Prä­si­dent auf klei­ner Flam­me gegrillt

Mit „Grill den Präsidenten“ hat der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT) ein neues Format auf der OTWorld ins Leben gerufen. Im BIV-Café stellte sich Präsident Alf Reuter am Mittwoch den Fragen der Mitgliedsbetriebe. In Flammen stand er am Ende nicht, geräuchert wurde er aber allemal.

„Ist das, was wir machen, rich­tig? Was liegt Ihnen auf dem Her­zen? Wo brennt die Luft?“, frag­te Reu­ter und warf gleich dar­auf den Grill an: „Feu­er frei.“ Mode­ra­to­rin Kirs­ten Abel, Spre­che­rin des Prä­si­di­ums, schwärm­te aus und such­te in der Run­de nach den ers­ten Stim­men, die dem Prä­si­den­ten ein­hei­zen wollen.

Einem Ver­tre­ter eines Mit­glieds­be­triebs aus Köln brann­te das The­ma Stun­den­ver­rech­nungs­sät­ze unter den Nägeln. „Wir brau­chen ent­spre­chen­de Ver­trä­ge, die uns am Leben hal­ten“, sag­te er und frag­te, inwie­fern der BIV-OT hier unter­stüt­zen kann. Um die Stun­den­ver­rech­nungs­sät­ze zu ermit­teln, sei vor zwei Jah­ren eine Stu­die in Auf­trag gege­ben wor­den, so Reu­ter. Doch die Ergeb­nis­se – 2019 waren es rund 100 Euro – wür­den bei den Kran­ken­kas­sen auf tau­be Ohren sto­ßen. „Wir ver­su­chen nun über die Minis­te­ri­en zu gehen und den Druck zu erhö­hen.“ Die Druck­mit­tel sei­en da, doch es gel­te „vor­sich­tig mit dem schar­fen Schwert umzugehen“.

Mit dem Stich­wort Fach­kräf­te­man­gel wur­de ordent­lich Koh­le ins Feu­er gewor­fen. „Es ist schwie­rig, Nach­wuchs zu fin­den. Ich glau­be, so geht es allen“, hieß es aus dem Publi­kum. Von einem Frank­fur­ter Betrieb gab es Zustim­mung. Durch sei­ne Tätig­keit im Prü­fungs­aus­schuss Hes­sen schwe­be dem Ortho­pä­die­tech­nik-Meis­ter immer wie­der die Fra­ge durch den Kopf, wie die jun­ge Gene­ra­ti­on für den Beruf begeis­tert wer­den kann. Vor Aus­bruch der Coro­na-Pan­de­mie sei in einer Ele­fan­ten­run­de mit u. a. Sani­täts­haus Aktu­ell, Reha­vi­tal und Egroh über mög­li­che Lösungs­an­sät­ze dis­ku­tiert wor­den, berich­te­te der BIV-OT-Prä­si­dent. Dabei schau­ten sie auch nach links und rechts: Wie machen es ande­re? Der Zen­tral­ver­band des Deut­schen Hand­werks (ZDH) habe in der Ver­gan­gen­heit für ein Mar­ke­ting­kon­zept einen zwei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­trag pro Jahr inves­tiert. Doch selbst wenn die OT-Bran­che die Indus­trie mit ins Boot holen wür­de, so Reu­ter, wäre es schwie­rig, sol­che Beträ­ge bereit­stel­len zu kön­nen. Und dann blei­be noch die Fra­ge: Wer wird so tat­säch­lich auf den Beruf auf­merk­sam? „Wir müs­sen lan­ge und laut schrei­en, bis man uns hört“, ist Reu­ter über­zeugt. Statt eine gro­ße Medi­en­kam­pa­gne zu star­ten, sei es sinn­vol­ler, eine Gue­ril­la-Tak­tik zu fah­ren und den Betrie­ben Wer­be­mit­tel zur Ver­fü­gung zu stel­len. „Wir bekom­men mehr Auf­merk­sam­keit, wenn jeder in sei­ner eige­nen Com­mu­ni­ty Wer­bung macht.“

So schön und erfül­lend der Beruf des Ortho­pä­die­tech­ni­kers bzw. der Ortho­pä­die­tech­ni­ke­rin auch ist, nur von Sinn­stif­tung lässt sich nicht leben. Wer Nach­wuchs gene­rie­ren möch­te, muss auch mit dem Gehaltscheck wedeln kön­nen. Doch die Bran­che ver­steckt den eher hin­ter dem Rücken. Denn locken lässt sich mit durch­schnitt­lich 2.800 Euro nicht. „Die Ver­gü­tung ist im unte­ren Bereich“, merk­te auch Lars Grun, Vor­sit­zen­der des Berufs­bil­dungs­aus­schus­ses im BIV-OT, an. „Wir wür­den gern die Unter­stüt­zung haben, um das zu ändern.“ Bald gin­gen die Baby­boo­mer in Ren­te: „Dann wird es wirk­lich schwie­rig.“ Die Rech­nung ist eben­so sim­pel wie schwer­wie­gend: Weni­ger Azu­bis bedeu­ten weni­ger Gesell:innen, bedeu­ten weni­ger Unter­neh­mer, ergänz­te Reu­ter. „Nicht vie­le haben heu­te den Mut, einen Betrieb zu über­neh­men oder neu zu gründen.“

Ein Ver­tre­ter eines Mit­glieds­be­triebs aus Leip­zig wies auf eine wei­te­re Her­aus­for­de­rung für die OT-Betrie­be hin: die Ein­füh­rung des E‑Rezepts. „Wie set­zen wir das im All­tag um?“ Durch den Kon­takt mit Arzt­pra­xen und Apo­the­ken bekom­me er diver­se Pro­ble­me rege­mä­ßig mit. „Ich hof­fe, das sind Kin­der­krank­hei­ten, die sich legen, bis wir mit dem E‑Rezept star­ten.“ Ein Tipp am Ran­de: Wer Auf­klä­rungs­be­darf rund ums E‑Rezept hat, hat am Don­ners­tag die Mög­lich­keit, Ant­wor­ten zu fin­den: Dann fin­det der Tag des E‑Rezepts statt.

Das inspi­rier­te Abel zu einem ande­ren hei­ßen The­ma: Sie woll­te vom Publi­kum wis­sen, wie oft ein Rezept nicht rich­tig aus­ge­füllt wird – ein Rau­nen ging durch die Men­ge. Das sei von der Ver­sor­gung abhän­gig, kam es zurück. Im Bereich Ban­da­gen gebe es sel­ten Pro­ble­me, im Bereich Lymph dage­gen umso mehr. War­um das so ist, dafür hat­te ein Betrieb aus Bay­ern Erklä­rungs­an­sät­ze. Auf Medi­zi­ner­sei­te wür­de das Ver­ständ­nis für Lym­ph­ver­sor­gun­gen feh­len. „Und war­um muss ein Arzt alle Zusät­ze ken­nen? Das muss doch gar nicht sein“, hieß es. Denn die Exper­ti­se lie­ge auf ande­rer Sei­te. Reu­ter hat­te einen Tipp aus sei­nem eige­nen Betrieb parat: Er und sein Team bie­ten ihre Mit­ar­beit an, geben Argu­men­ta­ti­ons­hil­fen an die Hand. „Wel­cher Ortho­pä­de ist schon aus­ge­bil­det, für die Tech­ni­sche Ortho­pä­die zu ver­ord­nen?“, frag­te er rhetorisch.

In den ver­gan­ge­nen Mona­ten treibt die Bran­che ein The­ma ganz beson­ders um: Der Weg­fall der Prä­qua­li­fi­zie­rung für apo­the­ken­üb­li­che Hilfs­mit­tel. Der „Unter­gang des Abend­lan­des“ sei laut Reu­ter nicht in Sicht, und den­noch: Gegen die Lob­by­ar­beit des Deut­schen Apo­the­ker­ver­ban­des anzu­kom­men, sei ein schwe­res Unterfangen.

Nach 45 Minu­ten wur­de die Koh­le dann gelöscht. „Und – fühlst du dich gegrillt?“, woll­te Abel wis­sen. Doch der Prä­si­dent ver­nein­te, hat­te er doch auf mehr Kri­tik gehofft. „In zwei Jah­ren machen wir das noch­mal“, kün­dig­te er eine Wie­der­ho­lung an. „Für mich ist es wich­tig, die Mei­nun­gen der Betrie­be zu hören“, beton­te er, denn nur so kön­ne er erfah­ren, ob sein Bauch­ge­fühl auch rich­tig liegt.

Pia Engel­brecht

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