Auf der OTWorld wurde das Thema deshalb schon konzertiert angegangen und erhielt mit dem „Tag des E‑Rezepts“ sogar noch einmal ein spezielles Rahmenprogramm, zu dem sowohl Vorträge als auch Rundgänge gehörten. Wer lieber auf eigene Faust sehen wollte, wie eine E‑Verordnung aussieht und was passiert, wenn eine Patientin oder ein Patient diese einlösen möchte, der konnte sich am Stand des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT) eine simulierte Verordnung ausdrucken lassen und mit dem QR-Code bei den entsprechenden Softwareanbietern einlösen.
Dieses Angebot nahmen an den ersten drei Messetagen auch viele an und überhäuften die Expert:innen an den Ständen mit Nachfragen aus ihrem Alltag. Thomas Münch, Vorstandsmitglied im BIV-OT und federführend im Pilotprojekt E‑Verordnung, musste bei einem Rundgang deshalb auch einige Fragen beantworten, zum Beispiel, warum das Muster 16 als erstes in Angriff genommen wurde. „Wir haben uns das herausgesucht, weil es relativ einfach umzusetzen war. Auf dieser Basis aufbauend können wir uns den nächsten Aufgaben widmen.“
32 Monate sind es – Stand jetzt –, die bleiben, bis die E‑Verordnung nach dem Willen der Politik eingeführt wird. In dieser Zeit will sowohl des Pilotprojekt E‑Verordnung für orthopädische Hilfsmittel als auch das Projekt eGesundheit, an dem unter anderem sechs Krankenkassen und auch Softwareanbieter beteiligt sind, einen Prozessentwurf vorlegen, der die Einführung der E‑Verordnung so reibungslos wie möglich macht. Dass dies aktuell noch nicht der Fall ist, ist von den beteiligten Parteien durchaus so gewollt, wie Dr. Jan Helmig, Chief Digital Officer bei der opta data Gruppe, im Rahmen des Expertentalks „Die eVO kommt! Von der Software bis zur Kartenausgabe: Wie bereite ich meine Prozesse und Mitarbeiter optimal vor?“ erklärte. „Wir müssen versuchen, so viele Fehler wie möglich jetzt zu machen, statt im laufenden Betrieb. Aktuell testen wir intensiv und dementsprechend finden wir auch die Fehler“, so Helmig. Er berichtete zudem über den Aufbau des Pilotprojekts, das sich aktuell in der Testphase befindet. Darauf kam auch Thomas Münch zu sprechen, der von den Anfängen des Projekts berichtete und bekannte: „Für mich ist es nebensächlich, ob die E‑Verordnung jetzt 2027 oder 2032 kommt, denn wenn sie kommt, dann ist sie verpflichtend. Die Betriebe müssen also vorbereitet sein.“
Das von den Kostenträgern initiierte Projekt ARGE eGesundheit wurde in der Runde durch Markus Jochem vertreten. „Ich habe jetzt die schwierige Aufgabe, die Unterschiede zwischen den beiden Projekten auszuarbeiten“, erklärte er. Grundsätzlich habe man einen anderen Ansatz gewählt als das Pilotprojekt und sei mit der Fragestellung „Wie kann ich Rückfragen vermeiden“ ins Rennen gegangen. Dafür wurden zwei PVS-Anbieter kontaktiert, eine Software zu konzipieren, die dies abdeckte. Prof. Frank Braatz, Beratungsausschuss Technische Orthopädie und Vereinigung Technische Orthopäde (VTO), übernahm den Part für die Vertreter:innen der Medizin und bekannte: „Wir tun uns schwer mit der Codierung“. Gemeint sind die Krankheitsbilder, die verpflichtend mit einem internationalen Code abgebildet werden müssen auf der Verordnung und zu Problemen führen. Auf die Frage von Moderatorin Kirsten Abel, Sprecherin des BIV-OT-Präsidiums, wer von den Zuhörer:innen grundsätzlich von einer nicht korrekten Verordnung ausgehe, gingen einige Hände in die Höhe. Braatz appellierte an die Vertreter:innen in der Runde, dass man keine Versorgungsstrukturen zerschlagen solle, weil durch die Digitalisierung eventuell neue Möglichkeiten der Lenkung entstehen könnten.
Um überhaupt das Thema E‑Verordnung in den Angriff nehmen zu können, muss der Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) erfolgen. Das gelingt nur, wenn man einen sogenannten elektronischen Berufeausweis hat. Wie man den bekommt, das erklärte Claudie Toeller, Abteilungsleiterin Handwerkskammer Düsseldorf.
Frank Rudolf, Hilfsmittel-Experte des AOK-Bundesverbandes, zeigte sich auf geäußerte Kritik, dass der aktuelle Prozess für alle Beteiligten überbordenden Verwaltungsaufwand bedeute, sehr einsichtig. So, wie es jetzt sei, könne es nicht bleiben – und die Digitalisierung sei eine Chance, es besser zu machen. Dabei müssen die Anforderungen von Kostenträgern und Leistungserbringern auf den Tisch gelegt werden und gemeinsam eine Lösung gefunden werden. Das dies aktuell gut funktioniere, bestätigten sowohl Rudolf als auch Münch.
Dennoch herrschte Skepsis im Publikum, ob auch wirklich alle Prozesse in einer E‑Verordnung abbildbar seien. Im klinischen Alltag oder mobil gibt es andere Anforderungen an Verordner und Techniker:innen als im Sanitätshaus. Die Experten versicherten, dass sie sich der Aufgaben bewusst seien, aber mehr Möglichkeiten als Hürden in der Digitalisierung sehen. „Digitalisierung fetzt“, lautete das Fazit von Rudolf. Und Braatz äußerte den Wunsch, dass die beiden laufenden Projekte zur E‑Verordnung ihre Kräfte bündeln sollten, damit am Ende ein gemeinsamer Vorschlag stehe.
Heiko Cordes