Die Ergebnisse belegen, dass mehr als die Hälfte der Produktportfolios von Medizinprodukten bereits vom Markt genommen wurde, und bis 2027 droht der Verlust zahlreicher weiterer Produkte.
Die MDR stellt die meisten Unternehmen bei der Umsetzung vor große Probleme. Drei Viertel der befragten Unternehmen berichten von negativen Auswirkungen auf ihre Innovationsaktivitäten, und in über 50 Prozent der Produktportfolios werden einzelne Produkte oder ganze Produktionen und Sortimente aus dem Markt genommen.
Obwohl die Übergangsfristen für Bestandsprodukte bis 2027/2028 verlängert wurden, bleiben strukturelle Probleme bestehen. Die Umsetzung der MDR ist nach wie vor für fast alle Betriebe (97 Prozent) problematisch, insbesondere aufgrund der hohen Kosten- und Bürokratiebelastungen. Die Anpassung der technischen Dokumentationen stellt dabei eine der größten Herausforderungen dar, wobei die Kosten im Durchschnitt um 111 Prozent gestiegen sind.
Die Zusammenarbeit mit „benannten Stellen“ für den Marktzugang erweist sich ebenfalls als schwierig, mit durchschnittlichen Kostensteigerungen von 124 Prozent. In 91 Prozent der Fälle sind es die Gesamtkosten der Zertifizierung, die zur Entscheidung führen, Medizinprodukte vom EU-Markt zu nehmen. Dies betrifft vor allem Nischenprodukte mit geringem Absatzmarkt, die nicht mehr wirtschaftlich vermarktet werden können.
Die Verfahrensdauer hat sich für viele Unternehmen drastisch verlängert, wobei 37 Prozent der Unternehmen nun dreimal so lange benötigen wie vor der MDR. Die Verfügbarkeit von Produkten verzögert sich infolgedessen erheblich.
Angesichts dieser Entwicklungen mahnt Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer: „Die Politik muss die Wettbewerbs- und Innovationskraft der mittelständisch geprägten Medizintechnik-Branche erhalten und stärker in den Blick nehmen – das wäre auch wichtig für die zuverlässige Gesundheitsversorgung in der EU.“ Diese Entwicklung berge zugleich Zündstoff für weitere gesellschaftliche Debatten – auch, weil die EU damit nicht mehr unbestrittene Nummer 1 bei Neuzulassungen ist.
Die Umfrage zeigt außerdem, dass fast 20 Prozent der gestrichenen Produkte keine gleichwertigen Alternativen am Markt haben. Dennoch vertreiben 58 Prozent der Unternehmen, die Produkte in der EU einstellen, diese weiterhin außerhalb der EU, vor allem in den USA.
„Diese Ergebnisse halten der EU den Spiegel vor“, findet Julia Steckeler, Geschäftsführerin der Medical-Mountains GmbH. „Wenn die USA aufgrund der schnelleren Zulassungsverfahren sowie planbarer Kosten und verlässlicher regulatorischer Anforderungen den Vorzug erhalten, ist ganz klar, woran gearbeitet werden muss.“ Das System weise noch zu viele Baustellen auf.
Martin Leonhard, Vorsitzender der Medizintechnik bei Spectaris ergänzt: „Für die Industrie und die Patienten ist jetzt das Handeln der Politik gefordert.“ Deutschland und die gesamte EU drohe abgehängt zu werden – einerseits im internationalen Wettbewerb, andererseits bei der Versorgung mit innovativen, aber auch speziellen und bewährten Medizinprodukten. Die Sirenen können lauter nicht sein, „wenn drei von vier Unternehmen angeben, dass sich die MDR negativ auf die Innovationsaktivitäten auswirkt“, so Leonhard.
Gerade die Situation der vielen kleinen Unternehmen ist besorgniserregend. Diese Unternehmen haben in der Regel weniger finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung. Achim Dercks: „Unter dem Dauerdruck droht die mittelständisch geprägte Branche von der Basis her zu erodieren.“ 70 Prozent der Betriebe mit bis zu 49 Beschäftigten machen die hohen Zertifizierungskosten zu schaffen. In den Erwägungsgründen der MDR werde zwar ausdrücklich erwähnt, dass auch die Belange kleinerer und mittlerer Unternehmen zu berücksichtigen seien, aber „die Realität zeigt ein anderes Bild“, so Dercks.
Die Forderung an Brüssel lautet, rasch pragmatische Schritte einzuleiten, da das Aussitzen der Probleme keine Option mehr ist. Die Verluste von Medizinprodukten und Forschungs- sowie Entwicklungs-Kompetenzen könnten schwerwiegende Folgen haben, die möglicherweise nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
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