Prof. Dr. Anna Hell, Leiterin Schwerpunkt Kinderorthopädie an der Universitätsmedizin Göttingen, fokussierte auf die konservative Therapie der Early-Onset-Skoliose, also auf jene Wirbelsäulenverkrümmungen, die sich vor dem 10. Lebensjahr manifestieren. Skoliosen im Kindesalter können kongenital oder neuromuskulär bedingt sein, Syndrom-assoziiert auftreten oder sich idiopathisch, also ohne bekannte Ursache, entwickeln. Hell machte deutlich, dass die Ätiologie entscheidend für die Prognose und den Therapieverlauf ist und eine wesentliche Rolle bei der Wahl des Therapieverfahrens und ‑zeitpunkts spielt. Zu den besonderen Herausforderungen zählen eine starke Progredienz der Deformitäten, das Thoraxinsuffizienz-Syndrom, weiche Knochen sowie Unter- oder auch Übergewicht. Wann gilt es konservativ zu versorgen? Wann braucht es eine Operation? Um das beurteilen zu können, sei vor jeder Behandlung ein intensiver Check-up im interdisziplinären Austausch notwendig. Ziel sei es, ausgeprägte Deformitäten zu vermeiden sowie eine Thoraxhöhe von 20 bis 22 Zentimetern zu erreichen, um eine gute Lungenfunktion zu ermöglichen. Operativ können wachstumsfreundliche Implantate das Mittel der Wahl sein. Konservativ helfen Physiotherapie und Korsettbehandlung. Das Problem hier: Kinder wachsen schnell. Ständig werde demnach ein neues Korsett benötigt. Hell zeigte mehrere Patientenbeispiele auf und machte deutlich, dass nicht ausschließlich ein gutes Röntgenbild das Ziel sein kann. Stets im Hinterkopf solle man behalten, wie eine Wirbelsäulenkorrektur bewirkt werden kann, ohne die Gehfähigkeit einzuschränken. „Das ist ein großes Dilemma“, betonte sie. „Und darauf gibt es in der Medizin manchmal keine Antworten.“ Der Schlüssel auf dem Weg zum Ziel: individuelle Lösungen finden.
Hohe Rezidivneigung während des Wachstums
„Indikationen zu operativen Achskorrekturen bei Kindern mit Skelettdysplasien“ stellte Dr. Christine Engel, Oberärztin am Olgahospital Stuttgart, in ihrem Vortrag vor. „Das Ziel bei uns allen sind gut bewegliche, schmerzfreie Gelenke“, sagte sie. Doch wie kann das bewerkstelligt werden? Anhand von Patientenbeispielen stellte sie heraus, dass bei Skelettdysplasien keine spontane Verbesserung einer Achsdeformität zu erwarten ist. Stattdessen bestehe eine hohe Rezidivneigung während des Wachstums. „Wachstumslenkende Maßnahmen sind charmant“, betonte sie. Sie seien weniger invasiv und wiesen eine geringe Komplikationsrate auf. Allerdings müsse dabei das Wachstumspotenzial beachtet werden und ggf. frühzeitig eine OP erfolgen.
Teleskopnagelung zur Stabilisierung
„Wir dachten, wir balancieren heute immer wieder zwischen operativen und konservativen Methoden“, leitete Wirth zu seinem Vortrag über. Da jedoch ein Beitrag ausfallen musste, würde es – auch jetzt – etwas „OP-lastig“ werden. Sein Fokus lag auf „Orthopädisch-chirurgischen Maßnahmen zur Deformitätenkorrektur der Extremitäten bei Erkrankungen mit weichen Knochen“. Eine Reihe von Erkrankungen gehe mit einer reduzierten Knochenfestigkeit einher. In seinem Beitrag beschränkte er sich auf zwei: die Osteogenesis imperfecta (OI) sowie die fibröse Dysplasie (FD). Durch die genetische Aufarbeitung der Erkrankung werden mittlerweile 23 verschiedene Typen der OI unterschieden. Und da das ganz schön kompliziert sei, „machen wir es heute einfach“. Wirth konzentrierte sich auf die klassischen Typen – und dabei auf die milde, moderate und schwere Form. „Die fibröse Dysplasie kann uns operativ zur Verzweiflung bringen“, gab er zu. Als effektiv habe sich die Teleskopnagelung erwiesen. Diese Nägel sollen die Knochen stabilisieren und dafür sorgen, dass Brüche gerade zusammenwachsen. Ein großer Vorteil: Ein solcher Nagel passt sich dem Wachstum des Knochens an. Neben den unteren sollte auch die Behandlung der oberen Extremitäten nicht vergessen werden. „Wir werden immer öfter gebeten, die Arme gerade und benutzbar zu machen“, sagte er. Denn ohne diese Fähigkeit können die Kinder einen Rollstuhl nicht eigenständig bedienen. Der Wunsch nach einem minimalinvasiven Eingriff sei groß, aber nur dann machbar, wenn die Knochen nicht zu krumm sind. „Große Deformitäten benötigen eine Verkürzung“, so Wirth. Und die sei minimalinvasiv nicht machbar.
Keine OP kommt ohne Risiken aus. „Es gibt alle erdenklichen Komplikationen, die Sie sich vorstellen können.“ Der Nagel verbiegt sich, hält nicht, wandert aus oder, oder. Grundsätzlich – und das zeigten mehrere Untersuchungen – helfen die Teleskopnägel den Kindern. „Und wie lange halten diese? Müssen die Nägel regelmäßig ausgetauscht werden?“, wurde eine Frage aus dem Publikum laut. „Wenn der Nagel nichts macht, lassen wir ihn in Ruhe“, sagte Wirth und berichtete von Patient:innen, die seit 20, 30 Jahren ohne Wechsel leben.
Pia Engelbrecht
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