, in der es im Deutschen Bundestag oft auch um die Deutungshoheit von Fakten ging, leitete sie die Geschicke und Debatten. Damit erarbeitete sie sich viel Respekt innerhalb und außerhalb ihrer Partei. Nach dem Hauptschulabschluss mit Fachoberschulreife arbeitete Bas an sich und ihrer beruflichen Karriere. Sie machte zum Beispiel eine Ausbildung zur Bürogehilfin bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG), gefolgt von der Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten, Fortbildung zur Krankenkassenbetriebswirtin, Abendstudium zur Personalmanagement-Ökonomin und arbeitete von 2007 bis 2009 als Leiterin der Abteilung Personalservice bei der Betriebskrankenkasse BKK futur. Anschließend folgte der Wechsel in die Politik. Seit 2009 sitzt sie im Bundestag, war stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und ist nun Bundesministerin für Arbeit und Soziales. In Nordrhein-Westfalen erfreut sich Bas großer Beliebtheit, wird sogar als Herausforderin von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gehandelt.
Das Thema Gesundheitspolitik gehört für Bas aufgrund ihrer beruflichen Laufbahn zu ihren Kernthemen. Ein Blick auf ihr sorgfältig geführtes Register von Treffen mit Lobbyvertretern zeigt, dass sich die neue Arbeitsministerin mit Apotheken, GKV-Spitzenverband und Krankenkassen in der Vergangenheit zu verschiedenen Themen ausgetauscht hat. Ihr erster Vorstoß als Ministerin war es, den Vorschlag einzubringen, dass zukünftig auch Beamte in die Rentenkasse einzahlen sollten.
Bundesministerium für Digitales und Staatsmodernisierung
Mit Dr. Karsten Wildberger gibt es einen weiteren Wechsel aus der Wirtschaft in die Politik. Wildberger war zuletzt Vorstandsvorsitzender der Ceconomy AG sowie Geschäftsführer der Media-Saturn-Holding GmbH und zunächst parteilos, nach seiner Ernennung zum Minister gab er bekannt, in die CDU eingetreten zu sein. Wildbergers Biografie umfasst ein Physik-Studium an der TU München und der RWTH Aachen sowie einen Master of Business Administration an dem Institut Européen d’Administration des Affaires, einer privaten Wirtschaftshochschule. Bei Boston Consulting, der Deutschen Telekom, Vodafone, Telstra und Eon sammelte er weitreichende Erfahrungen, die ihm bei der Arbeit als erster Digitalminister Deutschlands helfen sollen. Zudem fällt ihm auch die wichtige Aufgabe der Staatsmodernisierung zu. „Unser Digitalministerium entsteht aus der Bündelung zahlreicher Digitalthemen und ‑aufgaben, die bisher von unterschiedlichen Bundesministerien bearbeitet worden sind. Wir wollen als neues Ministerium Reibungsverluste reduzieren, Mehrfachzuständigkeiten vermeiden und bei wichtigen Digitalthemen die Federführung haben“, erklärte er im Rahmen seiner Antrittsrede.
Die weiteren Ministerinnen und Minister sind: Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), Außenminister Johann Wadephul (CDU), Justizministerin Stefanie Hubig (SPD), Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU), Bauministerin Verena Hubertz (SPD), Bildungsministerin Karin Prien (CDU), Umweltminister Carsten Schneider (SPD), Agrarminister Alois Rainer (CSU), Forschungsministerin Dorothee Bär (CSU) und Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD). Außerdem übernimmt Thorsten Frei (CDU) das Kanzleramt.
Branche erwartet Entwicklung
Den neuen Ministerinnen und Ministern wird keine lange Eingewöhnungszeit gegönnt, zu dringend sind die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft. So meldete sich beispielsweise die Eurocom als Herstellervereinigung für Kompressionstherapie und orthopädische Hilfsmittel am Tag nach der Ernennung von Bundesgesundheitsministerin Warken zu Wort. „Es liegen große Projekte wie die weiterzuführende Krankenhausreform oder die Neuordnung der Notfallversorgung vor der neuen Bundesministerin“, sagte Eurocom-Geschäftsführerin Oda Hagemeier und ergänzte: „Dafür wünschen wir viel Zielstrebigkeit, die richtige Portion Durchhaltevermögen und stets eine glückliche Hand. Bundesministerin Warken kommt nicht aus dem ‚System Gesundheitswesen‘, sodass ihr frischer Blick sehr hilfreich sein kann.“ Der Koalitionsvertrag enthält Ansätze, die aus Sicht der Eurocom positiv zu bewerten sind. Ein gutes Zeichen etwa sei, dass Hilfsmittel genannt werden. Ebenso, dass auch Medizintechnik als Teil der Gesundheitswirtschaft zu einer „Leitwirtschaft“ werden soll. „Das ist eine gute Ausgangslage“, so Hagemeier, „jetzt gilt es für die Bundesgesundheitsministerin konkret zu werden. Hilfsmittel können ein regelrechter ‚Enabler‘ für die Ambulantisierung von stationären Leistungen oder für die Vermeidung von früher Pflegebedürftigkeit sein.“