So werden frühere Kontraindikationen für die Kompressionstherapie zu Indikationen. Auch eröffnen sich neue Einsatzgebiete der Kompression bei nicht-phlebologischen Indikationen, insbesondere in der Prophylaxe. Im Rahmen des von der Firma Juzo veranstalteten 3. Internationalen Phlebologischen Symposiums in Unterschleißheim bei München wurde eine Vielzahl therapeutischer Möglichkeiten vorgestellt. Rund 250 Besucher konnte die wissenschaftliche Leiterin Prof. Dr. med. Anke Strölin, leitende Oberärztin an der Universitäts-Hautklinik Tübingen, begrüßen, unter ihnen Mediziner, Wundexperten, Therapeuten und Fachkräfte aus Sanitätshäusern.
Die Rolle der Kompressionstherapie bei der Vorbeugung der Varikose sowie zur Rezidivverhinderung des Ulcus Cruris beleuchtete Univ.-Doz. Dr. med. Sanja Schuller-Petrovic, Wien. Zwar gebe es keine randomisierten klinischen Studien, die den prophylaktischen Effekt der Kompression auf die Progression der Venenerkrankung dokumentierten. Es bestehe jedoch eine sehr gute Evidenz zu ihrer Effektivität zur Besserung der Beschwerden bei Varizen. Auch führe die Kompression zu geringeren Rezidivraten nach Ulcus cruris venosum.
Die international unterschiedlichen Kompressionsklassen-Einteilungen stellte im Anschluss Prof. Dr. med. Birgit Kahle, Lübeck, in ihrem Vortrag „Die Kompressionsklasse 1: Prophylaxe oder Therapie“ dar. So entspräche die deutsche KKL 1 der französischen und britischen KKL 2 und sei dort die meist verordnete Kompressionsklasse. Entsprechend einer UIP-Studie bestünden zwischen KKL1 und 2 keine Unterschiede bzgl. der Verringerung des Venendurchmessers oder der Erhöhung der venösen Flussgeschwindigkeit. In Deutschland bestehe jedoch eine klare Präferenz für die Kompressionsklasse 2. Prof. Kahle vertrat die Ansicht, dass ein Strumpf KKL 1 mit hoher Stiffness wirksamer sein könne als KKL 2 mit niedriger Stiffness.
In der orthopädischen Rehabilitation nach Implantationen von Endoprothesen des Knie- und Hüftgelenkes stehe der behandelnde Arzt vor der doppelten Herausforderung, dem Patienten mit einem in vielen Fällen ausgeprägten postoperativen Ödem eine ausreichende Thromboseprophylaxe und eine aktive und intensive Rehabilitation zukommen zu lassen, erläuterte Dr. med. Christian Lange, Bad Camberg, in seinem Vortrag über die post-operative Anwendung von Kompressionsstrümpfen bei nicht-phlebologischen Indikationen. In dieser Phase hätten sich die medizinischen Kompressionsstrümpfe Klasse 2 bewährt, um aktiv die Rehabilitation zu unterstützen.
Herzinsuffizienz und Varikosis – Kompression ausgeschlossen? Dieser Fragestellung widmete sich Dr. med Sören Sörensen, Mainburg. Die Prävalenz der Varikosis und der Herzinsuffizienz sei hoch und steige mit zunehmendem Alter an. Bei leichteren Stadien der Herzinsuffizienz mit wenigen Symptomen und in kompensierten höhergradigen Stadien sei eine Kompression aus der alltäglichen klinischen Erfahrung in der Kardiologie kein Problem. Bei einer akuten Dekompensation sei eine Kompression nur mit gleichzeitiger diuretischer Therapie und unter engmaschiger klinischer Überwachung sinnvoll.
In den letzten Jahren nimmt die Anzahl der Sportler, die Kompressionstextilien im Breiten- und Leistungssport tragen, zu, führte Prof. Dr. med. Anke Strölin, Tübingen, in ihrem Vortrag aus. Ziele seien die Verbesserung der Sauerstoffversorgung während sportlicher Belastung, die schnelle Regeneration der Beinmuskulatur sowie der Schutz von Gelenken, Muskeln und Sehnen. Nach den bisherigen Ergebnissen profitierten venengesunde Sportler von Kompressionsstrümpfen mit progressiver Kompression, bei venenkranken Sportlern mit insuffizienten Klappen würden bisher degressive Kompressionsmaterialien empfohlen.
Dr. med. Iris Weingard, Freiburg, stellte in ihrem Vortrag die klassische Stripping-OP und moderne endoluminale Verfahren gegenüber. Die Krossektomie und das Stripping insuffizienter Venenabschnitte gälten bisher als die Methoden der Wahl zur Behandlung der Stammvarikose. In den letzten Jahren hätten jedoch neue minimalinvasive endovenöse Methoden wie z. B. Radial-Laser, radiofrequenzinduzierte Thermotherapie oder Steam Vein Sclerosis an Bedeutung gewonnen.
Dass Varizentherapie und Venenerhalt nicht immer ein Widerspruch sein müssen, erläuterte Dr. med. univ. Dr. med. Dominic Mühlberger, Bochum. Die üblichen Methoden zur Behandlung einer Stammveneninsuffizienz der V. saphena magna hätten das Ziel, die Vene zu entfernen oder zu zerstören. Mit Hilfe der extraluminalen Valvuloplastie könne die V. saphena magna konserviert und als mögliches Bypassgefäß für eine gefäßchirurgische bzw. herzchirurgische Revaskularisation erhalten bleiben.
Möglichkeiten und Grenzen der Kompressionstherapie bei Patienten mit chronischen Wunden waren Thema der abschließenden Präsentation von Monika Rakers, Bad Lippspringe. Ein wichtiger Therapiebaustein der Ulcus-Versorgung sei Kompression. Im Rahmen des Selbstmanagements sprach sich Rakers für die Anwendung moderner Bandagier- und Kompressionssysteme aus, da diese leicht anzulegen seien und der Patient den Druck selbst bestimmen könne.
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