Vanes­sa Eick über­nimmt Lei­tung der Bufa

Lange Zeit rätselte die Branche, wer wohl das Erbe von Stefan Bieringer an der Dortmunder Bundesfachschule für Orthopädie-Technik (Bufa) antreten wird. Nun ist der Vorhang gefallen: Seit Anfang Mai steht Vanessa Eick der Einrichtung als Schulleiterin vor. Mit der OT-Redaktion sprach die 38-Jährige über ihre Motivation, in eine neue Branche zu wechseln, sowie über die Themen, die ihr am Herzen liegen.

Frau Eick, herz­li­chen Glück­wunsch zu Ihrer neu­en Posi­ti­on! Für all die, die Sie noch nicht ken­nen: Erzäh­len Sie uns von sich?
Vanes­sa Eick: Vie­len lie­ben Dank! Ich gehe davon aus, dass mich die aller­meis­ten Lese­rin­nen und Leser tat­säch­lich noch nicht ken­nen und viel­leicht fan­ge ich damit an: Ich bin neu im Hand­werk. Ich habe Politik‑, Sozi­al­wis­sen­schaft und Gesund­heits­öko­no­mie stu­diert und an der Ruhr-Uni­ver­si­tät in Bochum mei­nen Mas­ter gemacht. Damals habe ich nicht erwar­tet, dass ich Jah­re spä­ter eine Schu­le im hand­werk­li­chen Kon­text lei­ten wür­de – aber da mein Lebens­lauf mich bis­her immer mal wie­der über­rascht hat, passt auch die­ser Schritt ganz wun­der­bar. Zwi­schen mei­nem Bache­lor und Mas­ter habe ich ein paar Semes­ter Medi­zin stu­diert, aller­dings mit der Zeit gemerkt, dass mir sowohl im Stu­di­um als auch in der Tätig­keit als Ärz­tin etwas feh­len wür­de. Die­ses „Etwas“ habe ich in mei­nem Mas­ter­stu­di­um gefun­den: den Frei­raum für offe­nes Den­ken und eige­ne, krea­ti­ve Lösun­gen. Nach mei­nem Abschluss begann ich dann an einer Pfle­ge­schu­le in Essen zuerst in der Leh­re und nach weni­gen Mona­ten konn­te ich die stell­ver­tre­ten­de Lei­tung und kur­ze Zeit spä­ter die Lei­tung über­neh­men. Obwohl ich auf die­ser Posi­ti­on sehr zufrie­den war, habe ich im Novem­ber 2022 die Chan­ce, eine neue Pfle­ge­schu­le in Wup­per­tal als Lei­tung zu betreu­en, ergrif­fen. Inner­halb von zwei­ein­halb Jah­ren haben wir eine Schu­le am Markt plat­ziert und mit einem 20-köp­fi­gen Team rund 150 Aus­zu­bil­den­de auf dem Weg in ver­schie­de­ne Pfle­ge­be­ru­fe beglei­tet. Pri­vat lebe ich seit 2012 in Dort­mund und füh­le mich mit der Stadt und der gan­zen Regi­on Ruhr­ge­biet, in der ich auch auf­ge­wach­sen bin, sehr ver­bun­den. Ich bin froh, dass ich nun auch beruf­lich in mei­ner Stadt ange­kom­men bin.

Was hat Sie dazu moti­viert, die Lei­tung der Bufa zu übernehmen?
Die Anfra­ge von der Bufa für die vakan­te Posi­ti­on der Schul­lei­tung kam zu einem Zeit­punkt, an dem ich nicht über eine neue beruf­li­che Ori­en­tie­rung nach­ge­dacht habe. Daher war mei­ne Erwar­tung anfangs eher zurück­hal­tend. Ich habe in den ers­ten Gesprä­chen aber schnell gemerkt, dass mich die neue Her­aus­for­de­rung sehr reizt und die­ser ganz ande­re Arbeits­be­reich mein Inter­es­se geweckt hat. Nicht ganz unwich­tig war dabei auch, dass ich schon im ers­ten Gespräch zwei Mit­glie­der des Kol­le­gi­ums ken­nen­ler­nen durf­te und die­ser ers­te Ein­druck mich wirk­lich begeis­tert hat! Einer mei­ner jet­zi­gen Kol­le­gen hat sich nach dem offi­zi­el­len Teil noch fast eine Drei­vier­tel­stun­de Zeit genom­men und mich durch die gan­ze Schu­le geführt, mir alle Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen und die Ler­nen­den ein­mal kurz vor­ge­stellt und mir damit einen sehr wich­ti­gen ers­ten Ein­blick in das Team und die Schu­le gege­ben. Die­se Offen­heit hat mich schwer begeis­tert! Ich muss aber trotz­dem zuge­ben, dass mir die Ent­schei­dung alles ande­re als leicht­ge­fal­len ist. Ich habe in Wup­per­tal ein wun­der­ba­res Team gehabt, mit dem das Arbei­ten sehr viel Freu­de gemacht hat. Einen Stand­ort, den man selbst mit auf­ge­baut hat, zu ver­las­sen, war ein gro­ßer Schritt, den ich nicht ohne Abschieds­schmerz gegan­gen bin. Ich bin aber über­zeugt, dass es die rich­ti­ge Ent­schei­dung war und die Bufa mir genau­so ans Herz wach­sen wird wie mei­ne alte Schule.

Wie war Ihr ers­ter Ein­druck vom All­tag an der Bufa – sowohl räum­lich als auch menschlich?
Da muss ich etwas schmun­zeln, denn der ers­te räum­li­che Ein­druck war durch eines sehr stark geprägt: Bau­stel­le. Viel­leicht nicht gänz­lich unpas­send für eine Schu­le im hand­werk­li­chen Kon­text (lacht). Ich habe bei mei­nem Rund­gang mit dem Kol­le­gen einen ganz guten ers­ten Ein­druck von den Räu­men bekom­men und vor allem die Werk­stät­ten haben mich beein­druckt. Dass die Schu­le zu dem Zeit­punkt mit­ten im Umbau war, war für mich nicht abschre­ckend. Es ist schön zu sehen, wenn in neue Tech­nik und eine moder­ne Aus­stat­tung inves­tiert wird – dass das aber oft­mals mit klei­ne­ren und grö­ße­ren Hür­den und einem Zeit­plan, der immer zu ambi­tio­niert ist, ein­her­geht, gehört dazu. Mensch­lich hat sehr schnell sehr viel gepasst. Mir ist es wich­tig, dass das Team unter­ein­an­der einen guten und offe­nen Umgang pflegt. Durch die Art und Wei­se, wie die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen an dem Nach­mit­tag mit­ein­an­der umge­gan­gen sind und mich begrüßt haben, habe ich gemerkt, dass hier ein rich­ti­ges Team zusam­men­ar­bei­tet. Ehr­lich gesagt war das für mich extrem wich­tig. Ich möch­te nicht auf Dau­er mit Men­schen so eng zusam­men­ar­bei­ten, die ein­an­der „nicht grün“ sind. Mei­ne zwei, drei wei­te­ren Besu­che haben die­sen ers­ten Ein­druck übri­gens ver­fes­tigt und des­we­gen kom­me ich jetzt auch vol­ler Vor­freu­de zum Bufa-Team dazu!

Sie haben zuletzt die Pfle­ge­schu­le der „Aka­de­mie für Pfle­ge­be­ru­fe und Manage­ment“ (apm) in Wup­per­tal gelei­tet, davor hat­ten Sie die Stand­ort­lei­tung der „Teil­neh­mer­ori­en­tier­ten Pfle­ge­schu­le“ (ToP) in Essen inne. Wel­che Erfah­run­gen aus Ihrer bis­he­ri­gen beruf­li­chen Lauf­bahn möch­ten Sie gezielt in Ihre neue Rol­le einbringen? 

Mei­ne bei­den vor­he­ri­gen Lei­tungs­po­si­tio­nen haben mir gezeigt, dass es sel­ten eine Stra­te­gie für alles und jeden gibt. Ich möch­te bei der Bufa in Dort­mund anknüp­fen an mei­ne bis­he­ri­gen guten Erfah­run­gen und doch wie­der etwas ganz Neu­es (kennen)lernen. Ich habe mit der Mate­rie der Ortho­pä­die-Tech­nik bis­her kei­ne Berüh­rungs­punk­te gehabt und weiß, dass das zu Anfang her­aus­for­dernd sein wird. Auch in der Pflege(pädagogik) war ich, wie es so schön heißt, fach­fremd. Damals hat mir mei­ne chro­ni­sche Neu­gier gehol­fen, mich zügig zurecht zu fin­den und ich bin opti­mis­tisch, dass ich auch zu der Ortho­pä­die-Tech­nik eine Bezie­hung fin­de – mei­ne Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen dür­fen sich schon­mal auf vie­le, vie­le Fra­gen freu­en. Viel­leicht ist das eine Erfah­rung, die ich bis­her mit­ge­nom­men habe und nun wie­der ein­brin­gen wer­de: Fra­gen hilft. Wer offen zugibt, dass er oder sie nicht alles weiß, wird sicher bes­ser an sein oder ihr Ziel kom­men. Eige­ne Erfah­run­gen sind hilf­reich, aber oft ist es noch hilf­e­rei­cher, die Erfah­run­gen von ande­ren mit einzubeziehen.

In der Ortho­pä­die-Tech­nik tref­fen vie­le Dis­zi­pli­nen auf­ein­an­der. Sie brin­gen mit Ihrem Hin­ter­grund in Medi­zin, Poli­tik, Sozi­al­wis­sen­schaf­ten und Gesund­heits­öko­no­mie selbst inter­dis­zi­pli­nä­re Erfah­rung mit. Wie wich­tig ist Ihnen die­ser Blick über den Tel­ler­rand – auch in der Aus­bil­dung? Wie pro­fi­tie­ren Ihrer Mei­nung nach Aus­zu­bil­den­de und Leh­rer davon, wenn Fach­gren­zen auf­ge­löst und neue Ver­bin­dun­gen geschaf­fen wer­den – zum Bei­spiel zwi­schen Tech­nik und Pfle­ge, oder Medi­zin und Handwerk?
Den eige­nen Hori­zont zu erwei­tern kann manch­mal sehr ziel­füh­rend sein. Eta­blier­te Struk­tu­ren sind wich­tig und haben ihre Berech­ti­gung. Ich glau­be nicht, dass man das Rad dau­ernd neu erfin­den muss, aber wenn es die Mög­lich­keit gibt, dem Rad ein Upgrade zu ver­pas­sen, ohne dass es den Wie­der­erken­nungs­wert und sei­ne eigent­li­che Funk­ti­on ver­liert, soll­te man es pro­bie­ren. Was ich damit mei­ne ist, dass es manch­mal gut sein kann, etwas Neu­es zu pro­bie­ren. Das bedeu­tet nicht, dass man alles ande­re über Bord wer­fen muss, son­dern ganz im Gegen­teil: Wer etwas Bestehen­des anpasst, wür­digt damit durch­aus das, was schon da ist. Ich bin (noch) nicht mit den The­men des Hand­werks ver­traut und kann nur auf eige­ne Erfah­run­gen aus mei­nem bis­he­ri­gen Arbeits­be­reich und dem, was ich über den all­ge­mei­nen Dis­kurs mit­be­kom­me, zurück­grei­fen. Ein inter­dis­zi­pli­nä­rer Blick scha­det aber nach mei­ner Auf­fas­sung nie. Um einen hand­werk­li­chen Beruf attrak­tiv zu hal­ten, darf er nicht bis zur Unkennt­lich­keit ver­wäs­sert wer­den. Aber auch hand­werk­li­che Berufs­bil­der müs­sen sich den gesell­schaft­li­chen und tech­ni­schen Ent­wick­lun­gen stel­len und kön­nen die Inno­va­tio­nen, die mög­lich sind, für sich nut­zen. Das The­ma Geschlech­ter­rol­len im Hand­werk ist nur eines von vie­len, was Chan­cen bie­tet. Ja, Din­ge wer­den kom­ple­xer. Ja, das ist eine Her­aus­for­de­rung. Ich bin eine Freun­din von Her­aus­for­de­run­gen und hof­fe, dass ich mit der Zeit viel­leicht hier und da neue Impul­se set­zen kann. Um das zu tun, muss ich aber erst ein­mal ankom­men, ver­ste­hen und den Beruf und sei­nen Kern begrei­fen. Lang­fris­tig wün­sche ich mir aber, dass zum Bei­spiel auch die Koope­ra­ti­on mit der Fach­hoch­schu­le aus­ge­baut wird und bei­de Wel­ten von Hoch­schu­le und Hand­werk noch bes­ser mit­ein­an­der ver­bun­den wer­den. Kein „ent­we­der oder“, son­dern ein „sowohl als auch“.

Wo sehen Sie aktu­ell die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen der Branche?
Die Fra­ge knüpft zum Teil genau an die­se Din­ge an. Natür­lich kann ich aktu­ell noch nicht kon­kret über­bli­cken, wel­che Her­aus­for­de­run­gen spe­zi­ell in der Bran­che anste­hen. Es gibt aber Ent­wick­lun­gen, die für vie­le Beru­fe Schwie­rig­kei­ten und Pro­ble­me her­vor­brin­gen. Die demo­gra­fi­sche Ent­wick­lung ist, was den Nach­wuchs angeht, nicht nur im Hand­werk ein wich­ti­ges The­ma. Dar­über hin­aus hat sich die Erwar­tungs­hal­tung der Men­schen in Bezug auf ihre beruf­li­che Tätig­keit in den letz­ten Jahr­zehn­ten ver­än­dert. Wel­cher Stel­len­wert dem eige­nen Beruf zuge­mes­sen wird, ist sehr indi­vi­du­ell und dem müs­sen wir Rech­nung tra­gen, wenn wir die Fah­ne für hand­werk­li­che Beru­fe hoch­hal­ten möch­ten. Unse­re Gesell­schaft ver­än­dert sich ste­tig. Das ist gut. Aber das bedeu­tet auch, dass eine Bran­che in Bewe­gung blei­ben muss.

Was sind Ihre Zie­le für die Bufa? Wie möch­ten Sie die Ein­rich­tung inhalt­lich und struk­tu­rell wei­ter­ent­wi­ckeln – auch im Hin­blick auf tech­no­lo­gi­sche Entwicklungen?
Fra­gen Sie mich viel­leicht in einem Jahr noch­mal (lacht). Ich möch­te die Bufa erst ein­mal ken­nen­ler­nen. Aus die­sem Pro­zess des Ken­nen­ler­nens wer­den sich sicher Zie­le für die kom­men­den Jah­re ent­wi­ckeln. Im Moment ist mein Ziel, ein Gefühl für die Schu­le, die Leh­re, das Kol­le­gi­um und die Struk­tu­ren um die Bufa her­um zu ent­wi­ckeln. Alles, was danach kommt, wird sich zei­gen. Ich wün­sche mir auf jeden Fall, dass ich in der Bufa ankom­men und blei­ben kann. Es soll kei­ne Stipp­vi­si­te, son­dern eine lang­fris­ti­ge Bezie­hung werden.

Wel­che Auf­ga­ben ste­hen in den ers­ten Tagen ganz oben auf Ihrer To-do-Liste?
Namen, Namen, Namen. Ich durf­te im Rah­men der Meis­ter­brief­ver­lei­hung Ende Febru­ar und des Cam­pus­fes­tes im März schon eini­ge Men­schen ken­nen­ler­nen und ein paar Namen habe ich bereits mit­ge­nom­men. Aber das wird in den ers­ten Tagen sicher­lich noch eine Her­aus­for­de­rung wer­den. Und was natür­lich eben­falls ganz oben steht: das Team und den aktu­el­len Kurs ken­nen­ler­nen. Ich bin sehr gespannt auf so vie­le neue Men­schen und Ein­drü­cke und wer­de bestimmt nicht an Lan­ge­wei­le oder Tris­tesse leiden.

Gibt es ein Mot­to, das Sie dabei durch den All­tag begleitet?
Zuhö­ren. Wer vie­le Fra­gen stellt, soll­te das Zuhö­ren nicht ver­ges­sen. Ich rede selbst auch sehr ger­ne und behaup­te mal, dass ich nicht auf den Mund gefal­len bin. Aber Zuhö­ren ist ganz oft der Schlüs­sel zu guten Lösun­gen, und die­ses Mot­to neh­me ich mit in mei­nen Bufa-Alltag.

Die Fra­gen stell­te Pia Engelbrecht.

 

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