Ter­min­ver­ga­be­platt­for­men: Kri­tik an Gesetzesvorhaben

Das Gesetz zur Schaffung einer Digitalagentur für Gesundheit – kurz GDAG – soll den rechtlichen Rahmen für die Umwandlung der Gematik zur Digitalagentur bilden. In dessen Fahrwasser werden aber auch andere Digitalisierungsthemen behandelt, wie zum Beispiel die Terminvergabe für Gesundheitseinrichtungen, im Speziellen Arztpraxen.

Unter Para­graf 370c wird die „Ver­ein­ba­rung über tech­ni­sche Ver­fah­ren zur Nut­zung digi­ta­ler Ter­min­bu­chungs­platt­for­men“ gere­gelt. Nach dem Wil­len der Gesetz­ge­ber sol­len die Kas­sen­ärzt­li­chen Bun­des­ver­ei­ni­gun­gen (KBV) und der Spit­zen­ver­band Bund der Kran­ken­kas­sen (GKV-Spit­zen­ver­band) ver­ein­ba­ren, wel­che Anfor­de­run­gen an digi­ta­le Ter­min­bu­chungs­platt­for­men gel­ten, die von den Vertragsärzt:innen und den Vertrags­zahnärzt:innen zur Ver­ein­ba­rung von Ter­mi­nen in der gesetz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung ver­wen­det wer­den kön­nen. In der Ver­ein­ba­rung sind zunächst die tech­ni­schen Anfor­de­run­gen fest­zu­le­gen. Zudem wird fest­ge­legt, wie nach­ge­wie­sen wer­den soll, dass die Anfor­de­run­gen des Daten­schut­zes ein­ge­hal­ten wer­den und dass die Infor­ma­ti­ons­si­cher­heit nach dem Stand der Tech­nik gewähr­leis­tet wird. Dar­über hin­aus erfolgt die Fest­le­gung der Anfor­de­run­gen an die Inter­ope­ra­bi­li­tät im Sin­ne der Umset­zung offe­ner und stan­dar­di­sier­ter Schnitt­stel­len. Grund­la­ge und Vor­aus­set­zung hier­für wären laut GKV-Spit­zen­ver­band ein ver­bind­li­ches bun­des­ein­heit­li­ches und tages­ak­tu­el­les Ver­zeich­nis zu Sprech­zei­ten, ärzt­li­chen Schwer­punk­ten und Wei­ter­bil­dun­gen. Ein­satz­fä­hig wäre so ein Ver­zeich­nis, wenn alle Vertragsärzt:innen als Basis der digi­ta­len Ter­min­ver­ein­ba­rung antei­lig freie Ter­mi­ne dort­hin mel­den würden.

Über die tech­ni­schen Anfor­de­run­gen hin­aus for­mu­lier­te der GKV-Spit­zen­ver­band wei­te­re Ideen in sei­nem Posi­ti­ons­pa­pier zur ambu­lan­ten Ver­sor­gung in Deutsch­land. Es wird eine bun­des­weit ein­heit­li­che digi­ta­le Ter­min­ver­ga­be gefor­dert, die auch außer­halb der Pra­xis­zei­ten eine Buchung von Ter­mi­nen ermög­licht. Ste­fa­nie Stoff-Ahnis, stell­ver­tre­ten­de Vor­stands­vor­sit­zen­de des GKV-Spit­zen­ver­ban­des sagt dazu: „Der GKV-Spit­zen­ver­band hat zehn Posi­tio­nen ent­wi­ckelt, um die ambu­lan­te Ver­sor­gung den zukünf­ti­gen Bedürf­nis­sen anzu­pas­sen. Nach unse­ren Vor­schlä­gen könn­ten Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten bedarfs­ge­rech­ter ver­sorgt wer­den und auch die Ärz­te­schaft und das Pra­xis­per­so­nal könn­ten von einer gesteu­er­ten Ver­sor­gung pro­fi­tie­ren. Wir brau­chen ergän­zend zur tele­fo­ni­schen Erreich­bar­keit eine ver­pflich­ten­de digi­ta­le Ter­min­ver­ein­ba­rung für alle Arzt­pra­xen. Dann könn­ten Ter­mi­ne unbü­ro­kra­tisch auch außer­halb von Öff­nungs­zei­ten ver­ein­bart wer­den. Das wür­de Ver­si­cher­te und Pra­xis­per­so­nal glei­cher­ma­ßen ent­las­ten. Die gute Nach­richt ist, dass aus­rei­chend Bei­trags­gel­der zur Ver­fü­gung ste­hen, um die Ver­sor­gungs­struk­tu­ren zu ver­bes­sern. Rund 49 Mil­li­ar­den Euro wer­den die ambu­lan­ten Leis­tungs­er­brin­gen­den im kom­men­den Jahr aus den Töp­fen der gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen erhal­ten. Damit ist die ambu­lan­te Ver­sor­gung der dritt­größ­te Aus­ga­ben­block nach der Kran­ken­haus­ver­sor­gung und den Arzneimitteln.“

Kri­tik an die­sen Vor­schlä­gen kommt aus den Rei­hen des Digi­tal­ver­ban­des Bit­kom. Deren Haupt­ge­schäfts­füh­rer Dr. Bern­hard Roh­le­der erklärt: „Grund­sätz­lich begrü­ßen wir, dass die Digi­ta­li­sie­rung der Ter­min­ver­ga­be bei Pra­xen und medi­zi­ni­schen Ein­rich­tun­gen vor­an­ge­trie­ben wird. Gleich­zei­tig wei­sen die aktu­ell dis­ku­tier­ten Vor­schlä­ge der Kran­ken­kas­sen in die fal­sche Rich­tung und scha­den mehr, als sie nut­zen. Die zu erwar­ten­de Regu­lie­rung der Ter­min­ver­ga­be durch die Kran­ken­kas­sen wür­de mas­siv in den Wett­be­werb zwi­schen den im Markt bereits ver­füg­ba­ren Sys­te­men ein­grei­fen, tech­no­lo­gi­sche Inno­va­tio­nen behin­dern und das deut­sche Gesund­heits­we­sen von inter­na­tio­na­len Ent­wick­lun­gen ent­kop­peln. Die Ent­schei­dung dar­über, wie und mit wel­cher tech­no­lo­gi­schen Lösung Ter­mi­ne ver­ge­ben wer­den, soll­te allein bei den Pra­xen und Ver­sor­gungs­ein­rich­tun­gen lie­gen. Ins­be­son­de­re das Ansin­nen der Kran­ken­kas­sen, ihrer­seits ein zen­tra­les Ver­zeich­nis für freie Arzt­ter­mi­ne auf­zu­bau­en, ist ange­sichts der bereits gut funk­tio­nie­ren­den pri­vat­wirt­schaft­li­chen Lösun­gen kon­tra­pro­duk­tiv. Die Kran­ken­kas­sen soll­ten ihre per­so­nel­len und ohne­hin knap­pen finan­zi­el­len Res­sour­cen auf ande­re, not­wen­di­ge­re Auf­ga­ben aus­rich­ten. Grund­la­gen der Vor­schlä­ge sind unter ande­rem im Gesetz­ent­wurf zur Digi­ta­l­agen­tur für Gesund­heit zu fin­den, der eine grund­sätz­li­che Regu­lie­rung von Ter­min­bu­chungs­platt­for­men anstrebt. Büro­kra­tie, Regeln und Vor­ga­ben gibt es ins­be­son­de­re im Gesund­heits­sek­tor bereits zur Genü­ge. Noch mehr Regu­lie­rung wäre eine Gefahr für die Digi­ta­li­sie­rung des Gesund­heits­we­sens und wür­de pri­vat­wirt­schaft­lich getrie­be­ne Inno­va­tio­nen aus­brem­sen – letzt­lich zum Scha­den von Pati­en­tin­nen und Patienten.“

Auch der Berufs­ver­band für Ortho­pä­die und Unfall­chir­ur­gie (BVOU) e. V. lehnt den aktu­el­len Vor­schlag des GKV-Spit­zen­ver­ban­des zur Ein­füh­rung eines zen­tra­li­sier­ten Ter­min­ver­ga­be­sys­tems ab. Die­ser Vor­schlag, der Ärzt:innen dazu ver­pflich­ten soll, 25 bis 75 Pro­zent ihrer Ter­mi­ne an ein zen­tra­les Por­tal zu mel­den, wird das War­ten auf einen Fach­arzt­ter­min noch ver­stär­ken, so die Mei­nung des Ver­ban­des. „Ein zen­tralisiertes Sys­tem wird die­se Pro­ble­ma­tik nur ver­schär­fen, ohne die eigent­li­chen Ursa­chen der Ter­min­ver­knap­pung zu adres­sie­ren“, betont Dr. Burk­hard Lem­beck, Prä­si­dent des Berufs­ver­ban­des, und führt aus: „Alle Exper­ten sind sich einig: Die Pro­ble­me im Gesund­heits­sys­tem lösen wir nur durch mehr medi­zi­ni­sche Exper­ti­se zur Ver­mei­dung von Fehl­steue­rung. Mehr Plan­wirt­schaft zur Besei­ti­gung von Man­gel – das kann die Lösung nicht sein! Und ket­ze­risch gefragt: War­um hat man, nicht zuletzt auf Betrei­ben des GKV-SV, eigent­lich die Ent­bud­ge­tie­rung bei Neu­pa­ti­en­ten erst vor Kur­zem wie­der abgeschafft?“

Tei­len Sie die­sen Inhalt