Am 23. Januar ließen sich dort 150 Gäste von Branchenexperten über aktuelle Entwicklungen im Gesundheitsmarkt informieren. „Ich habe Hoffnung, dass sich im Markt etwas bewegt“, führte Gastgeber Peter Hartmann in seiner Eröffnungsrede aus. Seines Erachtens ist nach Jahren des Stillstands in Bezug auf Innovationen nun eine Zeit der Veränderungen gekommen. Konkret verwies Hartmann in diesem Zusammenhang auf anstehende Gesetze wie das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) und das Organspendegesetz.
Um sich einen aktuellen Eindruck vom Umsetzungsstand der aktuellen politischen Anstrengungen – insbesondere in Bezug auf das TSVG – zu verschaffen, konnte kurzfristig eine Video-Liveschaltung mit Dr. Roy Kühne MdB organisiert werden. Der Gesundheitsexperte der CDU machte dabei keinen Hehl daraus, dass er es lieber gesehen hätte, ein zweites Heil- und Hilfsmittelgesetz auf den Weg zu bringen. Dafür sei in Berlin allerdings keine Mehrheit zu bekommen gewesen. Stattdessen solle über den Umweg des von Kühne als „Mammutgesetz“ titulierten TSVG insbesondere § 127 (1) SGB V gestrichen werden, der den Abschluss von Verträgen im Hilfsmittelbereich regelt. Konkret heiße das, dass Ausschreibungen gesetzlicher Krankenkassen in diesem Versorgungssektor zukünftig untersagt sind. Im Gespräch mit Peter Hartmann wies Kühne darauf hin, dass auf ein Verbot von Ausschreibungen auch ein Verbot von Open-House-Verträgen folgen müsse.
Nach dem aktuellen Fahrplan des Bundesgesundheitsministeriums soll das TSVG bis zum 1. Mai 2019 im Bundestag verabschiedet werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wolle das Thema, so Kühne, spätestens bis zur Sommerpause abgearbeitet wissen. Statt sich in der Folge zurückzulehnen, seien, so Kühne, unter anderem aktualisierte Regelungen zum Entlassmanagement und ein Entbürokratisierungspaket auf den Weg zu bringen. Damit bezog er sich unter anderem auf die Umsetzung der elektronischen Patientenakte sowie der elektronischen Unterschrift und schuf somit unwillkürlich eine Überleitung zum ersten Vortrag des Tages.
Prof. Dr. David Matusiewicz, Leiter der Abteilung für Gesundheit und Soziales an der FOM Hochschule Essen, referierte rund eine Stunde lang in einem Mix aus Statistiken und Alltagsanekdoten über den Einfluss der Digitalisierung auf das Gesundheitswesen. In diesem Zusammenhang vertritt der Wissenschaftler die Ansicht, dass sich im Bereich der Telemedizin das Format der Video-Sprechstunde nicht durchsetzen werde, da die Mehrzahl der Patienten sich mit diesem Kommunikationsformat nicht wohlfühle. Stattdessen rechnet Matusiewicz damit, dass eine asynchrone Kommunikation per E‑Mail-Korrespondenz mit der Zeit an Popularität gewinnen werde. Nach Ansicht des Hochschulprofessors wird sich der Gesundheitsmarkt der Zukunft immer mehr vom Rezept- zum Selbstzahlungs-Modell wandeln.
Im Zuge dessen, so die Prognose, übernehmen die globalen Technologietreiber von Apple über Google bis Microsoft verstärkt Dienstleistungen im Gesundheitssektor; der Patient rückt parallel in die Rolle des Kunden und bezahlt in vielen Fällen nicht mehr oder nicht ausschließlich mit Geld, sondern mit seinen persönlichen Daten. Die schweizerische „Healthbank“ geht sogar noch einen Schritt weiter und hat eine Plattform auf den Weg gebracht, über die Nutzer ihre Gesundheitsdaten gegen Bezahlung für wissenschaftliche Studien zur Verfügung stellen können.
Dies ist eine Entwicklung, die Dr. Stefan Brink, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden-Württemberg, mit Sorge beobachtet. Der Jurist nutzte die Bühne in Schwerte dazu, in seinem Vortrag auf das hohe Gut des Datenschutzes hinzuweisen. „Datenschutz ist ein Freiheits- und Bürgerrechtsthema“, führte Brink aus und prognostizierte: „Die Digitalisierung wird ohne Datenschutz nicht funktionieren.“
Im weiteren Verlauf verteidigte der Experte die Verabschiedung der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) als wirkungsvolles Instrument, um die gesetzeskonforme Verarbeitung und Verbreitung digitaler Informationen zu steuern. Die Androhung und potenzielle Verhängung drastischer Bußgelder sei notwendig, um die Gesellschaft und insbesondere die mit Daten handelnden Unternehmen für die große Bedeutung des Datenschutzes zu sensibilisieren. Dass im Zuge dessen insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sowie Vereine mit begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen verunsichert sind, wie sie mit Daten Dritter umzugehen haben, lässt sich nach Ansicht von Brink nicht verhindern.
Auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit der DSGVO folgte der letzte Gastvortrag des Tages, in dem Prof. Dr. Ernst Hauck, Vorsitzender Richter des 1. Senats am Bundesozialgericht, auf aktuelle gesetzliche Herausforderungen im Gesundheitswesen einging. Dazu zählt z. B. die Handhabung des § 13 Abs. 3a SGB V, der im Kontext der Genehmigungsfiktion das Erlöschen fingierter Genehmigungen behandelt. Hauck vermisst an dieser Stelle eine seiner Ansicht nach notwendige juristische Präzision bei der Auslegung der Gesetzestexte. Im weiteren Verlauf seines Fachbeitrags gab Hauck den Gästen Handlungsempfehlungen im Umgang mit den Themen „Entlassmanagement“ und „Verfahrensbeschleunigung in der Sozialgerichtsbarkeit“ an die Hand.
Zum Abschluss eines inputreichen Tages war es Jörg Hackstein, Partner der Kanzlei Hartmann Rechtsanwälte, vorbehalten, die Erkenntnisse des Tages zusammenfassend zu bewerten. Darüber hinaus nahm er eine kritische Einschätzung der Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses durch den GKV-Spitzenverband vor und zog eine erste Bilanz zu den Auswirkungen der verstärkten Überwachungspflichten von Präqualifizierungsstellen auf die Branche.
Angesichts der positiven Resonanz auf das diesjährige Fachprogramm hat sich die Kanzlei Hartmann Rechtsanwälte dazu entschlossen, ihre nächste Auftaktveranstaltung am 23. Januar 2020 erneut in der Rohrmeisterei abzuhalten, da die Zahl der Interessierten voraussichtlich weiter steigen wird.
Michael Blatt
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