Frau Eick, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Position! Für all die, die Sie noch nicht kennen: Erzählen Sie uns von sich?
Vanessa Eick: Vielen lieben Dank! Ich gehe davon aus, dass mich die allermeisten Leserinnen und Leser tatsächlich noch nicht kennen und vielleicht fange ich damit an: Ich bin neu im Handwerk. Ich habe Politik‑, Sozialwissenschaft und Gesundheitsökonomie studiert und an der Ruhr-Universität in Bochum meinen Master gemacht. Damals habe ich nicht erwartet, dass ich Jahre später eine Schule im handwerklichen Kontext leiten würde – aber da mein Lebenslauf mich bisher immer mal wieder überrascht hat, passt auch dieser Schritt ganz wunderbar. Zwischen meinem Bachelor und Master habe ich ein paar Semester Medizin studiert, allerdings mit der Zeit gemerkt, dass mir sowohl im Studium als auch in der Tätigkeit als Ärztin etwas fehlen würde. Dieses „Etwas“ habe ich in meinem Masterstudium gefunden: den Freiraum für offenes Denken und eigene, kreative Lösungen. Nach meinem Abschluss begann ich dann an einer Pflegeschule in Essen zuerst in der Lehre und nach wenigen Monaten konnte ich die stellvertretende Leitung und kurze Zeit später die Leitung übernehmen. Obwohl ich auf dieser Position sehr zufrieden war, habe ich im November 2022 die Chance, eine neue Pflegeschule in Wuppertal als Leitung zu betreuen, ergriffen. Innerhalb von zweieinhalb Jahren haben wir eine Schule am Markt platziert und mit einem 20-köpfigen Team rund 150 Auszubildende auf dem Weg in verschiedene Pflegeberufe begleitet. Privat lebe ich seit 2012 in Dortmund und fühle mich mit der Stadt und der ganzen Region Ruhrgebiet, in der ich auch aufgewachsen bin, sehr verbunden. Ich bin froh, dass ich nun auch beruflich in meiner Stadt angekommen bin.
Was hat Sie dazu motiviert, die Leitung der Bufa zu übernehmen?
Die Anfrage von der Bufa für die vakante Position der Schulleitung kam zu einem Zeitpunkt, an dem ich nicht über eine neue berufliche Orientierung nachgedacht habe. Daher war meine Erwartung anfangs eher zurückhaltend. Ich habe in den ersten Gesprächen aber schnell gemerkt, dass mich die neue Herausforderung sehr reizt und dieser ganz andere Arbeitsbereich mein Interesse geweckt hat. Nicht ganz unwichtig war dabei auch, dass ich schon im ersten Gespräch zwei Mitglieder des Kollegiums kennenlernen durfte und dieser erste Eindruck mich wirklich begeistert hat! Einer meiner jetzigen Kollegen hat sich nach dem offiziellen Teil noch fast eine Dreiviertelstunde Zeit genommen und mich durch die ganze Schule geführt, mir alle Kolleginnen und Kollegen und die Lernenden einmal kurz vorgestellt und mir damit einen sehr wichtigen ersten Einblick in das Team und die Schule gegeben. Diese Offenheit hat mich schwer begeistert! Ich muss aber trotzdem zugeben, dass mir die Entscheidung alles andere als leichtgefallen ist. Ich habe in Wuppertal ein wunderbares Team gehabt, mit dem das Arbeiten sehr viel Freude gemacht hat. Einen Standort, den man selbst mit aufgebaut hat, zu verlassen, war ein großer Schritt, den ich nicht ohne Abschiedsschmerz gegangen bin. Ich bin aber überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war und die Bufa mir genauso ans Herz wachsen wird wie meine alte Schule.
Wie war Ihr erster Eindruck vom Alltag an der Bufa – sowohl räumlich als auch menschlich?
Da muss ich etwas schmunzeln, denn der erste räumliche Eindruck war durch eines sehr stark geprägt: Baustelle. Vielleicht nicht gänzlich unpassend für eine Schule im handwerklichen Kontext (lacht). Ich habe bei meinem Rundgang mit dem Kollegen einen ganz guten ersten Eindruck von den Räumen bekommen und vor allem die Werkstätten haben mich beeindruckt. Dass die Schule zu dem Zeitpunkt mitten im Umbau war, war für mich nicht abschreckend. Es ist schön zu sehen, wenn in neue Technik und eine moderne Ausstattung investiert wird – dass das aber oftmals mit kleineren und größeren Hürden und einem Zeitplan, der immer zu ambitioniert ist, einhergeht, gehört dazu. Menschlich hat sehr schnell sehr viel gepasst. Mir ist es wichtig, dass das Team untereinander einen guten und offenen Umgang pflegt. Durch die Art und Weise, wie die Kolleginnen und Kollegen an dem Nachmittag miteinander umgegangen sind und mich begrüßt haben, habe ich gemerkt, dass hier ein richtiges Team zusammenarbeitet. Ehrlich gesagt war das für mich extrem wichtig. Ich möchte nicht auf Dauer mit Menschen so eng zusammenarbeiten, die einander „nicht grün“ sind. Meine zwei, drei weiteren Besuche haben diesen ersten Eindruck übrigens verfestigt und deswegen komme ich jetzt auch voller Vorfreude zum Bufa-Team dazu!
Sie haben zuletzt die Pflegeschule der „Akademie für Pflegeberufe und Management“ (apm) in Wuppertal geleitet, davor hatten Sie die Standortleitung der „Teilnehmerorientierten Pflegeschule“ (ToP) in Essen inne. Welche Erfahrungen aus Ihrer bisherigen beruflichen Laufbahn möchten Sie gezielt in Ihre neue Rolle einbringen?
Meine beiden vorherigen Leitungspositionen haben mir gezeigt, dass es selten eine Strategie für alles und jeden gibt. Ich möchte bei der Bufa in Dortmund anknüpfen an meine bisherigen guten Erfahrungen und doch wieder etwas ganz Neues (kennen)lernen. Ich habe mit der Materie der Orthopädie-Technik bisher keine Berührungspunkte gehabt und weiß, dass das zu Anfang herausfordernd sein wird. Auch in der Pflege(pädagogik) war ich, wie es so schön heißt, fachfremd. Damals hat mir meine chronische Neugier geholfen, mich zügig zurecht zu finden und ich bin optimistisch, dass ich auch zu der Orthopädie-Technik eine Beziehung finde – meine Kolleginnen und Kollegen dürfen sich schonmal auf viele, viele Fragen freuen. Vielleicht ist das eine Erfahrung, die ich bisher mitgenommen habe und nun wieder einbringen werde: Fragen hilft. Wer offen zugibt, dass er oder sie nicht alles weiß, wird sicher besser an sein oder ihr Ziel kommen. Eigene Erfahrungen sind hilfreich, aber oft ist es noch hilfereicher, die Erfahrungen von anderen mit einzubeziehen.
In der Orthopädie-Technik treffen viele Disziplinen aufeinander. Sie bringen mit Ihrem Hintergrund in Medizin, Politik, Sozialwissenschaften und Gesundheitsökonomie selbst interdisziplinäre Erfahrung mit. Wie wichtig ist Ihnen dieser Blick über den Tellerrand – auch in der Ausbildung? Wie profitieren Ihrer Meinung nach Auszubildende und Lehrer davon, wenn Fachgrenzen aufgelöst und neue Verbindungen geschaffen werden – zum Beispiel zwischen Technik und Pflege, oder Medizin und Handwerk?
Den eigenen Horizont zu erweitern kann manchmal sehr zielführend sein. Etablierte Strukturen sind wichtig und haben ihre Berechtigung. Ich glaube nicht, dass man das Rad dauernd neu erfinden muss, aber wenn es die Möglichkeit gibt, dem Rad ein Upgrade zu verpassen, ohne dass es den Wiedererkennungswert und seine eigentliche Funktion verliert, sollte man es probieren. Was ich damit meine ist, dass es manchmal gut sein kann, etwas Neues zu probieren. Das bedeutet nicht, dass man alles andere über Bord werfen muss, sondern ganz im Gegenteil: Wer etwas Bestehendes anpasst, würdigt damit durchaus das, was schon da ist. Ich bin (noch) nicht mit den Themen des Handwerks vertraut und kann nur auf eigene Erfahrungen aus meinem bisherigen Arbeitsbereich und dem, was ich über den allgemeinen Diskurs mitbekomme, zurückgreifen. Ein interdisziplinärer Blick schadet aber nach meiner Auffassung nie. Um einen handwerklichen Beruf attraktiv zu halten, darf er nicht bis zur Unkenntlichkeit verwässert werden. Aber auch handwerkliche Berufsbilder müssen sich den gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen stellen und können die Innovationen, die möglich sind, für sich nutzen. Das Thema Geschlechterrollen im Handwerk ist nur eines von vielen, was Chancen bietet. Ja, Dinge werden komplexer. Ja, das ist eine Herausforderung. Ich bin eine Freundin von Herausforderungen und hoffe, dass ich mit der Zeit vielleicht hier und da neue Impulse setzen kann. Um das zu tun, muss ich aber erst einmal ankommen, verstehen und den Beruf und seinen Kern begreifen. Langfristig wünsche ich mir aber, dass zum Beispiel auch die Kooperation mit der Fachhochschule ausgebaut wird und beide Welten von Hochschule und Handwerk noch besser miteinander verbunden werden. Kein „entweder oder“, sondern ein „sowohl als auch“.
Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen der Branche?
Die Frage knüpft zum Teil genau an diese Dinge an. Natürlich kann ich aktuell noch nicht konkret überblicken, welche Herausforderungen speziell in der Branche anstehen. Es gibt aber Entwicklungen, die für viele Berufe Schwierigkeiten und Probleme hervorbringen. Die demografische Entwicklung ist, was den Nachwuchs angeht, nicht nur im Handwerk ein wichtiges Thema. Darüber hinaus hat sich die Erwartungshaltung der Menschen in Bezug auf ihre berufliche Tätigkeit in den letzten Jahrzehnten verändert. Welcher Stellenwert dem eigenen Beruf zugemessen wird, ist sehr individuell und dem müssen wir Rechnung tragen, wenn wir die Fahne für handwerkliche Berufe hochhalten möchten. Unsere Gesellschaft verändert sich stetig. Das ist gut. Aber das bedeutet auch, dass eine Branche in Bewegung bleiben muss.
Was sind Ihre Ziele für die Bufa? Wie möchten Sie die Einrichtung inhaltlich und strukturell weiterentwickeln – auch im Hinblick auf technologische Entwicklungen?
Fragen Sie mich vielleicht in einem Jahr nochmal (lacht). Ich möchte die Bufa erst einmal kennenlernen. Aus diesem Prozess des Kennenlernens werden sich sicher Ziele für die kommenden Jahre entwickeln. Im Moment ist mein Ziel, ein Gefühl für die Schule, die Lehre, das Kollegium und die Strukturen um die Bufa herum zu entwickeln. Alles, was danach kommt, wird sich zeigen. Ich wünsche mir auf jeden Fall, dass ich in der Bufa ankommen und bleiben kann. Es soll keine Stippvisite, sondern eine langfristige Beziehung werden.
Welche Aufgaben stehen in den ersten Tagen ganz oben auf Ihrer To-do-Liste?
Namen, Namen, Namen. Ich durfte im Rahmen der Meisterbriefverleihung Ende Februar und des Campusfestes im März schon einige Menschen kennenlernen und ein paar Namen habe ich bereits mitgenommen. Aber das wird in den ersten Tagen sicherlich noch eine Herausforderung werden. Und was natürlich ebenfalls ganz oben steht: das Team und den aktuellen Kurs kennenlernen. Ich bin sehr gespannt auf so viele neue Menschen und Eindrücke und werde bestimmt nicht an Langeweile oder Tristesse leiden.
Gibt es ein Motto, das Sie dabei durch den Alltag begleitet?
Zuhören. Wer viele Fragen stellt, sollte das Zuhören nicht vergessen. Ich rede selbst auch sehr gerne und behaupte mal, dass ich nicht auf den Mund gefallen bin. Aber Zuhören ist ganz oft der Schlüssel zu guten Lösungen, und dieses Motto nehme ich mit in meinen Bufa-Alltag.
Die Fragen stellte Pia Engelbrecht.
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