160 Jah­re Wil­helm Juli­us Teu­fel: Wachs­tum aus eige­nen Kräften

Vom Bandagen-Hersteller zum Anbieter von Prothesen, Orthesen, Materialien und Servicedienstleistungen hat die Wilhelm Julius Teufel GmbH (WJT) eine ereignisreiche und insbesondere lange Firmenhistorie vorzuweisen. Vor 160 Jahren gründete sich das Unternehmen in Stuttgart, wagte bereits Ende des 19. Jahrhunderts den Schritt ins Ausland und ist bis heute ausschließlich inhabergeführt.

Anläss­lich des Jubi­lä­ums sprach die OT-Redak­ti­on mit CEO und Gesell­schaf­ter Ralf Link über den der­zei­ti­gen Wan­del der Bran­che, die spe­zi­el­len Her­aus­for­de­run­gen eines fami­li­en­ge­führ­ten Unter­neh­mens und aktu­el­le Expan­si­ons­plä­ne. Der Espres­so-Lieb­ha­ber Link hat im Jahr 2009 die Geschäfts­füh­rung bei WJT über­nom­men und war zuvor u. a. als Mana­ger bei Hew­lett-Packar­d/A­gi­lent Tech­no­lo­gies in den Berei­chen For­schung & Ent­wick­lung und Mar­ke­ting tätig.

OT: Herr Link, wenn Sie ein Bun­des­mi­nis­te­ri­um besu­chen könn­ten, um eine Stun­de mit dem zustän­di­gen Minister/der zustän­di­gen Minis­te­rin zu spre­chen, für wel­ches Minis­te­ri­um ent­schei­den Sie sich und wel­ches The­ma set­zen Sie auf die Agenda?

Ralf Link: Natur­ge­mäß, denn hier liegt unse­re Kom­pe­tenz, wür­de ich das Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um wäh­len und mit Herrn Prof. Dr. Lau­ter­bach über The­men der Hilfs­mit­tel­ver­sor­gung wie Pro­dukt­qua­li­tät und Preis­druck sprechen.

OT: 1862 grün­de­te sich das Unter­neh­men Wil­helm Juli­us Teu­fel in Stutt­gart und rich­te­te den Blick sogleich auf eine Expan­si­on ins Aus­land. Wie ist WJT der­zeit über die deut­schen Lan­des­gren­zen hin­aus posi­tio­niert? Auf wel­chen Märk­ten sind Sie aktiv?

Link: Als ich 2009 als Geschäfts­füh­rer in das Unter­neh­men gekom­men bin, lag der Fokus ver­stärkt auf Deutsch­land, der glo­ba­le Blick war in den Hin­ter­grund gerückt. Neben dem klas­si­schen welt­wei­ten Export­busi­ness sind wir heu­te in Euro­pa mit einer eige­nen Ver­triebs­nie­der­las­sung in Polen aktiv. Wir haben eine direk­te Kun­den­be­treu­ung in Öster­reich und eine Min­der­heits­be­tei­li­gung an einem Ver­triebs­part­ner in Groß­bri­tan­ni­en. Im nächs­ten Jahr wer­den wir mit einem eige­nen Team auf dem Schwei­zer Markt ver­stärkt aktiv werden.

OT: Wie sehen kon­kret Koope­ra­tio­nen mit aus­län­di­schen Part­nern, etwa dem US-ame­ri­ka­ni­schen Liner-Spe­zia­lis­ten Wil­low-Wood aus? Spre­chen wir hier von ver­triebs­tech­ni­schen Part­ner­schaf­ten oder tau­schen Sie auch tech­ni­sches Know-how aus?

Link: In Bezug auf Ver­triebs­part­ner­schaf­ten sind wir rund um den Glo­bus von Asi­en bis in die USA auf­ge­stellt. Dabei wird natür­lich auch Know-how aus­ge­tauscht und ein inten­si­ves Feed­back der Markt­si­tua­ti­on gege­ben, weil je nach Land ande­re Ver­sor­gungs­struk­tu­ren und Abrech­nungs­mo­del­le vor­lie­gen. Pro­duk­te, die in den USA sehr gewünscht sind, sind in Deutsch­land zum Teil chan­cen­los. Da Sie Wil­low-Wood anspre­chen – hier haben wir in den ver­gan­ge­nen 14 Jah­ren eine sehr enge und per­sön­li­che Bin­dung zuein­an­der aufgebaut.

OT: Kön­nen Sie uns ein Bei­spiel In Bezug auf die von Ihnen ange­spro­che­nen inter­na­tio­nal unter­schied­li­chen Ver­sor­gungs­si­tua­tio­nen nennen?

Link: Die Ver­sor­gungs­si­tua­ti­on ist, wie gesagt, in jedem Land unter­schied­lich. In Frank­reich bei­spiels­wei­se wer­den bestimm­te Ver­let­zun­gen klas­sisch mit einem indi­vi­du­ell ange­fer­tig­ten Kor­sett ver­sorgt, wäh­rend das Vor­ge­hen in Deutsch­land ein ande­res ist. Unab­hän­gig vom Pro­dukt unter­schei­det sich das medi­zi­ni­sche Vor­ge­hen und – ganz wert­frei gemeint – auch das Know-how. Wer in Deutsch­land bei einem bestimm­ten Krank­heits­bild mit einem Wal­ker ver­sorgt wird, bekommt in einem ande­ren euro­päi­schen Land ein ande­res Pro­dukt, weil dort ande­re Pro­duk­te gelis­tet sind oder die Ver­sor­gungs­pra­xis sich über die Jah­re anders ent­wi­ckelt hat. Wir leben einer­seits in einem glo­ba­len Euro­pa, aber gleich­zei­tig in einem klein­staat­lich geblie­be­nen Medi­zin­be­reich. Die­se lokal unter­schied­li­chen Vor­aus­set­zun­gen sind für uns auf einem regu­lier­ten Markt eine beson­de­re Herausforderung.

OT: Sie selbst sind bereits seit 2009 bei WJT – was hält Sie über die­sen durch­aus schon län­ge­ren Zeit­raum im Unter­neh­men und was war in die­ser Zeit die größ­te Herausforderung?

Link: Für mich ist die Arbeit bei WJT über­aus span­nend. Ich füh­le mich hier sehr wohl. Auf­grund eines Bezugs aus der Stu­di­en­zeit habe ich mich sei­ner­zeit aktiv für den Schritt ent­schie­den, mich für mei­ne Posi­ti­on zu bewer­ben. Wir haben seit­dem im Team aus einer schwie­ri­gen Situa­ti­on her­aus viel erreicht und füh­len uns im Wett­be­werb gut eta­bliert. Ein The­ma, das für uns als mit­tel­stän­di­sches Unter­neh­men ele­men­tar gewe­sen ist, war die Alters­nach­fol­ge. Hier haben wir unter den Gesell­schaf­tern eine gute Lösung mit einer kla­ren Füh­rungs­struk­tur gefun­den. Für ein mit­tel­stän­di­sches Unter­neh­men wie unse­res kann die Alters­nach­fol­ge in der Wei­ter­ent­wick­lung pro­ble­ma­tisch wer­den, beson­ders wenn nicht alle Betei­lig­te an einem Strang ziehen.

Die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen las­sen sich klar benen­nen. Wir haben schon früh auf umwelt­freund­li­che Beschaf­fungs- und Ver­triebs­we­ge gesetzt. Der Fracht­ver­kehr ist aber seit zwei Jah­ren schwer zu kon­trol­lie­ren. Ent­we­der errei­chen uns Lie­fe­run­gen zu spät, oder aber ein Con­tai­ner­schiff star­tet ein­fach ein­mal zwei Wochen zu früh im Aus­gangs­ha­fen, womit die Pla­nung wie­der von vor­ne beginnt. Die Kos­ten stei­gen durch die Decke. Bedau­er­li­cher­wei­se spielt auch der Krieg in der Ukrai­ne mit sei­nen Sei­ten­ef­fek­ten eine gro­ße Rolle.

OT: Wie fle­xi­bel im Risi­ko­ma­nage­ment muss sich ein Unter­neh­men vor die­sem Hin­ter­grund aufstellen?

Link: Wir haben bereits vor 2020 unse­re Lager­be­stän­de auf­ge­stockt, um mehr Sta­bi­li­tät in der inter­na­tio­na­len Logis­tik zu haben. Es gab vor eini­ger Zeit ein Inter­view mit Søren Skou, dem CEO der Maersk-Ree­de­rei (welt­weit größ­te Con­tai­ner­schiff-Ree­de­rei. Anm. d. Redak­ti­on), dass „Just in time“ nicht mehr umsetz­bar sei. Wir müs­sen daher ultraf­le­xi­bel und auf jed­we­de Stö­run­gen vor­be­rei­tet sein.

OT: Kom­men wir noch ein­mal auf die lan­ge His­to­rie von Wil­helm Juli­us Teu­fel zurück. Sie haben in die­sem Jahr das Fir­men­ju­bi­lä­um zum 160-jäh­ri­gen Bestehen gefei­ert und legen wei­ter­hin viel Wert auf Ihren Sta­tus als Fami­li­en­un­ter­neh­men. Wel­che Wer­te ver­bin­den Sie damit und wo wer­den die­se bei Ihnen in der Unter­neh­mens­kul­tur gepflegt?

Link: Unse­re drei zen­tra­len Wer­te sind Ver­trau­en, Respekt und Inte­gri­tät. Wir füh­len uns der Wahr­heit ver­pflich­tet, auch in Situa­tio­nen, in denen dies nicht immer ein­fach ist. Dies gilt sowohl im Mit­ein­an­der der Mit­ar­bei­ter als auch in der Außen­dar­stel­lung. Wenn etwas schief geht, wird dies gegen­über unse­ren Kun­den offen kom­mu­ni­ziert. Wir ver­trau­en unse­ren Mit­ar­bei­tern bedin­gungs­los und set­zen vor­aus, dass jeder sei­ne Auf­ga­ben nach bes­ten Mög­lich­kei­ten erfüllt. Umge­kehrt muss die Beleg­schaft auch ihren Füh­rungs­kräf­ten ver­trau­en kön­nen. Ähn­lich ver­hält es sich mit dem Respekt. Dies gilt sowohl für den Umgang mit­ein­an­der im Unter­neh­men, als auch im Ver­hält­nis zu Kun­den und Part­nern. Umge­kehrt erwar­te ich von Geschäfts­part­nern den glei­chen Respekt unab­hän­gig von der Hier­ar­chie in unse­rem Unter­neh­men. Hier gibt es kei­nen Personenkult.

OT: Auf dem deut­schen Markt ver­ste­hen Sie sich als Geschäfts­part­ner der Sani­täts­häu­ser und ortho­pä­die­tech­ni­schen Werk­stät­ten und nicht als Kon­kur­renz. Was heißt das in der Praxis?

Link: Wir haben mit WJT einen exis­tie­ren­den Markt­zu­gang und wir wer­den nichts tun, um die­sem Zugang, also den Sani­täts­häu­sern und OT-Werk­stät­ten, zu schä­di­gen. Die­sen Absatz­ka­nal schät­zen und respek­tie­ren wir, und wer­den ihn part­ner­schaft­lich fortsetzen.

OT: Sie ent­wi­ckeln aller­dings nicht nur Pro­duk­te, son­dern bie­ten auch Ser­vice­leis­tun­gen wie die Fer­ti­gung von Defi­ni­tiv­schäf­ten und das Frä­sen von Schaum­mo­del­len an. Wel­chen Anteil hat das Ser­vice­seg­ment am Gesamtangebot?

Link: Der von Ihnen genann­te Bereich, in dem wir seit knapp über zehn Jah­ren aktiv sind, macht bei uns unter zehn Pro­zent des Umsat­zes aus. Gera­de hier gilt unse­re Posi­ti­on, dass wir unse­ren Kun­den nicht die Arbeit weg­neh­men wol­len. Das heißt, die Beauf­tra­gung erfolgt immer über ein Sani­täts­haus, wenn die­ses der Mei­nung ist, wir kön­nen sie in der Wert­schöp­fungs­ket­te kom­mer­zi­ell sinn­voll ent­las­ten, oder sie haben einen Über­hang an Auf­trä­gen. Wir koope­rie­ren mit Sani­täts­häu­sern und haben kei­nen direk­ten Absatz­markt mit den Kostenträgern.

OT: OT-Betrie­be kla­gen ver­stärkt über Fach­kräf­te­man­gel. Neh­men Sie es als Part­ner aus der Indus­trie auch so wahr, dass Sani­täts­häu­ser auf­grund des­sen immer mehr Schwie­rig­kei­ten mit ihren Kapa­zi­tä­ten haben?

Link: In unse­ren täg­li­chen Kon­tak­ten zu den Betrie­ben bekom­men wir das Feed­back, dass vie­le von ihnen sich sehr genau über­le­gen, wel­che Tätig­kei­ten sie selbst machen. Ich nen­ne Ihnen ein Bei­spiel: Jeder Betrieb kann bei Bedarf zwar Pols­ter­zu­schnit­te von Hand im Sani­täts­haus durch­füh­ren, aber wenn er davon eine grö­ße­re Stück­zahl pro Jahr benö­tigt und jeman­den kennt, der dies ohne­hin tut und dafür eine Maschi­ne hat, dann kann er bes­ser die­sen mit der Aus­füh­rung beauf­tra­gen. Die­se Über­le­gun­gen erle­ben wir auf­grund der knap­per wer­den­den „Res­sour­ce Mensch“ immer mehr.

OT: Die Ortho­pä­die-Tech­nik befin­det sich in einer fort­schrei­ten­den digi­ta­len Trans­for­ma­ti­on. Das Berufs­bild ändert sich. Wo neh­men Sie aus Her­stel­ler­sicht den Wan­del beson­ders wahr und wel­chen Ein­fluss haben die­se Ver­än­de­run­gen auf die eige­ne Unternehmensstrategie?

Link: Im Bereich der eben ange­spro­che­nen Ser­vice­fer­ti­gung hat es vor zehn Jah­ren noch eine deut­lich reser­vier­te bis ableh­nen­de Hal­tung von Sani­täts­häu­sern gegen­über der Indus­trie gege­ben, wäh­rend wir mitt­ler­wei­le ver­stärkt den Wunsch nach Unter­stüt­zung wahr­neh­men. Dies setzt sich fort z. B. auch im Bereich 3D-Druck.

OT: In tech­ni­schen Hilfs­mit­teln steckt immer mehr High-Tech-Elek­tro­nik. Was bedeu­tet die­ser Umstand für den Schu­lungs­be­darf, bspw. beim im Früh­jahr gelaunch­ten „Intuy-Knee“-Kniegelenk?

Link: Wir bie­ten sowohl im eige­nen Hau­se als auch extern ver­stärkt Schu­lun­gen an und sind auch in Berufs- und Meis­ter­schu­len aktiv unter­stüt­zend, weil der Bedarf dafür groß ist. Es geht dar­um, dass gut ver­ar­bei­te­te Hilfs­mit­tel qua­li­ta­tiv ein­ge­setzt wer­den. Neh­men wir das „Intuy-Knee“: vor zehn Jah­ren gab es die klas­si­sche Fern­be­die­nung als tech­ni­sches Zube­hör; Stand der Tech­nik ist heu­te eine App. Dadurch wer­den die Pro­duk­te zwar fle­xi­bler oder uni­ver­sel­ler, aber gleich­zei­tig auch schu­lungs­in­ten­si­ver. Damit stei­gen auch die Ansprü­che an die Schu­lun­gen. Neben dem The­ma „Pro­dukt“ braucht es heu­te das wich­ti­ge The­ma „Service/Support“.

OT: Gegen­über Ihren Geschäfts­part­nern stel­len Sie Ihre finan­zi­el­le Unab­hän­gig­keit her­aus. In wel­chem Maße sind Sie als Unter­neh­men den­noch gezwun­gen, aus Wachs­tums­grün­den neue Märk­te zu erschlie­ßen, oder in die Akqui­se von Fremd­fir­men zu investieren?

Link: Was wir mit der Her­aus­he­bung der finan­zi­el­len Unab­hän­gig­keit doku­men­tie­ren wol­len, ist, dass wir im Kreis der Gesell­schaf­ter so auf­ge­stellt sind, hier in der Zen­tra­le in Wan­gen bei Stutt­gart die Ent­schei­dun­gen für das Unter­neh­men tref­fen zu kön­nen. Dar­auf sind wir stolz. Wir wach­sen aus unse­ren Kräf­ten her­aus. Viel­leicht etwas lang­sa­mer als anders­wo, aber was nach­hal­ti­ger ist, wird die Zeit zeigen.

OT: Die ers­te Aus­ga­be der Fach­zeit­schrift ORTHOPÄDIE TECHNIK erschien 1949 mit einer Titel­an­zei­ge von Wil­helm Juli­us Teu­fel. Seit vie­len Jah­ren ist die Umschlag­sei­te neben dem Edi­to­ri­al Ihr Schau­fens­ter in der OT. Wenn der Pri­vat­mensch Ralf Link die­sen exklu­si­ven Platz alter­na­tiv zu den klas­si­schen Fir­men­the­men bespie­len könn­te, wel­ches The­ma wür­den Sie wählen?

Link: Für mich per­sön­lich sind die Frei­heit und die Unab­hän­gig­keit des Indi­vi­du­ums eines der höchs­ten Güter. Wir haben auf unse­rer Web­site bereits eine kla­re Bot­schaft zum Krieg in der Ukrai­ne gesen­det. So etwas in der Art könn­te ich mir in die­sem Fall auch vorstellen.

Die Fra­gen stell­te Micha­el Blatt.

 

 

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